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„Bei Gott gibt es keine zweite Reihe”

Menschen mit Behinderung und die Kirche: Fachtagung zum Thema Inklusion in der Bildungsarbeit.

Wie schwierig sich die Kirche mit Inklusion tut, zeigte die Interpretation einer biblischen Wundergeschichte bei der zweiten gesamtkirchlichen Bildungskonferenz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im Bockenheimer Zentrum Verkündigung am heutigen Montag, 13. Mai. Die Heilung des blinden Bartimäus wurde als Beispiel einer biblischen Inklusionsgeschichte angeführt. Dem Widersprach das Auditorium. Denn in dieser Überlieferung geht es um Heilung. Inklusion will aber die Menschen so annehmen wie sie sind, gleich ob behindert oder nicht-behindert. Allen Menschen soll der Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen ermöglicht werden. So fordern es die Vereinten Nationen.Die für Bildung zuständige Dezernentin Christine Noschka hatte denn auch zu Beginn der Konferenz festgestellt: „Es gibt nicht mal eine Verständigung darüber, was wir unter Inklusion verstehen.”

Organisierte die zweite gesamtkirchliche Bildungskonferenz: Eberhard Pausch Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Mehr als hundert Fachleute aus der kirchlichen Bildungsarbeit thematisierten in Anwesenheit von Kirchenpräsident Volker Jung ihr Inklusionsverständnis. Dabei wies Pfarrer Achim Dietermann, Darmstadt, verantwortlich für die religionspädagogische Fortbildung in den Kindertagesstätten, darauf hin, dass Inklusion nicht nur mit dem Blick auf behinderte Kinder zu sehen ist. Inklusion bedeute Offenheit für alle Kinder, gleich welcher Religion. „Bei Gott gibt es keine zweite Reihe, nur erste Plätze”. Dietermann plädierte für eine „inklusive Religionspädagogik”, für einen Rahmen wie Religion wertschätzend zu vermitteln sei, ohne gleich missionierend zu sein. Dafür benötige man eine „neue Haltung mit einem Blick auf die eigene Befangenheit.” Für die Erwachsenenbildung forderte Martin Erhardt, Darmstadt, einen neuen Blick auf die Alten. Das Alter sei keine „Restlebenszeit”, es biete vielmehr einen neuen Gestaltungszeitraum.

Ein Thesenpapier zum „Inklusionsverständnis des christlichen Glaubens und den Folgerungen für den Bereich Bildung” soll in den kommenden Wochen weiter bearbeitet werden, um es dann der Kirchenleitung zur Beschlussfassung vorzulegen. Für Noschka steht aber jetzt schon fest: „Inklusion braucht nicht nur Kompetenz, sondern auch finanzielle Mittel.“

Beitrag von , veröffentlicht am 13. Mai 2013 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Von – 6. Mai 2013

„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Platz eins für die Kirchenmusik

Institut für Medienpädagogik und Kommunikation

Der neue Vorstand des Landesfilmdienst Hessen e.V. – Institut für Medienpädagogik und Kommunikation ist gewählt. Detlef Ruffert (ganz links) und Peter Holnick (ganz rechts) freuen sich über die Wahl von Oliver Bein, Doris Reitz-Bogdoll (zur 2. Vorsitzenden), Helmuth Poppe, Staatssekretär a.D. Paul Leo Giani (zum 1. Vorsitzenden) und Kurt-Helmuth Eimuth.

Empörung allein bringt nichts

Empörung allein bringt nichts

Hoch sensibel reagiert die Gesellschaft auf vermeintliche oder tatsächliche Fehltritte führender Persönlichkeiten. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kirche. Aber Empörung allein bringt nichts.

Kein Zweifel, ein Flug erster Klasse, um Slums in Indien zu besuchen, lässt sich kaum rechtfertigen. Und eine Studie zur Größe der kirchlichen Dienstwagen und ihrem CO2-Ausstoß hat ergeben: Die Limousinen der Oberklasse verbrauchen zu viel.

Keine Frage – Führungspersönlichkeiten müssen sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Nur: Kleinliche Neiddebatten helfen nicht weiter. Es ist doch völlig einleuchtend, dass Minister und Aufsichtsratsvorsitzende in bequemen Autos durchs Land gefahren werden. Schließlich ist der Wagen für sie ihr zweites Büro, und zudem bieten die Autohersteller deftige Nachlässe an, weshalb auch manch kirchliche Führungspersönlichkeit nicht im Golf vorfährt.

Apropos Golf. Kann man es Peer Steinbrück wirklich übel nehmen, dass auch er Wagen mit großem Hubraum bevorzugt? Würden wir das nicht alle tun, wenn wir als Spitzenpolitiker unterwegs wären? Sein Fehler war lediglich, dass er es gesagt hat. Sicher ist es auch richtig, dass es irgendwie eine Unwucht darstellt, wenn ein Sparkassendirektor besser bezahlt wird als die Kanzlerin. Man sollte solche Sparkassen- und Bankgehälter gerade in Zeiten der Finanzkrise überdenken. Schließlich können immer mehr Menschen von ihrem Lohn kaum leben, während die Spitzengehälter in ungeahnte Höhen schießen.

Würden wir nicht auch das Geld nehmen?

Doch zurück zum Kanzlerkandidaten. Seine Äußerung wurde so verstanden, als fordere er für sich im Kanzleramt mehr Geld. Einem, der seine Vorträge so teuer wie möglich verkauft, traut man das zu. Aber seien wir ehrlich: Würden wir nicht auch das Geld nehmen?

Mediale Empörung über das Fehlverhalten Einzelner verschleiert eher Missstände, als dass es sie aufdeckt. Warum muss ein Unternehmen der Stadtwerke Bochum überhaupt solch teure Marketingmaßnahmen machen? Warum wird die Automobilindustrie nicht dazu verpflichtet, Autos mit niedrigem Verbrauch zu bauen? Warum gibt es ein Steuerprivileg für Dienstwagen? Und schließlich: Wie kann man eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums erreichen?

Schwierige Fragen mit komplexen Antworten. Das ist schlecht auf eine Schlagzeile zu bringen und anstrengend zu verstehen. Empörung geht halt einfacher.

Beitrag von , veröffentlicht am 13. Februar 2013 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

„Nur wenige lehnten den NS-Staat ab“

„Nur wenige lehnten den NS-Staat ab“

Vor 80 Jahren wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler gewählt. Jürgen Telschow hat die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die evangelische Kirche in Frankfurt untersucht. Ein Interview.

Herr Telschow, Sie haben über den „Kirchenkampf“ in Frankfurt geforscht. Um was ging es denn dabei?

Wenn man den Begriff traditionell verwendet, ging es um eine Auseinandersetzung innerhalb der evangelischen Kirche zwischen den „Deutschen Christen“, die der Ideologie des Nationalsozialismus folgten, und einer kirchlichen Richtung, die sich „Bekennende Kirche“ nannte. Sie bestand auf einer theologischen und organisatorischen Eigenständigkeit gegenüber dem NS-Staat. Damit wird aber eigentlich verdeckt, dass meines Erachtens der Gegner der Bekennenden Kirche gar nicht die Deutschen Christen waren, sondern der NS-Staat. Die Bekennende Kirche hat zwar an einem ganz entscheidenden Punkt der Gleichschaltung widerstanden, aber sie hat mitgemacht oder toleriert oder sich weggeduckt bei all dem anderen, was dieser NS-Staat über Deutschland und die Welt gebracht hat. Mit dem Begriff „Kirchenkampf“ konnte sie ihr Bild von dem Kämpfer gegen das Unrecht schlagwortartig skizzieren.

Man kann also nicht sagen, dass die Bekennende Kirche Widerstand geleistet hätte?

Nein. Es gab in der Bekennenden Kirche nur ganz wenige, die den NS-Staat grundsätzlich abgelehnt haben.

Sie schreiben, dass das protestantische Milieu eine Nähe zum Nationalsozialismus gehabt hätte. Wie erklärt sich das?

Von der Urchristenheit her sind die Christen aufgerufen worden, den Staat, ganz gleich wie er ausschaut, als von Gott gegeben anzusehen. Es gibt das bekannte Wort von Römer 13, wo es nicht nur heißt: „Seid Untertan der Obrigkeit“, sondern es geht weiter: „… denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott“. Und so haben die Christen über 2000 Jahre damit gelebt, dass man sich dem Staat zu unterwerfen hat. Dann hatten sie erhebliche Probleme, die Weimarer Republik als eine Obrigkeit von Gott anzusehen, weil die Regierung von Menschen gewählt war. Es fiel ihnen leichter, Hitler als von Gott Gesandten anzusehen und damit in die alten Denkmuster zu verfallen. Auch gehörten die Pfarrer als Teile des Bürgertums einer Bevölkerungsgruppe an, die dem Verlust der Monarchie nachtrauerte, schockiert über die Formen des Atheismus war, und die moderne Zeit mit der Liberalitiät in der Gesellschaft kritisch sah.

Sie schreiben, dass sich die Deutschen Christen die rassistische Ideologie zu Eigen gemacht hätten. Dies sei sogar konstitutiv gewesen.

Das ist das Erschreckende. Theologisch war ja die evangelische Kirche schon seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr gespalten – zwischen den pietistischen Traditionalisten und der so genannten liberalen Theologie, die Glauben mit Wissenschaft und Kultur vereinbaren wollte. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich mit Karl Barth eine theologische Richtung entwickelt, die den Liberalen vorwarf, dass sie theologische Fragen zu sehr mit kulturellen Fragen vermischten und nicht mehr nur aufs Evangelium schauten. Karl Barth hat dafür gekämpft, dass man ausschließlich das Evangelium als Richtschnur betrachtet und es nicht mit anderen Philosophien oder weltanschaulichen Elementen verbindet. Das Eigenartige ist, dass dann parallel dazu mit den Vorläufern der Deutschen Christen genau das Umgekehrte passierte: Jetzt war es nicht die Kultur und die Wissenschaft, denen man sich annäherte, sondern es waren plötzlich rassische Fragen oder das Führerprinzip.

Aber es gab in Frankfurt auch Widerstand gegenüber dem Beschäftigungsverbot von nicht „reinarischen“ Ärzten, zum Beispiel in evangelischen Krankenhäusern.

Die Frage, wie die evangelische Kirche mit Juden und insbesondere getauften Juden umgegangen ist, beschäftigt uns bis heute. Es ist nicht ganz zufällig, dass die Pfarrerschaft der Machtübernahme der Nationalsozialisten weitgehend zugestimmt hat. Erst in dem Moment, als auch in der Kirche der „Arierparagraph“ eingeführt wurde, also das Verbot, nicht „reinarische“ Menschen im kirchlichen Dienst zu beschäftigen, begann man, sich zu wehren. Es ist interessant, wenn man sich dazu die drei der Landeskirche nahestehenden Krankenhäuser in Frankfurt anschaut: das Diakonissenkrankenhaus, das St. Markuskrankenhaus und das Privatkrankenhaus Sachsenhausen. Auf alle drei ist Druck ausgeübt worden, sich von jüdischen Ärzten zu trennen. Aber die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Der Träger des Sachsenhäuser Krankenhauses, der Gemeinschaftsdiakonieverband in Marburg, lag auf der Linie der Deutschen Christen und der Nationalsozialisten und hat – sehr freundlich gesagt – überhaupt nicht den Versuch gemacht, sich vor seine jüdischen Ärzte zu stellen. Der Träger des St. Markuskrankenhauses, der Vorstand des Bockenheimer Diakonissenvereins, hat es versucht, auch mit juristischen Tricks, hat sich aber nicht durchsetzen können. Beim Diakonissenkrankenhaus schließlich hat der Vorstandsvorsitzende, Senatspräsident am Oberlandesgericht Dr. Heldmann, sofort gesagt: Hier gilt der Arierparagraph nicht. Und man konnte das durchhalten.

Wie war das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Richtungen in der Frankfurter Pfarrerschaft?

Zwischen 1933 und 1945 haben in Frankfurt 137 Pfarrer gearbeitet. Davon waren 60 Mitglieder der Bekennenden Kirche. Das ist ein enorm hoher Anteil. Den Deutschen Christen gehörten 29 Pfarrer an, 17 traten aber nach relativ kurzer Zeit wieder aus.

Heißt das, das protestantische Milieu war hier kritisch eingestellt war?

Ich habe nichts gefunden, was die Ausrichtungen der Gemeindemitglieder betraf. Es gab nur wenige Gemeinden, die sich eindeutig zuordnen lassen. Die Gemeinden waren gespalten. Einige Protagonisten der Bekennenden Kirche wie Otto Fricke und Wilhelm Fresenius hatten nicht einmal in ihren Kirchenvorständen die Mehrheit.

Warum sollte man sich heute noch mit Kirchenkampf beschäftigen?

Was zwischen 1933 und 1945 passiert ist, war ein ganz schrecklicher Irrweg Deutschlands, der aber doch weitgehend Zustimmung gefunden hatte. So richtig überzeugt sind die Menschen auch nach 1945 nicht davon abgerückt. Wir beschäftigen uns heute fast täglich mit den Rechtsradikalen. Wenn ich mich mit Geschichte befasse, geht es mir auch darum, den Menschen, die früher gelebt haben, gerecht zu werden. Auch bin ich jemand, der als Kind sehr darunter gelitten, was zwei Generationen angerichtet haben. Ich bin 1936 geboren, ein paar Bombenangriffe mit Todesangst, die letzten Kämpfe um Berlin, die Besatzung durch die russischen Truppen, dann in Berlin die Blockade, die Teilung Deutschlands und Europas. Das hat Spuren hinterlassen. Deshalb ist es mir nicht egal, was die Verantwortlichen damals gedacht haben.

Jürgen Telschow: Ringen und den rechten Weg – Die evangelische Kirche in Frankfurt zwischen 1933 und 1945, Hessische Kirchengesch. Vereinigung, 17,50 Euro.  Die Buchvorstellung ist am 31. Januar um 18 Uhr im Dominikanerkloster am Börneplatz.

Vortrag: Ein fatales Bündnis

Über „Das Bündnis von Nationalprotestantismus und Nationalsozialismus“ spricht der Kirchengeschichtler Günter Brakelmann am Donnerstag, 21. Februar, um 18 Uhr im Spenerhaus, Dominikanergasse 5. Brakelmann, der an der Ruhr-Universität in Bochum Christliche Gesellschaftslehre lehrte, hat in seinen Forschungen herausgearbeitet, wie sehr Protestantismus und Nationalsozialismus antiaufklärerische, antiliberale und antidemokratische Haltungen teilten.

Beitrag von , veröffentlicht am 30. Januar 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Nützliche Tipps für Eltern und Kinder

Flimmo.de – Schon seit 15 Jahren unterstützt der Programmratgeber „Flimmo“ Eltern bei der Fernseherziehung. „Flimmo“ bespricht das Programm und gibt eindeutige Einschätzungen und Empfehlungen zu allen Sendungen. Und das auch zu solchen, die sich zwar an Erwachsene richten, aber bei Kindern ebenfalls beliebt sind. Ebenso hilfreich sind die Tipps zum Betrachten von Filmen für verschiedene Altersgruppen. Bewertet wird, wie Kinder in unterschiedlichem Alter mit bestimmten Fernsehinhalten umgehen und wie sie diese verarbeiten. Der „Flimmo“ betrachtet das Programm also stets aus der Kinderperspektive. Hinter dem Projekt steht der „Verein Programmberatung für Eltern e.V.“. Mitglieder sind sämtliche vierzehn Landesmedienanstalten sowie das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI).

Blinde-kuh.de – Eine Einsteigerseite, die über Internetangebote für Kinder informiert. Die empfohlenen Websites sind für Kinder geeignet, kommen also zum Beispiel ohne Werbeseiten und Pop-ups aus. Daneben gibt es zahlreiche Tipps und Tricks, wie Kinder das Internet nutzen können. Zum Beispiel wird kindgerecht erklärt, welche Maßnahmen davor schützen, die eigene Identität gestohlen zu bekommen. Auch Themen wie Urheberrecht werden behandelt. Daneben gibt es zahlreiche nette Anwendungen: Rezepte, Bastelideen, Spiele und Wissenswertes.

medienbewusst.de – Dieses Internetangebot wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als „Beste Einsteigerseite 2011“ ausgezeichnet. Auch hier finden sich Fernsehtipps, Spiele und Hintergrundinformationen. Die Seite richtet sich an Eltern wie auch an Pädagoginnen und Pädagogen.

WDRmaus.de – Die Internetseite ist so attraktiv wie die beliebte Fernsehsendung „mit der Maus“. Auch hier finden sich die nicht nur bei Kindern beliebten Lach- und Sachgeschichten, Käpt‘n Blaubär und natürlich Shaun das Schaf. Ausmalbilder, Bastelanleitungen und Rezepte machen diese Internetseite zur Fundgrube, in der man gerne stöbert. Und die elektronischen Mauspostkarten sind immer ein besonderer Gruß.

Kurt-Helmuth Eimuth, Evangelisches Frankfurt Dezember 2012

Für Medienkompetenz ist es nie zu früh

Wenn Kinder auf Medien treffen, scheiden sich die Geister: Die einen sehen in Fernsehen und Internet eine Gefahr für Kindergehirne, andere lassen die Kleinen auch mal vor den Bildschirm oder nutzen Computer-Spielprogramme. Wichtig ist: Auch Kinder brauchen heute schon Medienkompetenz.

Haben viel Spaß beim Filmen: Nico, Leandra, Felix und Justin lernen in der Matthäus-Kita der Hoffnungsgemeinde mit Pädagogin Jutta Vongries schon früh den Umgang mit Medien. Foto: Ilona Surrey

Medienskeptiker weisen vor allem auf die Gefahr hin, dass Kinder noch nicht zwischen Medienrealität und Wirklichkeit zu unterscheiden wüssten. „KiTa-medial“, eine Medienwerkstatt, die das Diakonische Werk für Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medienpädagogik und Kommunikation (MuK) in Frankfurter Kindertagesstätten durchführt, versucht daher, genau an diesem Punkt anzusetzen.

Kindern generell den Zugang zu Medien zu untersagen, sei nämlich weder sinnvoll noch überhaupt möglich, erklärt Kurt-Helmuth Eimuth, der Leiter des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten im Diakonischen Werk. „Es gibt heute so etwas wie eine Medienkindheit. Schon die Kleinsten beobachten ihre Eltern im Umgang mit Medien.“ Medien seien nicht per se gut oder schlecht: „Schon kleinen Kindern muss eine Art Medienkompetenz vermittelt werden.“

Die Medienwerkstatt will daher Kindern vom Krabbelstuben- bis zum Hortalter einen bewussten Umgang mit dem ermöglichen, was sie durch die Medien sehen und erfahren. „Am besten gelingt das in diesem Alter möglichst praxisnah.“ In dem einwöchigen Projekt gestalten die Kinder unter professioneller Anleitung selbst einen kleinen Kurzfilm.

Im Kindergarten Matthäus der Hoffnungsgemeinde zum Beispiel entstand auf diese Weise die verfilmte Geschichte eines kleinen Pferdes, das in ein Loch fällt und von einem anderen gesucht und gerettet wird. In kurzen Szenen, die anschließend zusammengeschnitten wurden, spielten und entwickelten die Kinder begeistert selbst das Geschehen und hielten es digital fest.

Ganz nebenbei erlernten sie den Umgang mit der Handkamera, einer Soundmaschine, und sie erlebten, wie durch gezielte Kameraperspektiven oder den Einsatz von Licht bestimmte Effekte erzielt werden können: Ein Spielzeugpferd, das aus großer Entfernung gefilmt wird, sieht beim Betrachten der Bilder viel kleiner aus als eines, das in direkter Nähe aufgenommen wurde.

„Solche kleinen Tricks, mit denen man beim Film arbeitet, sind bei den Kindern nachhaltig hängengeblieben“, sagt Kita-Leiterin Jutta Vongries. „Das ist der erste Schritt, damit sie eine Medieninszenierung durchschauen können und sie nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.“

Bevor das Projekt durchgeführt wurde, hatten die Erzieherinnen selbst eine zweitägige Fortbildung absolviert und einen Informationsabend für die Eltern organisiert. „Die Fortbildung war enorm wichtig“, erzählt Vongries, auch sie selbst sei zuvor eher skeptisch gewesen, was die Mediennutzung von Kindern betraf: „Gerade als Pädagogin neigt man leicht dazu, die Einflüsse von Medien auf kleine Kinder zu verteufeln.“

Die Fortbildung habe es den Erzieherinnen ermöglicht, ihren eigenen Zugang zur Thematik zu reflektieren. „Das verändert die eigene Sichtweise schon erheblich“, sagt Vongries. „Und einen Schritt, den man selbst schon gegangen ist, kann man anderen dann umso besser nahebringen.“

Etwa zwanzig Frankfurter Kitas haben bereits an der Medienwerkstatt teilgenommen, weitere sollen folgen. Den genauen Themenbereich können die Einrichtungen selbst wählen, neben dem Bereich Film ist auch ein Fokus auf Hörspiele oder Comics möglich.

Neben dem akuten Effekt für die teilnehmenden Kinder liegt Kurt-Helmuth Eimuth auch daran, dass sich durch das Projekt eine gewisse Nachhaltigkeit in der Medienerziehung in den Kindertagesstätten etabliert. „Schließlich sollen auch die späteren Jahrgänge ähnliche Erfahrungen machen können.“ Deshalb wird jeder Einrichtung im Anschluss an die Projektwoche ein Etat zur Verfügung gestellt, von dem dann die nötigen technische Geräte angeschafft werden können. Im Matthäuskindergarten wurden unter anderem zwei Kameras und ein Beamer ­gekauft. Sie kommen nach wie vor immer wieder zum Einsatz – zum Beispiel, wenn das Weihnachtstheaterstück gefilmt und dann als Film gezeigt wird.

Sarah Wagner, Evangelisches Frankfurt Dez. 2012

„Danke Gutleutkirche, du wirst mir fehlen!“

Frankfurt, Gutleutstraße, unweit des Baseler Platzes. Nebenan der Hauptbahnhof, gegenüber die alte Gutleutkaserne. Kein Wohlfühlort. Obwohl hier im Hofgut einst die guten Leute wohnten. Dieser „hoff der gouden louden” war ein Aussätzigen-Hospiz, das 1283 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Die guten Leute waren einer mittelalterlichen Tradition folgend, jedoch nicht die Menschen, die sich um die Leprösen kümmerten, sondern die Leprösen selber, da sie ihren Helfern den Weg in den Himmel ebneten.

An diesem voradventlichen Samstagnachmittag waren über 70 Personen gekommen, um sich von ihrer Gutleutkirche zu verabschieden. Sie soll in einem letzten Gottesdient „entwidmet“ werden.

1958 wurde die Kirche in die Häuserzeile eingepasst. Und doch überragt ein Kirchturm die Dächer der umliegenden Häuser. Erst auf den zweiten Blick fällt sie daher auf und der Eingangsbereich ist sicher mit heutigen Mitteln freundlicher zu getsalten.

Hochmodern ihr Raumangebot, aus heutiger Sicht. Denn der Gemeindesaal wurde gleich über den Gottesdienstraum gelegt und auch das Gemeindebüro fand in der neu gegründeten Gemeinde seinen Platz. Zudem fanden noch Wohnungen im Gebäude Platz.

So schlicht wie der Baukörper auch der Innenraum. Drei Stufen zum Altarraum, Holzkreuz, links Lesepult, rechts Kanzel, beide gleich, aus hellem Holz gestaltet. Die Altarwand bilden kleine graue Steinriegel, aus denen auch das Taufbecken gefertigt ist. Wie viele Kinder wurden hier getauft, wie viel Ehen geschlossen, wie viele Trauergottesdienste gehalten? Es müssen etwa 7000 Gottesdiensten in diesen fast sechs Jahrzehnten gewesen sein, rechnet Dekan Horst Peter Pohl in seiner Predigt vor.

Zwei Pfarrer, die hier gewirkt haben erwähnt er. Martin Jürges, der mit seiner Familie durch den Absturz eines Starfighters am Pfingstmontag 1983 ums Leben kam. Die Erinnerung und das Entsetzen ist in der Gemeinde immer noch wach, obwohl Jürges nur wenige Jahre hier Dienst tat. Nebenan, vor dem Behördenzentrum, haben sie den Platz nach Familie Jürges benannt. Und da ist Johannes Herrmann, „der Helfer aus vollstem Herzen“, wie die Frankfurter Rundschau einst titelte. Über ein Jahrzehnt hat er hier gewirkt, hat den Gemeindesaal zur Kaffeestube Gutleut umgebaut. Hier können alle Esssen – wer bezahlen kann, zahlt drei Euro. Achtzig Essen, so wird mir später mein Tischnachbar erzählen, waren es an diesem Samstagmittag. Draußen ist es kalt und hier wird frisch gekocht. Die Fürsorge für die Armen wurde der Schwerpunkt der Gemeindearbeit.

Eine Entwidmung ist ein Abschiedsgottesdienst. Die Trauer ist zu spüren, auch wenn Pfarrerin Jutta Jekel betont, dass es doch ein Neuanfang sei. Immerhin wird nebenan in der Hafenstraße 34 Stunden später ein nagelneues Gemeindezentrum in Betrieb genommen. „Aber das ist keine Kirche“, erschallt es halblaut aber doch deutlich vernehmbar als auch Dekan Pohl auf diesen Umstand hinwies. Theologisch unmissverständlich und doch einfühlsam formuliert er, der hier zum ersten und zum letzten Mal predigt: „Gott braucht keine Häuser, aber wir brauchen sie.“ Und fügt an: „Wir können doch froh sein, wenn Menschen ihre Kirche lieben!“

Zunächst werden die Dinge benanntund gesammelt, die mitgenommen werden: Der Kelch, die Bibel, das Gesangbuch und auch die Maria aus der Weihnachtskrippe. Und dann werden nacheinander Altar, Kanzel, Lesepult und Taufbecken mit weißen Tüchern verhüllt. Nein, hier sollen keine Möbel während der Sommerfrische vor dem Staub geschützt werden. Es ist unumkehrbar. Die Gutleutkirche gibt es nicht mehr. An gleicher Stelle wird die Stadt Frankfurt ein Jugendhaus bauen. Das braucht das Viertel dringend.

Es wird noch lange dauern, bis alle gelernt haben, mit ihrer Wehmut zu leben. Doch es hat sich viel verändert. Die Gemeinden Weißfrauen, Gutleut und Matthäus haben zur Hoffnungsgemeinde fusioniert. Am Westhafen ist ein neues, schickes und nicht billiges Viertel entstanden, das Europaviertel, teils zur Gemeinde gehörend wird gerade gebaut und das Westend wird wieder stärker Wohnquartier. Künftig wird der Gottesdienst immer um 11 Uhr in der Matthäuskirche sein und alle 14 Tage um 9.45 Uhr in den neuen Räumen in der Hafenstraße.

Das vorherrschende Gefühl drückte eine Kirchenvorsteherin so aus: „Danke Gutleutkirche, du wirst mir fehlen!“

Kurt-Helmuth Eimuth, Evangelisches Frankfurt Dezember 2012

Anna Tardos: „Sie sind auf einem guten Weg“

Kurt-Helmuth Eimuth beim Fachtag am 16. November 2012 in der Frankfurter Heiliggeistkirche

Anna Tardos: „Sie sind auf einem guten Weg“
Fachtag
des Diakonischen Werks: Bildungs- und Lernprozesse

Über 500 Erzieherinnen kamen zum diesjährigen Fachtag des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten des Diakonischen Werks für am Freitag, 16. November in die Heiliggeistkirche neben dem Dominikanerkloster. Sie wollten die Kinderpsychologin Anna Tardos, Budapest, hören. Tardos, Tochter der ungarisch-österreichischen Ärztin Emmi Pikler, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg ein revolutionäres Konzept für den Umgang mit Kleinkindern entwickelte, führt die Arbeit ihrer Mutter weiter und leitet das Budapester Pikler-Institut. Emmi Piklers Ansatz ist mittlerweile international anerkannt.

 

Das Diakonische Werk „hat sich diese grundsätzlichen Überlegungen schon sehr früh zu eigen gemacht“, sagte der Leiter des Bereiches Kindertagesstätten, Kurt-Helmuth Eimuth. Besonders mit der Eröffnung der ersten evangelischen Krabbelstube vor rund zehn Jahren seien sie „in den Fokus der Pädagogik gerückt.“ Die diakonischen U3-Einrichtungen orientieren sich inzwischen prinzipiell an Pikler: Achtsamkeit, Respekt, Vertrauen. Werte, die einen Bogen schlagen zu Religion, erläuterte Eimuth. „Für das kleine Kind sind die Eltern Gott. Sie können alles, sie machen alles.“ Grundlage für Urvertrauen. „Emmi Pikler hat uns einen Weg gezeigt, wie wir Kindern dieses Vertrauen mitgeben können. Ob beim Wickeln, Essen oder Schlafengehen, unsere Haltung zum Kind ist nicht nur pädagogisch begründet, sondern praktizierte Religionspädagogik.“ Aufwachsen ohne Religion? Kaum vorstellbar.

 

Diese „besondere Haltung“ ist es auch, die Eltern, gleich welchen weltanschaulichen Hintergrunds, von der evangelischen Kirche erwarten, so die Erfahrung der Leiterin der Krabbelstube Benjamin, Andrea Gottschalk. Ein Kamerateam und die Filmemacherin Heide Breitel haben die Einrichtung in Sachsenhausen besucht. Die Dokumentation „Schlüssel zum Leben“, die beim Fachtag vorgeführt wurde, vermittelt einen Eindruck vom Alltag und der Arbeitsweise in den Krabbelstuben. „Kommunikation ist das A und O. Wir reden unglaublich viel. Alles wird sprachlich begleitet“, erklärte Gottschalk. Freie Bewegung und freies Spielen, vorbereitete Umgebung, sehr sensibles Umgehen, Reinfühlen, Reindenken: alles wichtige Stichworte aus dem Pikler-Repertoire. „Die Bedürfnisse der Kinder werden ganz groß geschrieben.“

 

Anna Tardos war angetan von diesem Praxisbeispiel. „Meine Mutter hatte eine Vision. Das verwirklichen Sie hier in Frankfurt. Sie sind auf dem Weg.“ Emmi Piklers Schriften waren „kämpferisch“ und seien in ihrer Zeit, vor dem Zweiten Weltkrieg, als „provozierend“ empfunden worden. „Aber auch heute, 80 Jahre später, ist es noch Pionierarbeit.“ Die Gesellschaft, die Eltern forderten messbare, sichtbare Ergebnisse, sagt Tardos und stellt dagegen den programmatischen Buchtitel „Lass mir Zeit“. Man stellt das Kind nicht auf, wenn es von allein noch nicht sicher stehen kann. Man setzt es nicht hin, wenn es nicht sitzen kann. Man „bringt“ ihm das Laufen nicht „bei“. Das Kind wächst auf ohne Angst, in Frieden und Harmonie mit sich selbst und der Umwelt. Es ist die Vision von einem „neuen Typ Kind“. Das geht nur mit der entsprechenden Haltung, man möchte sagen Reife, von Eltern und Pädagogen: echtes menschliches Zusammensein, Wärme, Freude, zärtlicher Umgang und ehrliches Interesse anderen gegenüber. „In jedem Kind ist eine neue Persönlichkeit versteckt.“

 

Dann räumt Anna Tardos noch auf mit „einem der Missverständnisse, wenn man nach Pikler arbeitet“, nämlich: Kinder lernen nur aus sich selbst. Dritter Eckpfeiler neben „Begleiten“ und „Sicherheit geben“ sei die die „führende Verantwortung“. Es sei eine „Kunst“, Selbstständigkeit zu ermöglichen, die Entwicklungsstufe richtig einzuschätzen, nicht zu wenig und nicht zu viel zu erwarten. „Führende Verantwortung“ auch im sozialen Erlebnis, in der Begegnung. Das bedeutet, Grenzen setzen, in Konfliktsituationen nicht überzeugen wollen, nicht zu viel erklären, bestimmt Nein sagen, aber freundlich, nicht abwertend, liebevoll.

 

Anna Tardos fühlte sich wohl beim Diakonischen Werk in Frankfurt, in einer von Wertschätzung und Rücksichtnahme geprägten Atmosphäre. „Es ist so nett bei Ihnen“, sagte sie und prägte gleich ein neues Wort: „so piklerisch.“

Barbara Kernbach in Kita-aktuell Nov. 2012/Foto Oeser