Tag Archiv für Religionsunterricht

Albert Schweitzer fasziniert

Evangelisches Frankfurt November 2009

Albert Schweitzer fasziniert

Spielfilm und Dauerausstellung über den Universalgelehrten

Vermutlich hätte es Albert Schweitzer gefallen, dass die neue Ausstellung über sein Leben in eher bescheidenen Räumen im ersten Stock eines Wohnhauses im Westend zwar durchaus professionell, aber keineswegs aufgemotzt daherkommt. Das Ausstellungsgestänge wurde aus Resten des Messebaus zusammengeschraubt, die Ausstellungsdidaktik ist modern und interaktiv: Im Frankfurter Albert-Schweitzer-Zentrum in der Wolfsgangstraße 109 können sich Besucher und Besucherinnen die wesentlichen Stationen des Universalgelehrten an Audiostationen mit Einspielungen von Schweitzers Bachinterpretationen und Predigttexten oder mittels Quiz und Brettspielen aneignen. Filmausschnitte ergänzen den Einblick in das Leben des Kulturphilosophen, Theologen, Organisten und Tropenarztes.

Ärztliche Hilfe für Menschen in Afrika: Szenenfoto aus dem Film über Albert Schweitzer, der von Jeroen Krabbè gespielt wird. | Foto: NFP / Stefan Falke

Ärztliche Hilfe für Menschen in Afrika: Szenenfoto aus dem Film über Albert Schweitzer, der von Jeroen Krabbè gespielt wird.
Foto: NFP / Stefan Falke

Schweitzer begründete eine universell gültige Ethik der Verantwortung für alles Leben und kämpfte noch im hohen Alter für atomare Abrüstung und den Frieden in der Welt. Das Leben des Friedensnobelpreisträgers zeichnet auch die britische Produktion „Albert-Schweitzer – Ein Leben für Afrika“ nach, die am Heiligen Abend, 24. Dezember, in den Kinos anläuft. Der Spielfilm wurde vom gleichen Team realisiert, das auch „Luther“ auf die Leinwand brachte. Zum Kinostart gibt es zahlreiche Begleitveranstaltungen. Für Schulklassen werden Sondervorführungen und umfangreiches Unterrichtsmaterial angeboten.

Das Drehbuch konzentriert sich auf zwei Schauplätze – New York in den 50er-Jahren, damals das Zentrum fortschrittlichen Denkens, und den Dschungel von Gabun. Dort leben die Menschen in großer Armut. Im Zentrum steht das Krankenhaus, in dem unter anderem Lepra-Kranke behandelt werden. Der Film zeigt, wie schwierig es für Albert Schweitzer im vom Kalten Krieg dominierten Nachkriegsamerika war, seine Kritik am Atomkrieg vorzutragen. Regisseur Gavin Millar sagt:

„Ich wusste wenig über Albert Schweitzer, und als ich mich umhörte, erfuhr ich in England ganz widersprüchliche Ansichten.“ Millar schreibt diese Widersprüchlichkeit einer Verleumdungskampagne der CIA gegen Schweitzer zu, die noch heute nachwirke.

Wer nach dem Film mehr über Schweitzer wissen möchte, dem sei der Besuch im Albert-Schweitzer-Archiv angeraten. Schließlich hatte der Goethe-Preisträger und Ehrenbürger der Stadt Frankfurts stets eine besondere Beziehung zur Mainmetropole. Mehr als zwanzig Mal war er zu Konzerten, Vorträgen und Preisverleihungen hier, und 1951 nahm er in der Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegen. Eine Schule und eine Wohnsiedlung wurden nach ihm benannt.

Das Albert-Schweitzer-Zentrum verfügt über eine umfangreiche Sammlung aus Schweitzers Nachlass und eben über eine ganz neue, zwar kleine, aber dennoch angemessene Dauerausstellung. Weitere Informationen im Internet unter www.albert-schweitzer-zentrum.de sowie www.albertschweitzer-derfilm.de.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Reliunterricht neu denken“

Evangelisches Frankfurt September 2009

„Reliunterricht neu denken“

Scheidende Studienleiterin kritisiert konfessionelle Schranken

Ihre Schlussfolgerungen sind klar und selbstkritisch: Pfarrerin Karin Frindte-Baumann, die die Leitung des Religionspädagogischen Amtes in Frankfurt nach 18 Jahren zum Schuljahreswechsel abgegeben hat, fordert die Kirchen dazu auf, den Religionsunterricht neu zu denken. Es sei „schwierig“, dass sie sich so auf den konfessionellen Religionsunterricht festgelegt hätten, bei dem evangelische und katholische Kinder getrennt werden.

Foto: Rolf Oeser

Foto: Rolf Oeser

Als Studienleiterin begleitete Frindte-Baumann in den 172 Frankfurter Schulen 460 Religionslehrerinnen und -lehrer und zwölf für den Schuldienst freigestellte Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie organisierte Fortbildungen und hielt eine Fachbibliothek vor. Jetzt ging sie in den Ruhestand.

Der konfessionsgetrennte Religionsunterricht sei vor allem in der Grundschule den Eltern nicht mehr zu vermitteln, so Frindte-Baumann. Zudem seien die christlichen Kinder in den Grundschulen Frankfurts in der Minderheit. „Die Eltern wünschen sich in der Grundschule einen gemeinsamen christlichen Unterricht und daneben einen muslimischen Unterricht.“

Überholt sei die in kirchlichen Kreisen noch häufig anzutreffende Vorstellung, wonach der Religionsunterricht in der „Mitte der Schule“ stehe. „Das tut er nicht. Es nimmt nur eine Minderheit der Schülerinnen und Schüler an ihm teil.“ Insofern begrüßt Frindte-Baumann die Einführung eines verbindlichen Ethik-Unterrichts. Leider gebe es hierfür bisher noch zu wenig Lehrerinnen und Lehrer.

Nachdrücklich betont die scheidende Studienleiterin, dass sie nicht grundsätzlich für einen konfessionsübergreifenden Religionsunterricht plädiere, „aber ich bitte um Verständnis für die Schulleitungen“. Diese hätten nämlich enorme Probleme bei der Organisation. Frindte-Baumann hält es für wichtig, sich differenziert zu überlegen und auch nach außen zu zeigen, was im Religionsunterricht jeweils vermittelt werden soll. Vor allem in der Grundschule gehe es hauptsächlich darum, Kinder mit biblischen Texten bekannt zu machen. Bei den aufsteigenden Klassen kämen dann später immer stärker die Traditionen von Kirche und Glaube hinzu und natürlich auch Informationen über andere Religionen.

„Der Religionsunterricht soll beheimaten und befähigen, eine Reise anzutreten, um Menschen anderer Religionen kennen zu lernen“, so Frindte-Baumann. Ihrer Meinung nach reicht es auch nicht, sich auf den Religionsunterricht zu beschränken. „Wenn wir als Kirche in multikulturellen Metropolen Mitverantwortung für die Bildung tragen wollen, müssen wir auch selbst Schulen betreiben“, ist sie überzeugt. Insofern hält sie es für einen großen Fehler, dass der Plan, eine evangelische Schule in Frankfurt zu gründen, aufgegeben wurde.

Kurt-Helmuth Eimuth

Besser gemeinsam: Reli in der Grundschule

Evangelisches Frankfurt September 2009

Kommentar:
Besser gemeinsam: Reli in der Grundschule

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Die Frage stellt sich spätestens mit der Einschulung. Soll mein Sohn, meine Tochter am Religionsunterricht teilnehmen? Wenn ja, an welchem? Und was machen die Kinder, die nicht teilnehmen?

Man ahnt die organisatorische Herausforderung für Schulleitungen. Sie müssen für eine Minderheit (in einigen Schulen erreicht der Anteil der christlichen Kinder gerade mal ein Viertel) Religionsunterricht organisieren, und das dann auch noch für evangelisch und katholisch getrennt. Da bleiben nur „Randstunden“. Das ist durchaus symbolisch: Der Religionsunterricht wird allein durch die geringe Zahl von Kindern, die ihn besuchen, an den Rand gedrängt.

Die scheidende Studienleiterin des Religionspädagogischen Amtes der evangelischen Kirche hat jetzt noch einmal Alarm geschlagen (siehe Seite 9). Ein konfessionsgetrennter Unterricht sei Eltern nicht mehr zu vermitteln. Recht hat sie. Die Vermittlung christlicher Grundlagen sollte durchaus ökumenisch gelingen. Schließlich berufen sich ja beide Kirchen auf die Bibel. Da sollte es doch möglich sein, Schöpfungsgeschichten und die biblische Überlieferung vom Leben Jesu gemeinsam kindgerecht weiterzugeben. Der Streit um den Absolutheitsanspruch des Papstes oder um unterschiedliche Auffassungen vom Abendmahl dürfte Kinder im Grundschulalter überfordern und wird sie vermutlich auch wenig interessieren.

In den weiterführenden Klassen werden zunehmend Differenzierungen notwendig. Hier sollten den Schulen und deren Fachkonferenzen Möglichkeiten des gemeinsamen Unterrichtens eröffnet werden. Dies gilt auch für den islamischen Religionsunterricht. Ein solches Angebot muss ebenso wie Ethik vorgehalten werden. Alles andere ignoriert die gesellschaftliche Realität. Dass diese Entwicklung den Religionsgemeinschaften einiges abverlangt, ändert nichts am Ziel. Eine umfassende Bildung darf den Bereich der Religion und der religiösen Tradition nicht ausblenden. Die multireligiöse Vielfalt in den Schulen erfordert es, neue Wege zu finden.

Die Verantwortlichen in Darmstadt und Limburg sollten diese Realität zur Kenntnis nehmen. In einigen Bereichen haben die Kirchen nur noch gemeinsam eine Chance, sich Gehör zu verschaffen. Welche Bedeutung man auch immer einem Religionsunterricht zumisst: Wenn nur noch gut zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler den Unterricht einer Konfession besuchen wollen, wird es auch für die Gutwilligen in den Schuldirektorien schwierig, kirchliche Ansprüche zu verteidigen. Beide Kirchen müssen ihre Positionen überdenken, sonst stellen sie sich ins Abseits.

Kurt-Helmuth Eimuth

Islamunterricht nicht in Sicht

Ministerin Wolff unterstreicht die Bedeutung des Schulfaches Religion

In Hessen wird es in naher Zukunft wohl keinen Islamunterricht an Schulen geben. Zwar hob Kultusministerin Karin Wolff, die auf Einladung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in die Frankfurter Katharinengemeinde gekommen war, die Bedeutung der Religion für die Identitätsbildung des Menschen hervor. Sie erläuterte jedoch auf Nachfrage, dass ihr zur Einführung eines muslimischen Religionsunterrichts die Ansprechpartner fehlten. Es gebe keine Organisationsform, die die Muslime wirklich vertreten könne. „Wir haben eine Vielzahl von Gruppierungen. Das macht Vereinbarungen schwierig“, erläuterte Wolff. Zudem fehlten Lehrpläne und Ausbildungsmöglichkeiten für muslimische Religionslehrerinnen und -lehrer.

Dabei betonte Wolff jedoch, dass der Religion in der Schule eine wichtige Bedeutung zukomme: „Jugendliche müssen sich verorten in der Gesellschaft, und dafür brauchen sie Orientierung.“ In der Schule könne deshalb der Religionsunterricht nicht nur ein „Sahnehäubchen“ sein, vielmehr durchzögen Fragen von Identität und Interkulturalität alle Schulfächer. So sei es Aufgabe aller Lehrkräfte, gleich welchen Glaubens, kulturelle Zusammenhänge darzustellen: Wenn etwa im Re­ ligionsunterricht die biblische Schöpfungsgeschichte vermittelt werde, könne die Biologie dieses Thema naturwissenschaftlich ergänzen.

Die Kultusministerin hob hervor, dass ein Kind ein Recht darauf habe, sich nicht nur in seiner eigenen Kultur zurecht zu finden, sondern auch eine eigene Identität zu finden. „Ein Kind fragt schon im Kindergarten, woher komme ich, warum gibt es mich, was ist
einzigartig.“ Wer einen eigenen Standpunkt zu diesen Fragen finde, werde keine Angst haben, anderen Standpunkten zu begegnen, führte die Ministerin mit Blick auf die Begegnung mit anderen Religionen aus. Das Wissen von anderen Religionen hält Wolff für unabdingbar notwendig. Doch wer nur alles nebeneinander stelle, verwechsele Toleranz mit Gleichgültigkeit.

Die Ministerin betonte, dass der christliche Religionsunterricht in Hessen ordentliches Unterrichtsfach sei. Wenn dieses abgewählt werde, sei der Ethikunterricht als Ersatzfach die Alternative. Wolff kündigte an, dass durch verstärkte Ausbildung von Ethiklehrerinnen und -lehrern in den nächsten drei Jahren flächendeckend dieser Ersatzunterricht angeboten werden könne.

Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt Juli 2007

Religionsunterricht verändert sich

Evangelisches Frankfurt: Juli/August 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 4

Religionsunterricht verändert sich

Die Älteren werden sich noch erinnern: Wenn „Reli“ angesagt war, wurde die Klasse geteilt, und es kamen immer die (Blöden) von der Parallelklasse. Nun, heute kommen immer noch die von den anderen Klassen, aber die vertretenen Religionen sind weit vielfältiger: Da gibt es die großen Gruppen der Muslime und Atheisten und natürlich in Frankfurt allerlei andere Glaubensgemeinschaften, etwa die Weltreligionen Hinduismus und Buddhismus. Wie soll die Schule mit dieser organisatorischen Herausforderung umgehen?

Der Berliner Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, drückte die Schulbank, um für den Religionsunterricht zu werben (siehe Box). (Foto: bph/Wikimedia)

Schon Kinder im Grundschulalter stellen Fragen nach den letzten Dingen: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Sie wollen diese Fragen nicht nur abstrakt beantwortet haben, sie wollen vielmehr einen Menschen vor sich haben, der die Antworten glaubhaft vertritt. Jeder Lehrer kennt die plötzlich gestellte Frage: „Glauben Sie denn daran?“ Hier erwarten Kinder und Jugendliche eine persönliche Antwort, keine abstrakten Erläuterungen. Auch lässt es sich besser einen Dialog mit anderen Religionen führen, wenn die eigene Position gefunden ist.
Religion ist als einziges Fach im Grundgesetz verankert: „Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach,“ heißt es da unmissverständlich. Ferner ist geregelt, dass er in „Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft“ erteilt wird. Dies bedeutet, dass der Religionsunterricht nicht nur einfach eine neutrale Religionskunde ist, sondern die Dinge aus einer Perspektive betrachtet und wertet. Das Bundesverfassungsgericht hat darum festgestellt: „Der Religionsunterricht ist keine überkonfessionelle Betrachtung religiöser Lehren, nicht bloße Morallehre, Sittenunterricht, historisierende und relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte. Sein Gegenstand ist vielmehr der Bekenntnisinhalt, nämlich die Grundsätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln, ist seine Aufgabe. Dafür, wie dies zu geschehen hat, sind grundsätzlich die Vorstellungen der Kirchen über Inhalt und Ziel der Lehrveranstaltung maßgeblich.“
Das größte Problem des konfessionellen Religionsunterrichts ist nicht er selbst, sondern die (fehlende) Alternative. Welches Unterrichtsangebot gibt es für Kinder, die keiner oder einer anderen als der christlichen Religion angehören? Weder gibt es bisher einen flächendeckenden Ethikunterricht, noch gibt es einen islamischen Religionsunterricht für die muslimischen Schülerinnen und Schüler. Dabei wäre das vor allem in multikulturellen Städten wie Frankfurt besonders notwendig. Denn die religiöse Unterweisung im öffentlichen Raum ist der beste Schutz gegen Fundamentalismus, gleich welcher Religion. Der Religionsunterricht in der Schule kann verhindern, dass sich Religionsgemeinschaften in soziale Gettos zurückziehen und unbehelligt von allen kritischen Anfragen quasi eine sektenhafte Religiosität pflegen.
Die Studienleiterin des Religionspädagogischen Amtes in Frankfurt, Pfarrerin Karin Frindte-Baumann, setzt auf kontinuierliche Veränderung. „Der evangelische Religionsunterricht will sich in die Entwicklung der Schulen im Rahmen ihrer Eigenverantwortung einfügen.“ Derzeit unterrichten in Frankfurt 410 Lehrkräfte evangelische Religion – in allen Schulformen. Frindte-Baumann könnte sich vorstellen, dass neben dem reinen Unterricht die Schulseelsorge ausgebaut wird, dass es Schulgottesdienste oder interreligiöse Projekte gibt. Hessens Kultusministerin Karin Wolff stellt klar: „Eine Werteerziehung auf der Grundlage humanistischer und christlicher Tradition ist zentraler Bestandteil des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule.“ Auch die Hessische Verfassung schreibt den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach fest. Dennoch bleibt angesichts einer Bevölkerungsentwicklung, in der die Schülerinnen und Schüler mit christlichem Hintergrund eine Minderheit sind, die Diskussion um die Zukunft des Religionsunterrichts eine Herausforderung (siehe auch den Kommentar auf Seite 2).
Kurt-Helmuth Eimuth

Jauch und Co. sind für „Reli“
Altbundespräsident Johannes Rau, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, die TV-Moderatoren Günter Jauch und Sabine Christiansen sowie andere Prominente unterschrieben einen Aufruf der Berliner Kirchen und der Jüdischen Gemeinde für Wahlfreiheit zwischen dem Religionsunterricht und dem geplanten neuen Ethikfach. Insgesamt kamen seit April bereits 55000 Unterschriften zusammen. In der Diskussion um den „Werteunterricht“ verweist Bischof Wolfgang Huber auf die Aussage eines Schülers: „Der Staat verfügt nicht über Antworten auf die Frage, was gut ist. Es fällt ihm schon schwer genug, die Frage zu beantworten, was gerecht ist.“ Schärfer formuliert es Huber selbst: Kein Fach dürfe zum „Herrschaftsinstrument über Seelen und Köpfe von Schülern“ werden. Nach Plänen des Berliner Senats soll vom Schuljahr 2006/2007 an ein Pflichtfach „Ethikunterricht“ ohne Abwahlmöglichkeit eingeführt werden. Die Kirchen könnten dann zwar weiterhin Religionsunterricht als freiwilliges Angebot erteilen, fürchten aber ein deutlich nachlassendes Interesse. Derzeit nehmen rund 150000 Kinder und Jugendliche in Berlin am Religionsunterricht teil.
Kurt-Helmuth Eimuth

„Welche Werte will man unterrichten?“

In vielen Klassen sind evangelische Kinder die Minderheit, welche Berechtigung hat da noch ein evangelischer Religionsunterricht?

Religionsunterricht ist nicht nur dann legitim, wenn ein Kind getauft ist, sondern bei jüngeren Kindern auch, wenn die Eltern möchten, dass ihr Kind am evangelischen Unterricht teilnimmt, damit es die Tradition des christlichen Glaubens kennen lernt. Der Religionsunterricht ist in den Bildungsauftrag der Schule integriert. Die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben und dem Glauben anderer Religionen gehört ebenso wie die Erziehung zur Achtung anderer Religionen zur Aufgabe der Schule.

Regiert die Kirche hier nicht in unzeitgemäßer Form in die Schule hinein?

Nein, und das will sie auch gar nicht. Eher machen die Kirchen den Schulen ein Angebot, die religiöse Frage in den Bildungsauftrag hineinzuholen. Das ist auch gar nicht unzeitgemäß, weil sich ja in den letzten Jahren deutlich zeigt, dass Kinder und Jugendliche ein Interesse an religiösen Fragen haben. Dass in Hessen das Unterrichtsfach, in dem es um diese Fragen geht, in Übereinstimmung mit den Kirchen erteilt wird, ist historisch gewachsen und deshalb Teil unserer Gesellschaft und Kultur.

Was leistet der Religionsunterricht, das andere Fächer nicht leisten können?

Wie der Name schon sagt: Er unterrichtet über religiöse Bezüge. Das kann in anderen Fächern, wenn überhaupt, nur am Rande vorkommen. Religionslehrerinnen und -lehrer stehen den Kindern als Gesprächpartner zur Verfügung, die auch über ihren eigenen Glauben Auskunft geben können und wollen. Neben diesem auf ein Bekenntnis gestützten Unterricht braucht die Schule aber ein Alternativfach, zum Beispiel Ethik, das diejenigen Kinder besuchen, die vom Religionsunterricht abgemeldet sind, denn auch diese Kinder brauchen Orientierung und Hilfestellung für ihr Leben.

Könnte der Religionsunterricht nicht durch ein allgemeines Fach Werteerziehung, so wie in Berlin geplant, ersetzt werden?

Zwar ist Frankfurt eine multikulturelle Metropole wie Berlin oder Hamburg, aber es gibt Unterschiede. In Berlin gibt es keinen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach. Die dortige Debatte über den „Werteunterricht“ zeigt einerseits den Willen, alle Schülerinnen und Schüler, nicht nur die konfessionell gebundenen, in einem Fach zu unterrichten, das Orientierung über „Werte“ zum Inhalt hat. Andererseits fragt man sich aber, warum hier die Partnerschaft mit den Kirchen nicht gewollt ist. Die Inhalte eines solchen „Werteunterrichtes“ kann ich mir nur schwer vorstellen. Welche Werte sind gemeint? Was will man da unterrichten? Wie werden die Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet? Über die inhaltlichen Fragen hört man ja so gut wie nichts. In den Bundesländern, in denen der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach seit 1945 existiert, wäre ein Werteunterricht überhaupt keine Alternative. Interview: Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt: Juli/August 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 4