Tag Archiv für Stoltze

Kirchen in Konkurrenz

Evangelisches Frankfurt November 2007

In Zeiten zurückgehender Mitgliederzahlen und nachlassender Milieubindung setzen die Konfessionen auf Abgrenzung, um das eigene Profil zu schärfen.

Als Ökumene wird gemeinhin das Miteinander der katholischen und evangelischen Kirche bezeichnet. Nach römischem Verständnis ist dieser Satz schon falsch, denn die katholische Kirche ist nach eigener Auffassung die einzig wahre Kirche. Die Orthodoxen werden als Schwesterkirchen verstanden, alle anderen, ob lutherisch, reformiert, anglikanisch oder baptistisch, sind – so der feine Unterschied – lediglich „kirchliche Gemeinschaften“.

Solchen theologischen Spitzfindigkeiten zum Trotz geht auf der praktischen Ebene dennoch vieles gemeinsam: In Frankfurt zum Beispiel erscheint seit 1970 das „Ökumenische Kirchliche Jahrbuch“, in dem alle Anschriften kirchlicher Dienststellen gesammelt sind. Oder es gibt das ökumenische Reformationsgedenken: Ausgerechnet an dem Tag, der wie kein anderer für die Trennung der Kirchen steht, setzen Evangelische und Katholische sich gemeinsam mit einem aktuellen Thema auseinander. Diese Traditionen stammen jedoch aus einer Zeit des ökumenischen Aufbruchs. Ob so etwas heute noch einmal gestartet werden könnte, erscheint fraglich. Denn auch am Main weht zwischen den Konfessionen heute ein rauerer Wind. Der ökumenische Beratungsdienst an der Hauptwache wurde geschlossen – beiden Partnern war wohl der Einspareffekt wichtiger als die Symbolkraft einer gemeinsamen Einrichtung. Der katholische Kirchenladen an der Liebfrauenkirche hätte als ökumenischer Kirchenladen ein Gewinn für die Mitglieder beider Kirchen sein können. Doch das wurde vom katholischen Bischof strikt abgelehnt. Andererseits verkaufte der Kirchenladen auch Eintrittskarten zum evangelischen Kirchentag.

Bei der wichtigsten Frage, die beide Kirchen derzeit umtreibt, der Nutzung von Kirchen und Gemeindehäusern, gibt es ebenfalls kein Gespräch. Besonders absurd ist das im Neubaugebiet am Riedberg: Eine gemeinsame Kirche für beide Konfessionen und daneben je ein eigenes Gemeindezentrum hätte doch für Organisationen, die unter einer angespannten Finanzlage leiden, nahe gelegen.

Immerhin ist in vielen Stadtteilen der so genannte Kanzeltausch selbstverständlich. Dies bedeutet, dass die Geistlichen im Gottesdienst der jeweils anderen Konfession predigen. In der kirchlichen Praxis vor Ort werden dogmatische Unterschiede nämlich weit weniger beachtet als an der Spitze. Theologische Probleme hält man hier eher für „Probleme der Theologen“.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Wir kommen in den Himmel!“

Im Privaten hat die evangelisch-katholische Zusammenarbeit schon immer weit besser funktioniert als auf kirchenoffizieller Ebene. Mit ironischem Augenzwinkern schilderte etwa der Frankfurter Dichter Friedrich Stoltze seine „Mischehe“ mit der Katholikin Mary Messenzehl. Als die beiden im Jahr 1849 in der Katharinenkirche heirateten, war Mary bereits zum dritten Mal schwanger. Stoltzes Gedicht „Mischehe“ erschien am 26. August 1882 in der „Frankfurter Latern“:

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Wir armes altes Ehepaar!
Ach wehe! Wehe! Wehe!
Wir leben schon so manches Jahr
In einer wilden Ehe!

Den lutherischen Dickkopf, ach,
Anstatt ihn zu verfehmen,
Warst du, o Frau, dereinst so schwach,
Zu lieben und zu nehmen!

Und weil du Katholikin bist
Und ich hab’ dir gefallen,
So hat dich nun der Antichrist,
Der Teufel in den Krallen.

Ein Pfarrer hat uns zwar getraut,
Doch luth’risch-diabolisch,
Und Gott war nicht davon erbaut,
Denn Gott ist streng katholisch.

Und was mich ganz besonders beugt,
Denn es verdiente Hiebe:
Die Kinder all, die wir erzeugt,
Sind Kinder, ach, der Liebe!

Verschlossen ist die Kirche dir,
Zu meiner ist’s noch weiter;
Wenn Andre beten, müssen wir
Spazieren gehen leider.

Du darfst zu keiner Ohrenbeicht
Und mußt sie ewig missen; –
Du machst dir selbst die Seele leicht:
Du hast ein gut Gewissen!

Und stieß man dich auch grausam aus
Wie Sündenrost und Schimmel, –
Wir machen uns den Teufel draus
Und kommen in den Himmel.