Archiv für 14. März 2005

Autoritäre und humanistische Religion

Erich Fromm,

Andacht, Kurt-Helmuth Eimuth

14.3.2005

Lied EG: 593, 1+5

Votum:

Guten Morgen

Wir sind hier in der Heiliggeistkirche

In deinem Namen

Gott, du Schutz allen Lebens,

Jesus, du Hoffnung aller Geopferten,

Heiliger Geist, du Überwindung des Todes.

Psalm: 43 Nr. 724

Lied: EG 584, 1-4

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

Es jährt sich in diesen Tagen der Todestag eines berühmten Frankfurters, eines Denkers, der viel über das Wesen der Religion nachdachte: Erich Fromm

Obwohl Erich Fromm sich ganz bewusst von jeglicher Religion losgesagt hat, ist er bis zu seinem Tod dem Glauben treu geblieben. Die Religion, in die er hineingeboren wurde, ersetzte er mit einer eigenen durch und durch von Erkenntnis und Vernunft geprägten Ethik, die nicht nur dem ureigensten Wesen des Menschen, sondern auch der Gesellschaft gerecht werden sollte.

Aus dem Erfolg der 68er-Bewegung resultierte letzten Endes der Erfolg von Fromms Büchern. Die mehr als 50 Titel seiner Gesamtauflage wurden in alle wichtigen Sprachen übersetzt und bis heute weltweit mehr als 50 Millionen mal verkauft. Nicht nur sein Bestseller „Die Kunst des Liebens“ von 1956, sondern auch sein Alterswerk „Haben oder Sein“ von 1976 wurden Kultbücher.

Der am 23. März 1900 in Frankfurt als Sohn des jüdischen Weinhändlers Naphtali geborene Erich Fromm, beschäftigt sich bereits mit 13 intensiv mit dem Talmud. Nach der Schule studiert er zwei Semester Jura in Frankfurt und wechselt nach Heidelberg, wo er mit Soziologie, Psychologie und Philosophie weiter macht. Während seine Promotion 1922 noch den Titel trägt: „Das jüdische Gesetz. Ein Beitrag zur Soziologie des Diaspora-Judentums“, wendet er sich schon vier Jahre später vom orthodoxen Judentum ab.

Bei Karl Landauer in München studiert er weiter und beendet sein Psychologiestudium 1929 am Psychoanalytischen Institut in Berlin. Gleichzeitig engagiert er sich in Frankfurt und hilft bei der Gründung des Süddeutschen Instituts für Psychoanalyse in Frankfurt. Zusammen mit Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, und Herbert Marcuse gehört er zu jenem Kreis um Max Horkheimer am fortan genannten „Frankfurter Institut für Sozialforschung“, der nach der Machtergreifung der Nazis seine Tätigkeit an der Columbia-University von New York fortsetzt.


Vom orthodoxen Juden zum dogmatischen Freudianer zum überzeugten Marxisten entwickelt sich Erich Fromm zum „radikalen Moralisten“. Vom Judentum wendet er sich ab, „weil er nicht an irgendeiner Spaltung der Menschheit – ob religiös oder politisch – beteiligt sein wollte,“ wie er einmal sagte. Von Freud entfernt er sich und stellt dazu fest: „Wir Psychoanalytiker der zweiten Generation stehen auf Freuds Schultern – und darum sehen wir weiter.“ Freud lasse soziale und wirtschaftliche Faktoren weitgehend außer acht. Erich Fromm löst die Psychoanalyse aus ihrem rein therapeutischen Kontext und führt sie in eine umfassende Sozialanthropologie.

Nach einem Herzinfarkt 1968 zieht sich Erich Fromm aus dem öffentlichen Leben zurück, siedelt ins Tessin über und stirbt bei einem Herzinfarkt am 18. März 1980.

Auch wenn er als Moralist sich von der Religion entfernte, so gab er doch aus sozialpsychologischer Sicht entscheidende Hinweise zur Bewertung von Religion:

Erich Fromm unterscheidet zwischen autoritärer und humanistischer Religion. Die autoritäre Religion sei gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass eine höhere Macht Anspruch auf Verehrung und Anbetung aber auch auf Gehorsam habe. Die Macht über Menschen begründe sich eben nicht mit einer besonderen sittlichen Eigenschaft der Gottheit, sondern alleine dadurch,, dass die Herrschaft und damit die Macht ihr zu stehe. Wesentliches Element der autoritären Religion sei die Unterwerfung unter eine Macht jenseits des Menschen. Allerdings könne diese Macht auch von einem Führer direkt ausgeübt werden.

Die humanistische Religion beschreibt Fromm so: „Das religiöse Erlebnis innerhalb dieser Art der Religion besteht in der Empfindung des Einsseins mit dem All , gegründet auf die Beziehung zur Welt.“ Selbstverwirklichung, nicht Unterwerfung wolle der Mensch in dieser Art von Religion erreichen. „Glaube ist Sicherheit der Überzeugung, erworben durch eigene Erfahrung mittels Denkens und Fühlens, nicht Annahme einer Satzung auf Grund des Ansehens dessen, der sie gesetzt hat.“ Und Fromm fügt dieser Beschreibung noch hinzu: „Die vorwiegende Stimmung ist Freude, während sie in autoritären Religionen in Kummer und Schuldgefühl besteht.“

Für die derzeitige Diskussion um die Ursachen des religiösen Fundamentalismus und um religiös motivierten Terrorismus ist die weitere Analyse Fromms aktueller denn je: Die Unterscheidung zwischen autoritärer und humanistischer Religion ziehe sich quer durch alle Religionen. Demnach sind autoritäre oder gar totalitäre Züge von Religionen nicht einer bestimmten Religion zuzuordnen. Da unterscheiden sich die militanten Christen in Nordirland eben nicht von den islamistischen Attentätern des 11. März in Madrid.

In der Analyse kann ich Fromm folgen. Doch so wie ich Christentum verstehe, so wie Luther von der Freiheit eines Christenmenschen spricht, passt die autoritäre Form des Glaubens nicht zur Botschaft des Neuen Testaments. Es pervertiert sie.

Denn der christliche Glaube ist keine Gesetzesreligion. Er schreibt uns nicht vor, wie wir zu leben haben. Er versetzt uns in einen weiten Raum großer Freiheit. In Dankbarkeit gegenüber Gott und ausgerichtet auf unseren Mitmenschen können wir unser Leben gestalten. Wie das heute konkret aussieht, müssen wir selbst herausfinden. Das ist allerdings nicht immer einfach.

Amen.

Lied: EG 546, 1-3

Mitteilungen

Gebet

Verschone uns, Gott,

vor allen Dingen, die zu nichts führen,

aus denen in deinem Reich nichts wird

und die auf Erden nichts

und wieder nichts bedeuten –

davor verschon uns Gott.

Vor unfruchtbarem Grübeln,

vor leeren Gedanken,

vor unbedachten Zugeständnis an das böse,

vor Wahnideen und Phantastereien

vor aller Niederträchtigkeit –

verschon uns Gott

Vor Trägheit und vor unduldsamer Gesinnung,

vor aller Wichtigtuerei,

vor Selbstgefälligkeit

verschon uns Gott

Lass unseren Ehrgeiz

Und unseren Frieden darin finden:

In deinem Licht wandeln,

dass wir Kinder des Lichts werden

dass wir deinem Bilde ähnlich werden

und in deiner Liebe bleiben,

der du uns zuerst geliebt hast

und bis zum Ende liebst

ohne Ende.

Gemeinsam beten wir, wie Jesus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel

geheiligt werde dein Name,

dein Reich komme,

dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Gott segne uns und behüte uns

Gott gebe uns Liebe wo Hass ist,

Kraft wo Schwäche lähmt,

Toleranz wo Ungeduld herrscht,

Offenheit wo alles festgefahren scheint

So sei Gottes Segen mit uns allen, beflügle unsere Hoffnung und begleite uns wie ein Licht in der Nacht.

Lied: EG 546 4+5

Religion muss humanistisch sein

Evangelisches Frankfurt: März/April 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 2

Religion muss humanistisch sein“

Sein bekanntestes Werk „Die Kunst des Liebens“ verirrt sich schon mal ins Sonderangebot beim Discounter. Erich Fromms Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erreichten eine Gesamtauflage von 50 Millionen. Auch sein Spätwerk „Haben oder Sein“von 1976 erreichte Kultstatus. Der Frankfurter Sozialpsychologe starb vor 25 Jahren, am 18. März 1980.

(Bild: Wikimedia/Erich-Fromm.de)

Obgleich sich Erich Fromm von jeglicher Religion losgesagt hat, ist er der seinen treu geblieben. Am 23. März 1900 in Frankfurt als Sohn des jüdischen Weinhändlers Naphtali geboren, beschäftigt er sich schon als Jugendlicher intensiv mit dem Talmud. Zusammen mit Theodor W. Adorno, Walter Benjamin und Herbert Marcuse gehört er zum Kreis um Max Horkheimer am „Frankfurter Institut für Sozialforschung“, das seine Tätigkeit nach der Emigration wegen des Nationalsozialismus in New York fortsetzt.
Fromm wollte nicht an „irgendeiner Spaltung der Menschheit – ob religiös oder politisch – beteiligt sein.“ Deshalb, stellen die Biografen fest, habe er sich vom orthodoxen Juden zum dogmatischen Freudianer, zum überzeugten Marxisten und schließlich zum radikalen Moralisten entwickelt. Wie konsequent Fromms Denken ist, zeigen seine Ausführungen über die Religion allgemein.
Erich Fromm unterscheidet zwischen autoritärer und humanistischer Religion. Die autoritäre Religion sei gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass eine höhere Macht Anspruch auf Verehrung und Anbetung, aber auch auf Gehorsam habe. Die Macht über Menschen begründe sich eben nicht mit einer besonderen sittlichen Eigenschaft der Gottheit, sondern alleine dadurch, dass die Herrschaft und damit die Macht ihr zustehe. Wesentliches Element der autoritären Religion sei die Unterwerfung unter eine Macht jenseits des Menschen. Allerdings könne diese Macht auch von einem Führer direkt ausgeübt werden.
Die humanistische Religion hingegen beschreibt Fromm so: „Das religiöse Erlebnis innerhalb dieser Art der Religion besteht in der Empfindung des Einsseins mit dem All, gegründet auf die Beziehung zur Welt.“ Selbstverwirklichung, nicht Unterwerfung wolle der Mensch in dieser Art von Religion erreichen. „Glaube ist Sicherheit der Überzeugung, erworben durch eigene Erfahrung mittels Denkens und Fühlens, nicht Annahme einer Satzung auf Grund des Ansehens dessen, der sie gesetzt hat.“ Und Fromm fügt dieser Beschreibung noch hinzu: „Die vorwiegende Stimmung ist Freude, während sie in autoritären Religionen in Kummer und Schuldgefühl besteht.“ Für die derzeitige Diskussion um die Ursachen des religiösen Extremismus, um religiös motivierten Terrorismus ist die weitere Analyse Fromms aktueller denn je: Die Unterscheidung zwischen autoritärer und humanistischer Religion, so Fromm, ziehe sich quer durch alle Religionen. Demnach sind autoritäre oder gar totalitäre Züge von Religionen nicht einer bestimmten Religion zuzuordnen. Leider wird das in überhitzten Diskussionen oft vergessen.
Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt: März/April 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 2