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Kirchliches Fundraising erreicht nur die ältere Generation

90 Prozent der Menschen, die für kirchliche Anliegen und Einrichtungen Geld spenden, sind älter als 60 Jahre, sagt Spendenexperte Kai Fischer. Und rät, sich schnellstens neue Strategien zu überlegen. Spendenexperte kai Fischer von der Mission-Based Consulting Hamburg mahnte neue Kommunikationswege an. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Spendenexperte Kai Fischer von der Mission-Based Consulting Hamburg mahnte neue Kommunikationswege an. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Die Zahl der Spenderinnen und Spender nimmt seit gut einem Jahrzehnt kontinuierlich ab, auch wenn das Spendenaufkommen leicht steigt. Pro Kopf wird im Schnitt eben mehr gespendet. Hinzu kommt, dass 90 Prozent der Spendenden über 60 Jahre alt sind. Für den Spendenexperten Kai Fischer, Hamburg, ist dies kein Wunder. Trotz der Professionalisierung des Fundraising in den letzten 20 Jahren werbe man hauptsächlich mit Briefen Spenden ein. Die Lebenswelt der mittleren Generation sei andere. Fischer forderte vor dem Fundraising-Forum in Frankfurt: „Wir brauchen andere Formen der Kommunikation“.

Fischer war einer der Referenten beim 14. Fundraising-Forum, veranstaltet von der Hessen-Diakonie und den beiden hessischen Landeskirchen. Über 150 Interessierte aus Kirche und Diakonie waren in die Räume der Frnakfurter DZ-Bank gekommen, um sich über Formen und Motive des Spendens zu informieren.

Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Spenden glücklich macht. Auch spenden glückliche Menschen häufiger. Allerdings wollen die Menschen angesprochen werden. Nach Aussage von Greenpeace kommen 90 Prozent der Spenden aufgrund einer Bitte. Eines der Motive ist die Solidarität. „Solidarität ist eine starke soziale Norm“, so Fischer. Das Motiv der Solidarität findet sich in allen Weltreligionen, im christlichen Kulturkreis wird es „Nächstenliebe“ oder „Barmherzigkeit“ genannt.

Besondere Ereignisse wie Naturkatastrophen emotionalisieren. So sei es kein Wunder, dass nach Naturkatastrophen mit Fernsehbildern die Spendenaufkommen besonders hoch seien. Allerdings werde mehr gespendet, wenn das Geschehen dem eigenen Kulturkreis näher sei. So habe man in Amerika nach dem Wirbelsturm Katrina deutlich mehr gespendet als etwa zum Kampf gegen Malaria.

Nicht immer steht das konkret zu unterstützende Projekt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Spenders. Oftmals wolle man einfach eine Organisation unterstützen, „die die Welt besser machen will“. Man wolle mit dem Griff in die Geldbörse „die Mission der Organisation“ unterstützen.

Im kirchlichen Bereich machte Fischer auch als Motiv den Tausch von irdischen gegen himmlische Güter aus. Allerdings stieß seine Analyse zumindest bei der Konkretion, man wolle sich damit einen Platz im Paradies sichern, auf evangelischen Widerspruch. Schließlich hatte Luther solches Ansinnen schon vor 500 Jahren angeprangert.

Der Vorgang des Spendens könne auch ein soziales Ereignis sein. Fischer nannte als Beispiel die Ice Bucket Challenge. Vor zwei Jahren schüttete sich plötzlich alle Welt einen Eimer Eiswasser über den Kopf und fimte dieses ereignis. Für die Eingeladenen war es eine Ehre mitzumachen und zu spenden.

Eine besondere Form ist die Anlass-Spende. Ein Jubilar fordert dazu auf, anstelle von Geschenken einen guten Zweck zu unterstützen. Hier besteht keine Beziehung zwischen der Organisation und den Spendenden.

Schließlich geht es beim Spenden um öffentliche Reputation. Bei Unternehmen ebenso wie bei Privatleuten. Fischer: „Stiftungen sind eine Möglichkeit seinen Reichtum zu zeigen.“

Der Spendenexterte mahnte eindringlich: Bei jungen Menschen muss man mit Aktionen Geld sammeln. „So wie wir Fundraising betreiben, erreichen wir die Generation 70 plus“.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 31. Mai 2016 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe Web.

Anders und anderes lernen

 

60 Jahre kreiseigenes Zeltlager in Glücksburg

 

Das Zeltlager des Kreises Marburg-Biedenkopf wurde vor 60 Jahren eröffnet. Aus diesem Anlass besuchte die Spitze des Kreises das inzwischen deutlich besser ausgestattete Ferienlager an der Ostsee.

„Eine ganze Schülergeneration ist hier durchgegangen“, stellte Landrat Robert Fischbach angesichts der beeindruckenden Zahlen fest. Seit seinem Bestehen kamen 37.000 Kinder und Jugendliche zur Erholung an die Ostsee in das kreiseigene Lager. Hinzu kämen noch die Schulklassen mit weit über 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sodass man getrost von 50.000 Besucherinnen und Besuchern sprechen könne. Der Landrat weiß, wovon er redet: „Schon als ich Schüler war, hatte das Zeltlager einen guten Namen,“ erinnerte er sich in einer Feierstunde am 9. August an der neben der Kreisspitze einige ehemalige Leiterinnen und Leiter sowie Jugendliche aus der aktuellen Belegung teilnahmen. Und so konnte der Landrat nicht ohne Stolz bilanzieren: „Das Zeltlager hat einen guten Namen.“

 

Dem konnte die Bürgermeisterin von Glücksburg, Dagmar Jonas, nur zustimmen. Schließlich sei es ein Schatz, dass Jugendliche hier Gemeinschaft erleben könnten. Und werbend fügte sie hinzu: „Ich freue mich, wenn die, die als Jugendliche hier waren, dann später einmal bei uns Urlaub machen.“

 

Der Vorsitzende des Kreitages, Detlef Ruffert verantwortete einst das Zeltlager Foto: Eimuth

Detlef Ruffert, Kreistagsvorsitzende, hat eine ganz eigene Beziehung zum Lager. Schließlich war er als Kreisjugendpfleger 14 Jahre lang (1967 bis 1980) verantwortlich für die Organisation und die pädagogische Arbeit. Eine, wie sich Ruffert erinnert, auch in der Pädagogik bewegte Zeit. So habe sich der Leitungsstil in dieser Zeit von einem autoritären zu einem demokratischen gewandelt. „Dies war eine echte Herausforderung. Ein Arbeitskreis hat so ein Lager das ganz Jahr über vorbereitet.“

 

Damals wie heute galt, dass so eine Arbeit ohne das ehrenamtliche Engagement nicht möglich wäre. Landrat Fischbach hob dies in seiner Ansprache mit Blick auf die aktuelle Belegung nochmals hervor. Der Erste Beigeordnete und Jugenddezernent Karsten McGovern betonte den Bildungsaspekt eines solchen Aufenthaltes. Hier könnten die Jugendlichen anders und anderes als in der Schule lernen.

 

Das Zeltlager verfügt heute neben den Zelten auch über einfache Holzhütten. Das Gemeinschaftszelt war erst kürlich durch einen Bau ersetzt worden. Das Zeltlager verfügt über einen eigenen Strand an der Ostsee.

 

Kurt-Helmuth Eimuth

Inmitten der Jugendlichen, ehemalige Taemer und Teamerinnen und die Spitze des Kreises. Foto: Eimuth

Die Spitze der Kreises Marburg-Biedenkopf Foto: Eimuth

Tragödie statt Familienausflug

Hinterländer Anzeiger 25.5.2013

Neuerscheinung Kein Kinderkram

Der 22. Mai soll Friedenstag werden

Gedenken an die vor 30 Jahren von einem Starfighter getötete Pfarrersfamilie Jürges.

Der Todestag der vor 30 Jahren durch den Absturz eines Starfighters getöteten Frankfurter Pfarrersfamilie Jürges soll ein „Friedentag“ werden. Dies schlug gestern Pfarrer Karsten Petersen während einer Andacht am Grab der Familie auf dem Oberräder Waldfriedhof vor: „Wäre es nicht an der Zeit, den 22. Mai in Frankfurt in Zukunft zu einem Friedenstag zu machen, einen Tag, an dem die evangelische Kirche, vielleicht gemeinsam auch mit der katholischen Kirche und mit anderen Religionsgemeinschaften regelmäßig das Thema „Wie kann es Frieden geben in unserer Welt?“ mit klugen und informativen Veranstaltungen gestaltet?

Auf dem Oberräder Waldfriedhof trafen sich Freunde und Angehörige zum Gedenken Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Auf dem Oberräder Waldfriedhof trafen sich Freunde und Angehörige zum Gedenken
Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Am Pfingstsonntag, dem 22. Mai 1983, war während einer Flugschau auf dem damaligen militärischen Teil des Rhein-Main-Flughafens ein kanadischer Kampfjet abgestützt und hatte den Wagen der Pfarrersfamilie getroffen. Martin Jürges (40), seine Frau Irmtraud (38), seine Mutter Erna (77) und seine beiden Kinder Katharina (1) und Jan (11) starben sofort am Unglücksort nahe der heutigen Commerzbank-Arena. Die 19-jährige Nichte Gesine Wagner erlag knapp drei Monate später ihren schweren Verbrennungen. Karsten Petersen, damals Pfarrer in der benachbarten Weißfrauengemeinde, knüpfte an die Pressemitteilung des Kirchenpräsidenten Volker Jung an. Sie war mit „Ihr Vermächtnis ist der Frieden“ überschrieben. „Das sollte sichtbare Konsequenzen haben“, so Petersen. Schließlich sei die Infrastruktur mit Akademie und Friedenspfarramt vorhanden.

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Am Gedenkstein auf dem Familie-Jürges-Platz war ein Kranz niedergelegt worden. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Im Gutleutviertel gedachten gestern Abend gut 40 Personen am Familie-Jürges-Platz vor dem Behördenzentrum der Familie und auch im Kaffee Nußknacker wurden Texte der Verstorbenen verlesen.

Kurt-Helmuth Eimuth, Evangelisches Frankfurt via Internet am 23. Mai 2013

 

„Bei Gott gibt es keine zweite Reihe”

Menschen mit Behinderung und die Kirche: Fachtagung zum Thema Inklusion in der Bildungsarbeit.

Wie schwierig sich die Kirche mit Inklusion tut, zeigte die Interpretation einer biblischen Wundergeschichte bei der zweiten gesamtkirchlichen Bildungskonferenz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im Bockenheimer Zentrum Verkündigung am heutigen Montag, 13. Mai. Die Heilung des blinden Bartimäus wurde als Beispiel einer biblischen Inklusionsgeschichte angeführt. Dem Widersprach das Auditorium. Denn in dieser Überlieferung geht es um Heilung. Inklusion will aber die Menschen so annehmen wie sie sind, gleich ob behindert oder nicht-behindert. Allen Menschen soll der Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen ermöglicht werden. So fordern es die Vereinten Nationen.Die für Bildung zuständige Dezernentin Christine Noschka hatte denn auch zu Beginn der Konferenz festgestellt: „Es gibt nicht mal eine Verständigung darüber, was wir unter Inklusion verstehen.”

Organisierte die zweite gesamtkirchliche Bildungskonferenz: Eberhard Pausch Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Mehr als hundert Fachleute aus der kirchlichen Bildungsarbeit thematisierten in Anwesenheit von Kirchenpräsident Volker Jung ihr Inklusionsverständnis. Dabei wies Pfarrer Achim Dietermann, Darmstadt, verantwortlich für die religionspädagogische Fortbildung in den Kindertagesstätten, darauf hin, dass Inklusion nicht nur mit dem Blick auf behinderte Kinder zu sehen ist. Inklusion bedeute Offenheit für alle Kinder, gleich welcher Religion. „Bei Gott gibt es keine zweite Reihe, nur erste Plätze”. Dietermann plädierte für eine „inklusive Religionspädagogik”, für einen Rahmen wie Religion wertschätzend zu vermitteln sei, ohne gleich missionierend zu sein. Dafür benötige man eine „neue Haltung mit einem Blick auf die eigene Befangenheit.” Für die Erwachsenenbildung forderte Martin Erhardt, Darmstadt, einen neuen Blick auf die Alten. Das Alter sei keine „Restlebenszeit”, es biete vielmehr einen neuen Gestaltungszeitraum.

Ein Thesenpapier zum „Inklusionsverständnis des christlichen Glaubens und den Folgerungen für den Bereich Bildung” soll in den kommenden Wochen weiter bearbeitet werden, um es dann der Kirchenleitung zur Beschlussfassung vorzulegen. Für Noschka steht aber jetzt schon fest: „Inklusion braucht nicht nur Kompetenz, sondern auch finanzielle Mittel.“

Beitrag von , veröffentlicht am 13. Mai 2013 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Von – 6. Mai 2013

„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Platz eins für die Kirchenmusik

Institut für Medienpädagogik und Kommunikation

Der neue Vorstand des Landesfilmdienst Hessen e.V. – Institut für Medienpädagogik und Kommunikation ist gewählt. Detlef Ruffert (ganz links) und Peter Holnick (ganz rechts) freuen sich über die Wahl von Oliver Bein, Doris Reitz-Bogdoll (zur 2. Vorsitzenden), Helmuth Poppe, Staatssekretär a.D. Paul Leo Giani (zum 1. Vorsitzenden) und Kurt-Helmuth Eimuth.

Empörung allein bringt nichts

Empörung allein bringt nichts

Hoch sensibel reagiert die Gesellschaft auf vermeintliche oder tatsächliche Fehltritte führender Persönlichkeiten. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kirche. Aber Empörung allein bringt nichts.

Kein Zweifel, ein Flug erster Klasse, um Slums in Indien zu besuchen, lässt sich kaum rechtfertigen. Und eine Studie zur Größe der kirchlichen Dienstwagen und ihrem CO2-Ausstoß hat ergeben: Die Limousinen der Oberklasse verbrauchen zu viel.

Keine Frage – Führungspersönlichkeiten müssen sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Nur: Kleinliche Neiddebatten helfen nicht weiter. Es ist doch völlig einleuchtend, dass Minister und Aufsichtsratsvorsitzende in bequemen Autos durchs Land gefahren werden. Schließlich ist der Wagen für sie ihr zweites Büro, und zudem bieten die Autohersteller deftige Nachlässe an, weshalb auch manch kirchliche Führungspersönlichkeit nicht im Golf vorfährt.

Apropos Golf. Kann man es Peer Steinbrück wirklich übel nehmen, dass auch er Wagen mit großem Hubraum bevorzugt? Würden wir das nicht alle tun, wenn wir als Spitzenpolitiker unterwegs wären? Sein Fehler war lediglich, dass er es gesagt hat. Sicher ist es auch richtig, dass es irgendwie eine Unwucht darstellt, wenn ein Sparkassendirektor besser bezahlt wird als die Kanzlerin. Man sollte solche Sparkassen- und Bankgehälter gerade in Zeiten der Finanzkrise überdenken. Schließlich können immer mehr Menschen von ihrem Lohn kaum leben, während die Spitzengehälter in ungeahnte Höhen schießen.

Würden wir nicht auch das Geld nehmen?

Doch zurück zum Kanzlerkandidaten. Seine Äußerung wurde so verstanden, als fordere er für sich im Kanzleramt mehr Geld. Einem, der seine Vorträge so teuer wie möglich verkauft, traut man das zu. Aber seien wir ehrlich: Würden wir nicht auch das Geld nehmen?

Mediale Empörung über das Fehlverhalten Einzelner verschleiert eher Missstände, als dass es sie aufdeckt. Warum muss ein Unternehmen der Stadtwerke Bochum überhaupt solch teure Marketingmaßnahmen machen? Warum wird die Automobilindustrie nicht dazu verpflichtet, Autos mit niedrigem Verbrauch zu bauen? Warum gibt es ein Steuerprivileg für Dienstwagen? Und schließlich: Wie kann man eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums erreichen?

Schwierige Fragen mit komplexen Antworten. Das ist schlecht auf eine Schlagzeile zu bringen und anstrengend zu verstehen. Empörung geht halt einfacher.

Beitrag von , veröffentlicht am 13. Februar 2013 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .