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„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Von – 6. Mai 2013

„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .