Tag Archiv für Organspende

Organspende: Man kann aus guten ethischen Gründen dafür sein – aber auch dagegen

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Februar 2019

Gibt es eine moralische Verpflichtung, in die Verwendung der eigenen Organe nach dem Tod einzuwilligen, um anderen zu helfen? Nein, meint Kurt-Helmuth Eimuth. Obwohl er selbst einen Organspendeausweis hat. Über eventuelle Fragen zum Thema informiert eine Expertin in einem Seminar, das die evangelische Kirche Frankfurt in verschiedenen Stadtteilen anbietet.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Meinen Organspende-Ausweis trage ich schon seit Jahrzehnten im Portemonnaie bei mir. Wenn schon der Tod anklopft, sollen doch wenigstens andere profitieren, das ist doch auch Christenpflicht. Meine Frau als Theologin sieht es anders. Nach langer Beschäftigung mit dem Thema hat sie für sich entschieden, keine Organspende zu leisten.

Unsere beiden Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch sind beide ethisch begründbar. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Arbeitskreis Medizinethik in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: „Christen können grundsätzlich einer Organspende zustimmen oder diese ablehnen“, schreibt er in einer Stellungnahme, „eine christliche Verpflichtung zur Organspende besteht nicht“.

Wenn Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm nicht mehr arbeiten, gilt der Mensch laut Transplantationsgesetz als gestorben, auch wenn der Körper mit Hilfe von Apparaten noch funktioniert: Das Herz schlägt, die Organe werden versorgt. Von außen sieht es aus, als ob man schläft. Ob man einen Menschen in diesem Fall als lebend ohne Hirnfunktion betrachtet oder als tot, ist Ansichtssache. Auch der Deutsche Ethikrat hat darüber kontrovers abgestimmt: 7 von 25 Mitgliedern sprachen sich dagegen aus, den Hirntod als sicheres Zeichen für den Tod des Menschen zu verstehen.

Unstrittig ist, dass Sterben ein Prozess ist, der erst dann ganz beendet ist, wenn sowohl Hirn als auch Organe nicht mehr arbeiten. Eine Widerspruchslösung, wie sie die Regierung derzeit plant, ist deshalb fragwürdig. Denn dann könnten Organe von allen entnommen werden, bei denen der Hirntod festgestellt wurde, außer sie hätten ausdrücklich widersprochen. Pragmatisch ist das zwar nachvollziehbar, ethisch aber bedenklich.

Denn es kommt eben auf das Menschenbild an. Beim Sterben gibt es nicht die eine Wahrheit. Sowohl die Bereitschaft, Organe zu spenden, als auch die Ablehnung von Organspenden müssen als ethisch vertretbar anerkannt werden. Wir werden das in der Familie jedenfalls so halten und die jeweilige Position im Fall des Falles respektieren.

Noch Fragen?

Wird man schneller für tot erklärt, wenn man einen Organspendeausweis hat? Kann man sich wünschen, dass bestimmte Personen die Organe bekommen, zum Beispiel die eigenen Kinder? Solche und andere Fragen rund um das Thema Organspende werden in einem Intensivseminar geklärt, das die evangelische Kirche in Frankfurt in den kommenden Monaten in verschiedenen Stadtteilen anbietet.

Organspende: „Gott braucht alte Organe nicht”

von Kurt-Helmuth Eimuth 24. Mai 2012

Laut Umfragen sind 74 Prozent der Deutschen zur Organspende bereit. Aber nur 25 Prozent haben einen Organspendeausweis. Die Lücke zwischen Denken und Handeln soll nun durch die regelmäßige Post von der Krankenkasse geschlossen werden.

Nierentransplantationen ersparen den Betroffenen mehrere langwierige Dialysesitzungen pro Woche. Foto: horizong 21/Fotolia
Nierentransplantationen ersparen den Betroffenen mehrere langwierige Dialysesitzungen pro Woche. Foto: horizong 21/Fotolia

In Deutschland warten derzeit 12000 Menschen auf ein Spenderorgan. Dies ist oftmals ein Wettlauf mit dem Tod. Ein neues Gesetz soll nun Abhilfe schaffen. Alle Bundestagsfraktionen einigten sich auf die so genannte „Entscheidungslösung“. Danach werden alle Bundesbürgerinnen und -bürger über 16 Jahren aufgefordert, ihre Spendenbereitschaft zu erklären.

Regelmäßige Briefe – schon ab diesem Jahr – informieren dann über die Organspende und fordern zur Abgabe der Erklärung auf. Dokumentiert wird das auf den mitgeschickten Organspendeausweisen, später wohl auch auf der Gesundheitskarte.

Wer einen Organspendeausweis ausfüllt, kann das Einverständnis zur Organ- und Gewebespende entweder generell erteilen, auf bestimmte Organe oder Gewebe einschränken oder einer Organ- und Gewebespende widersprechen. Es kann in der Zeile „Anmerkungen?/?Besondere Hinweise“ auch eine bestimmte Person benannt werden, die im Todesfall benachrichtigt werden soll. Wichtig: Der Organspendeausweis wird an keiner offiziellen Stelle registriert oder hinterlegt.

Dabei muss niemand fürchten, sich endgültig festzulegen. Wer die Einstellung zur Organ- und Gewebespende ändert, muss lediglich die alte Erklärung vernichten. Auf einem neuen Ausweis kann dann die geänderte Einstellung festgehalten werden. Der Organspendeausweis sollte immer mitgeführt werden, am besten zusammen mit den Ausweispapieren. Allerdings ändert sich eines nicht: Wer sich zu Lebzeiten nicht erklärt, überlässt im Ernstfall die Entscheidung den Trauernden. Das ist für die Angehörigen oft eine extreme Belastung.

Theologisch gibt es gegen die Organspende keine Vorbehalte. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, ruft die Christinnen und Christen sogar dazu auf, sich einen Organspendeausweis zuzulegen. „Ich glaube, dass Gott meine alten Organe nicht braucht, wenn er mir nach dem Tod ein neues Leben schenkt“, sagte der 62-Jährige gegenüber evangelisch.de. „Ich kann nur sehr ermutigen, sich die Frage, ob Sie spenden würden oder nicht, ernsthaft zu stellen und zu beantworten.“

Organspende – sind Sie dafür?

Sabine Mousset (38), Ärztin

Ich bin für die Organspende und habe auch selbst einen Organspendeausweis, weil ich sehe, wie Menschen unter chronischen Erkrankungen leiden. Ein gespendetes Organ kann die Lebensqualität sehr verbessern. Eine Niere zum Beispiel bedeutet, dass man nicht mehr dreimal in der Woche drei bis vier Stunden zur Dialyse muss. Als Naturwissenschaftlerin bin ich auch vom Hirntod überzeugt, der ja eingetreten sein muss, damit Organe entnommen werden können. Hirntot ist man, wenn man keine Hirnströme mehr messen kann. Das ist unumkehrbar, der Mensch existiert als Persönlichkeit nicht mehr, aber seine Organe können noch sinnvoll gespendet werden. Da der Bedarf an Organen immer höher ist als die, die zur Verfügung stehen, finde ich den Vorstoß der Bundesregierung, die Menschen jetzt direkt anzuschreiben, sehr positiv.

Thomas Leistner (49), Theologe und Lehrer

Im Prinzip schon. Der Hirntod ist aber durchaus auch problematisch. Studien belegen, dass das emotionale Empfinden nach dem Hirntod noch nicht ausgeschaltet ist. Manche Ärzte geben Betäubungsmittel vor der Organentnahme, weil der Körper sich verkrampft. Das macht mich schon sehr nachdenklich. Andererseits weiß ich auch, dass viele Menschen auf ein Spenderorgan warten. Ich habe mit meiner Frau gesprochen, die das letztlich in der Situation entscheiden soll – ich kann nicht alles voraussehen. Organspende ist ein Akt der Nächstenliebe, aber ich finde auch, dass niemand unter Druck gesetzt werden sollte. Man selbst und die nächsten Angehörigen müssen genau wissen, worauf sie sich einlassen. Ethisch ist ja auch die Frage interessant, ob man ein Organ zwar annehmen würde, aber nicht bereit ist, selber eins zu spenden?

Shlomo Raskin (40), Kantor und Seelsorger

Alles, was Menschen retten kann, durch direkte Hilfe oder mit Hilfe der Forschung, ist natürlich positiv. Das größte Gebot in der Tora ist, Leben zu retten. Wir haben nur dieses Leben hier, kein Leben in der Ewigkeit. Und der Körper ist ein Pfand, der uns vom Ewigen geschenkt wurde. So wie eine Mutter einem Kind das Leben schenkt, es gehört ihr aber deshalb nicht. Wenn also einer ein Organ spenden will und der andere das annehmen möchte, finde ich das super. Im Einzelfall sollte man sich aber immer mit dem Rabbi und dem Arzt beraten, denn es muss ja alles zusammenpassen und stimmen. Was natürlich nicht geht, ist, ein Geschäft mit Organen zu betreiben, wie es ja leider manchmal geschieht. Ich selbst spende einmal im Jahr Blut. Das ist ein sehr gutes Gefühl. Vielleicht lege ich mir dann auch einen Organspendeausweis zu.

Gabriella Reff (52), Redaktionsassistentin

Allgemein kann ich das nicht sagen, das muss jeder selbst entscheiden. Ich persönlich habe mich gegen einen Organspendeausweis entschieden. Wenn Organe nach dem so genannten Hirntod entnommen werden, wird der Sterbeprozess unterbrochen. Man hat die Definition des Hirntodes ja eingeführt, um überhaupt Organe transplantieren zu dürfen. Ich denke zwar auch, dass jemand nach unserem heutigen Wissensstand dann wirklich tot ist, auch wenn er sich vielleicht noch bewegt. Aber vielleicht finden spätere Generationen etwas anderes heraus. Wir wissen es nicht. Jedenfalls wird der Sterbeprozess unterbrochen, und das gefällt mir nicht. Neulich habe ich eine Mutter kennengelernt, die es bereut hat, dass sie die Organe ihres Kindes zur Spende freigegeben hat. Jetzt noch, Jahre später. Wir wissen einfach nicht, wie das wirkt.