Archiv für 17. September 2019

Ehrlichkeit tut Not: Fürs Klima müssen wir den Gürtel enger schnallen

von Kurt-Helmuth Eimuth 17. September 2019

Inzwischen rufen, so scheint es, alle relevanten Gruppen zum Klimastreik auf, und das ist auch gut so. Aber in der Diskussion um notwendige Maßnahmen braucht es auch Mut zur Ehrlichkeit: Ohne auch persönliche Einschränkungen wird es nicht gehen.

Demonstrieren für den Klimaschutz  |
Demonstrieren für den Klimaschutz | Bild: http://www.unsplash.com

Eigentlich, so dachte ich, ist mein Leben achtsam, was Natur und Klima angeht. Der Zweitwagen ist abgeschafft, in den Urlaub fliegen wir seit Jahren nicht mehr, und wir sind in eine deutlich kleinere Wohnung umgezogen. Doch beim Klimatest auf der Seite Fussabdruck.de musste ich feststellen, dass mein Lebensstil mehr als drei Erden verbraucht.

Vielen von uns ist noch gar nicht klar, wie groß die Dimension dessen ist, was passieren muss, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Trotz der Mahnungen von Experten ist seit vier Jahrzehnten politisch fast nichts geschehen. Dass die Jugend radikale Forderungen stellt, ist also richtig. Entweder wir nehmen die Klimakatastrophe hin, oder wir stemmen uns mit Macht dagegen.

Für Letzteres bedarf es klarer, radikaler Änderungen, die uns allen Verhaltensänderungen abverlangen. Es ist falsch zu glauben, wir könnten den Klimawandel technisch beherrschen, etwa mit der Einführung von E-Autos. Ohne spürbare Einschränkungen des privaten Konsums wird es nicht gehen. Allerdings würde wohl keine Partei die Einführung einer Klimasteuer von 25 Prozent auf Kleidung, Autos, Fleisch und Käse überleben. Trotzdem wäre genau das eigentlich nötig. Zur sozialen Abfederung müssten die Sozialleistungen entsprechend angehoben werden. Und warum nicht Inlandsflüge unter 500 Kilometer verbieten? Gerade angesichts der Prognose, dass sich der Flugverkehr in Europa in den kommenden zwanzig Jahren noch einmal verdoppeln soll?

Natürlich hilft es dem Klima wenig, wenn allein Deutschland sich radikal ändert. Angesichts der Tatsache, dass in China gerade 176 Flughäfen im Bau sind, erscheint die Lage trostlos. Aber wir haben eben zunächst einmal die Verantwortung für unser eigenes Tun. Eine Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen und gegenüber Gottes Schöpfung.

Wir können die Welt nicht im Alleingang ändern, aber wir können für Veränderung eintreten. Und dafür ist es wichtig, bei sich selbst anzufangen. Dass gleichzeitig auch global gehandelt werden muss, widerspricht dem nicht. Ich jedenfalls hoffe, dass Greta und Co. in ihrem Engagement nicht nachlassen.

Ein Buch über die Skulptur der Steinbücher im Martin-Luther-Park

von Kurt-Helmuth Eimuth 16. September 2019

Vor zwei Jahren wurde im Offenbacher Martin-Luther-Park die Steinskulptur „Bücher der Weisheit“ der Künstlerin Anna-Maria Kubach-Wilmsen eingeweiht, jetzt gibt es dazu ein Buch. Unter Beteiligung jüdischer, christlicher und muslimischer Gemeinschaften wurde es am Sonntag der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Steinbücher im Martin-Luther-Park würdigen die Weisheit der Religionen. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Die Steinbücher im Martin-Luther-Park würdigen die Weisheit der Religionen. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Die Buchpräsentation war direkt vor Ort: Unweit der im Buch beschriebenen Steinskulptur versammelten sich jüdische, christliche und muslimische Menschen bei der Vorstellung des Buches „Heilige Schriften – Quellen der Weisheit“. Schließlich symbolisieren die Steinbücher genau diese drei Weltreligionen.

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Färber gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich in Offenbach noch in diesem Jahr ein Rat der Religionen gründen möge. „Er sollte sich genau hier konstituieren“, empfahl Färber. Die Stadtgesellschaft solle dankbar sein, dass mit diesem Kunstwerk die Frage aufgeworfen werde, „wie wir die Botschaften dieser Bücher umsetzen können.“ Für Achim Knecht, den evangelischen Stadtdekan, ist die Vielfalt der Religionen in Offenbach eine Bereicherung: „Es ist gut, dass wir so unterschiedlich sind. Wir ergänzen uns gegenseitig.“

Im Vorwort des fünfzigseitigen, reich bebilderten Buches stellen der Musiker Jürgen Blume und Pfarrerin Ulrike Schweiger fest, dass sich in Offenbach ein weitgehend friedliches Miteinander von 160 Nationen entwickele. Dies verlange aber Verständnis für die anderen. „Einen eigenen Standpunkt haben, sich bemühen, die Gedanken der anderen zu verstehen, die Vielfalt der Kulturen und Religionen zu respektieren, darüber ins Gespräch zu kommen, ohne diese übernehmen zu müssen – das bedeutet Toleranz und ist eine Bereicherung für uns alle.“

Im Buch wird sowohl die Ideenfindung als auch die Arbeit der Künstlerin beschrieben. Zum Beispiel erfährt man, dass das Material eines jeden Stein-Buches von einem anderen Kontinent kommt. Reinhold Bernhardt, Theologieprofessor in Basel, vergleicht in seinem Essay den Umgang mit den heiligen Schriften im Islam, Judentum und Christentum.

Zur Entstehungsgeschichte der Skulptur gehört auch, dass an gleicher Stelle vorher eine aufgeschlagene Bronze-Bibel stand, als Erinnerung an den Reformator Martin Luther, nach dem der Park benannt ist und der Bibel ins Deutsche übersetzt hat. Doch zuerst stahlen Diebe das Werk, und auch eine zweite Anfertigung wurde von Materialdieben entwendet.

Deshalb entstand im evangelischen Dekanat und im Förderkreis „PraeLudium“ die Idee, an dieser Stelle die drei in Offenbach vertretenen Buchreligionen zu würdigen. Die Ausfertigung in Stein, wird hoffentlich einen weiteren Diebstahl verhindern.

Das Buch ist während der Öffnungszeiten in der Stadtkirche in Offenbach (Herrnstraße 44) für 5 Euro erhältlich.

Von Empathie durchdrungenes, kritisches Islambuch

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. September 2019

Monika und Udo Tworuschka ist mit ihrem Buch „Der Islam – Feind oder Freund?“ ein Werk zur Versachlichung und Relativierung der Debatte gelungen. Ein gut lesbares Buch, das die Argumente an vielen Stellen versachlicht.

Monika und Udo Tworuschka: Der Islam – Feind oder Freund? - 38 Thesen gegen eine Hysterie, Kreuz-Verlag, 142 Seiten, 15 Euro.
Monika und Udo Tworuschka: Der Islam – Feind oder Freund? – 38 Thesen gegen eine Hysterie, Kreuz-Verlag, 142 Seiten, 15 Euro.

„Noch ein Buch über den Islam“ war mein erster Impuls. Doch Autorin und Autor, seit Jahrzehnten bekannt für ihre religionswissenschaftlichen Arbeiten, machen neugierig. Keine Frage, die beiden haben einen Standpunkt. Gleich im ersten Satz verdeutlichen sie, dass sie kein islamkritisches Buch vorlegen, sondern ein kritisches Islambuch. Was keineswegs dasselbe ist. Sie wollen nicht „die Fratze“ des Islam betrachten, sondern mit Empathie einer Religion begegnen.

Zunächst gehen sie auf die gegenwärtige Wahrnehmung des Islam ein. An vielen Beispielen zeigen die Tworuschkas auf, dass die Diskussion Züge einer Verschwörungstheorie hat. So gehören in Deutschland nur knapp sechs Prozent der Bevölkerung dem Islam an. Von einer Übernahme der Gesellschaft ist man also schon zahlenmäßig bei immer noch 48 Millionen Christinnen und Christen weit entfernt. Auch die Geburtenzahl bei Muslimen befindet sich im Sinkflug. Hatten aus der Türkei nach Deutschland migrierte Familien 1970 noch 4,4 Kinder im Durchschnitt, sind es bei Angehörigen der zweiten und dritten Generation noch 1,56 Kinder. „Migranten passen sich erfahrungsgemäß in vielen Lebensbereichen an ihr Umfeld an.“

Auch lässt sich nicht belegen, dass der Islam per se gewaltbereit sei. Selbst der Teil des Islam, der unter dem Begriff Islamismus zusammengefasst wird, muss unterteilt werden in die Strömungen der Salafisten, Islamisten und Djihadisten. Doch gleich welche Begründungen sich gewaltbereite Muslime zusammenbasteln, welche Verse sie aus dem Koran herauspicken, es kann nicht gesagt werden, „dass der Koran zur Gewalt aufrufe und die Lizenz zum Töten“ liefere. Das Autorenehepaar erinnert im Gegenteil an zahlreiche Gewaltvorstellungen in der Bibel.

Auch in Bezug auf die Stellung der Frauen im Islam war dessen Religionsstifter fortschrittlicher als viele meinen. So habe Mohammed verglichen mit dem vorislamischen Arabertum richtungsweisende Besserstellungen für Frauen eingeführt. Zum Beispiel wurde das übliche Aussetzen weiblicher Neugeborener untersagt. Der Koran fordert an keiner Stelle, dass sich Frauen verschleiern müssten. Allerdings hätten sich die vom Koran bekämpften Gesellschaftsstrukturen im Laufe der Jahrhunderte wieder verfestigt. So gehe es bei der Genitalverstümmelung eher um kulturelle Faktoren und um eine patriarchale Familienstruktur als um eine religiöse Lehre. „Der Koran erwähnt keine weibliche Genitalverstümmelung, geschweige denn, dass er sie gutheißt.“ Auch sexuelle Gewalt gegenüber Frauen rechtfertigen die islamischen Quellen nicht.

Bei aller Empathie verschließt das Buch aber nicht die Augen vor problematischen Tendenzen: „Blauäugig wäre es dagegen, Scharia-Auslegungen nicht zu beachten, die einen gewaltsamen Djihad gegen ‚Ungläubige‘ legitimieren, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage stellen, antijüdische Einstellungen und Handlungen rechtfertigen.“ Ferner sei die Sozialisation muslimischer Kinder offenbar stärker an Macht und Gehorsam ausgerichtet und tue sich schwer mit Freiheit, Pluralismus und Ambiguitätstoleranz. Dies ergebe sich aus erfahrener Ablehnung. Der Einzelnen fliehe dann nach Erich Fromm ins Autoritäre, Destruktive und Konformistische.

Die Tworuschkas plädieren also für ein offenes, von Empathie geprägtes Miteinander. Wie dies aussehen kann, fassen sie am Beispiel in drei Sätzen zusammen: „Wir wünschen uns, dass muslimische Frauen die islamische Kleiderordnung nur aus freien Stücken befolgen. Die Realität sieht sicher oft anders aus. Aber Freiheit bedeutet, eine islamische Frau darin zu bestärken, ihrer Tradition folgen zu dürfen – sie aber auch darin zu unterstützen, wenn sie sich dagegen wehren will.“

Ein gut lesbares Buch über den Islam und über die deutsche Diskussion. Es versachlicht an vielen Stellen die Argumente, reiht sie religionswissenschaftlich und politisch ein und ist somit im besten Sinne tatsächlich ein von Empathie durchdrungenes kritisches Islambuch.

Konstantin Wecker bekam in der Paulskirche die Albert-Schweitzer-Medaille

von Kurt-Helmuth Eimuth 4. September 2019

Der Poet, Sänger und Musiker Konstantin Wecker ist der erste Preisträger der Albert-Schweitzer-Medaille, die an den Arzt, Philosophen und Theologen Albert Schweitzer (1875-1965) erinnert. Sie wurde zum 50. Jubiläum des Frankfurter Albert-Schweitzer-Zentrums gestiftet.

Marion Eimuth mit Konstatin Wecker Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Es war der Höhepunkt des diesjährigen Jubiläumsjahres zum 50-jährigen Bestehen des Albert-Schweitzer-Zentrums in Frankfurt: Mit einem Festakt in der Paulskirche wurde gestern am 3. September erstmals die Albert-Schweitzer-Medaille verliehen. Preisträger war der Sänger und Musiker Konstantin Wecker, der für sein politisches Engagement bekannt ist.

In seiner Laudatio bezeichnete der Neurobiologe Gerald Hüther Wecker als „Suchenden, der die Herzen der Menschen öffnet“. Wecker sei ebenso wie Albert Schweitzer jemand, für den Poesie und Widerstand, Kunst und Wissenschaft zusammen gehören, betonte der Neurobiologe, der schon einige gemeinsame Veranstaltungen mit Wecker gestaltet hat.

Die Theologin Margot Käßmann wandte sich in ihrem Festvortrag gegen eine Sprache, die „inhumane Gedanken schleichend billigt“. Wer sich der Philosophie Albert Schweitzers mit ihrer zentralen Aussage der „Ehrfurcht vor dem Leben“ verbunden fühle, müsse solchen Tendenzen widersprechen. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und ehemalige Reformationsbotschafterin führte zahlreiche Beispiele für eine menschenverachtende Sprache an, zum Beispiel den Ausdruck „Kopftuchmädchen“. Es sei zwar richtig, dass die Burka nicht nach Deutschland gehöre, „aber Springer-Stiefel und Glatzköpfe auch nicht“. Deutschland könne stolz auf seine Integrationsleistung sein, betonte Käßmann, und verwies auf die Leistung in den Nachkriegsjahren. Heute brauche man eine postmigrantische Definition von Deutschland. Schließlich sei das ganze christliche Abendland das Ergebnis von Migration. Für Albert Schweitzer sei die atomare Bedrohung seine Hauptsorge gewesen: „Das verbindet ihn mit Konstantin Wecker und mir“, sagte Käßmann. Sicher hätte Albert Schweitzer an dem jugendlichen Protest der Fridays for Future-Bewegung seine Freude gehabt. Auch das könne man von Schweitzer lernen: „Nicht nachlassen. Er hat für seine Sache alles gegeben.“

Albert Schweitzer hatte für Sport zwar nichts übrig und konnte mit Fußball nichts anfangen. Trotzdem sprach zum Jubiläum und zur Preisverleihung auch der Präsident von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, wohl auch, weil der Club und sein Präsident für eine klare Haltung stehen. Sport, so Fischer, könne Werte schaffen und vermitteln. Sport müsse politisch sein. Der Sport stehe dafür, dass alle Menschen gleich sind. In der Kabine der Eintracht säßen Spieler aus 19 Nationen. Die 80.000 Mitglieder des Clubs kämen aus 100 Nationen. Fischer kritisierte auch die antisemitischen Rufe gegen den Schiedsrichter beim Spiel gegen Straßburg vor einigen Tagen.

Der Frankfurter evangelische Stadtdekan Achim Knecht würdigte die Bedeutung des Albert-Schweitzer-Zentrums mit Archiv, das heute in der Wolfgangstraße im Nordend untergebracht ist. „Die Evangelische Kirche in dieser Stadt sieht sich auch heute noch dem Erbe des bedeutenden Humanisten Albert Schweitzer verpflichtet“, hob Knecht hervor und wies auf die Aktualität der Ethik Albert Schweitzers hin: „Die Rettung von Menschen, die auf ihrer Flucht und Migration nach Europa auf dem Mittelmeer in Seenot geraten, ist heute ein zeitgemäßer Ausdruck einer tatkräftigen Ehrfurcht vor dem Leben. Ich bin überzeugt, auch Albert Schweitzer hätte die Seenotrettung von Geflüchteten und Migranten aus dem Mittelmeer unterstützt!“

Oberbürgermeister Peter Feldmann erinnerte in seiner Ansprache an die besondere Verbindung Albert Schweitzers mit Frankfurt. Schweitzer hat 1928 den Goethepreis der Stadt erhalten, 1951 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, und 1959 wurde er zum Ehrenbürger Frankfurts ernannt. „Albert Schweitzer war gerne hier. Es hat ihn immer wieder in diese Stadt gezogen“, sagte Feldmann.

Der Musiker und Sänger Konstantin Wecker (links) verbindet seit vielen Jahren Kunst und Politik. Dafür wurde er in der Paulskirche mit der Albert-Schweitzer-Medaille ausgezeichnet. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Der Musiker und Sänger Konstantin Wecker (links) verbindet seit vielen Jahren Kunst und Politik. Dafür wurde er in der Paulskirche mit der Albert-Schweitzer-Medaille ausgezeichnet. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth