Evangelisches Frankfurt: Juli/August 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 4
Multikulti braucht Reli
Noch besucht die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler an Frankfurter Grundschulen den evangelischen oder katholischen Religionsunterricht. Doch diese Zahlen können nicht beruhigen, denn die Entwicklung ist rückläufig: Von den Kindern, die in diesem Jahr in Frankfurt eingeschult werden, gehört nur noch ein gutes Drittel einer Kirche an, Tendenz sinkend. Ist der Religionsunterricht da eigentlich noch zeitgemäß? Warum kommen die Kirchen nicht wenigstens der Forderung der hessischen FDP nach und legen den katholischen und evangelischen Religionsunterricht zusammen? Fragen, die zu Recht gestellt werden.„In ihrer Konstruktion der Welt und ihrem unermesslichen Wissensdrang sind Kinder kleine Philosophen und Theologen. Die Frage nach Gott kann in diesem Sinne eine zentrale Lebensfrage sein.“ Dieses Zitat ist nicht einer kirchlichen Schrift entnommen, sondern dem Entwurf des Hessischen Bildungsplans für Kinder von 0 bis 10 Jahren. Die Notwendigkeit, sich mit den Fragen des Lebens und den Antworten der Religionen auseinander zu setzen, ist unstrittig. Der Religionsunterricht leistet nicht Wissensvermittlung im Sinne einer Religionskunde, sondern bietet eine Person, die an das glaubt, was sie lehrt. Dieses kann kein Ethikunterricht und auch kein Werte-Unterricht nach Berliner Vorbild leisten. Der Religionsunterricht bietet hier einzigartige (Bildungs-)Möglichkeiten.
Es ist nicht die Frage zu stellen, ob wir den Religionsunterricht brauchen, vielmehr ist die Frage zu stellen, wie das System Schule sich auf die Herausforderungen einer multireligiösen Schülerschaft einstellen kann. Die beiden wichtigsten Forderungen liegen dabei auf der Hand: Der Ethikunterricht muss flächendeckend stattfinden, und für die muslimischen Kinder muss ein entsprechendes Angebot gemacht werden. Dies hätte den charmanten Nebeneffekt, dass der muslimische Religionsunterricht aus der Enge mancher Koranschule herausgeholt würde.
Auch die Kirchen müssen abrücken von ihrem Festhalten an überkommenen Strukturen. Der Religionsunterricht sollte sich öffnen. Die Frankfurter Studienleiterin denkt hier in die richtige Richtung (siehe auch Seite 3). Vor Ort ist zu entscheiden, wie das organisiert wird. Dabei wird man je nach Schule zu ganz unterschiedlichen Modellen gelangen. Mal wird klassisch getrennt unterrichtet, mal gemeinsam, mal alternierend. Jede Schule sollte die jeweils auf ihre Situation passende Lösung suchen.
Kurt-Helmuth Eimuth
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