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Ist der Wille unfrei?

Von – 17. März 2013

Symposium zum Thema Hirnforschung

Das Audimax der Universität war voll besetzt: Auf großes Interesse stieß das Symposium „Eine Welt ohne Seele und freien Willen?“ der EKHN-Stiftung. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Selbst der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung war es ein „Plus“ für den Vorsitzenden des Kuratoriums der EKHN-Stiftung, Peter Steinacker, wert. Schließlich versammelte die Stiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mehr als 1400 Menschen beim Symposium „Eine Welt ohne Seele und freien Willen?“ im Audimax des Unicampus Westend der Goethe-Universität. Mit einem dicht gedrängten Vortragsprogramm war es gelungen, so viele Interessierte zu mobilisieren. Da musste schon ein Nerv getroffen sein.

Und in der Tat provozierte der Münchner Hirnforscher Wolf Singer das Publikum mit seiner Feststellung, dass die Ergebnisse der Hirnforschung als narzisstische Kränkung erlebt würden, denn alles Wissen residiere in der funktionellen Architektur des Gehirns. „Alle, auch die höchsten mentalen Funktionen, beruhen auf neuronalen Prozessen“, so Singer. Da­raus folge, dass das menschliche Verhalten weitgehend festgelegt sei. Im Augenblick der Entscheidung gebe es keine andere Möglichkeit mehr, sich zu entscheiden. Selbst die bewusste Entscheidung konstituiere sich auf der Basis neuronaler Prozesse.

Der Frankfurter Philosophieprofessor Thomas Metzinger gab Singer Recht. Seine radikale These lautete: „Es gibt kein Selbst“. Es gebe nur ein „inneres Bild der Person als Ganzer, inklusive ihrer psychologischen Eigenschaften“.

Ist also alles, was in den 1970er Jahren an den Universitäten gelehrt wurde, nur Schall und Rauch? Wird der Mensch nicht vom sozialen Umfeld und einer emanzipatorischen Erziehung geprägt? Hat an Aggression, Drogenkonsum und Kriminalität nicht mehr die Gesellschaft ihren Anteil, sondern ist das alles biologisch bereits festgelegt?

Immerhin, schränkte Singer ein, habe das Gehirn durchaus die Möglichkeit, neue Ideen zu kreieren. Und trotz der für Singer bewiesenen Abhängigkeit des Menschen von der Evolution bleibt für ihn die Frage nach Gott offen: „Evolution und Offenbarung sind nicht kompatibel“, ist Singer überzeugt. Man könne nicht sagen, warum die Evolution geschah.

Es oblag dann Eilert Herms, emeritierter Theologieprofessor aus Tübingen, den Menschen als Person gegen eine neue Unschärfe inmitten aller neuronalen Wolken, Feuer und Gewitter in Schutz zu nehmen: „Es sind keine Gehirne, sondern Personen, die Hirnforschung betreiben. Und als Personen bleiben wir verantwortlich. Wir können uns nicht an unsere Gehirne entlasten.“

Beitrag von , veröffentlicht am 17. März 2013 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .