Archiv für 3. Juni 2019

Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Darauf haben nur die Religionen eine Antwort.

Die christlichen Kirchen in Deutschland verlieren Mitglieder. Bis zum Jahr 2060 wird sich ihre Zahl voraussichtlich halbieren, wie eine aktuelle Studie der Universität Freiburg ergeben hat. Für Frankfurt und Offenbach heißt das, dass in vierzig Jahren wohl weniger als ein Viertel der Bevölkerung der Kirche angehören wird.

er absehbare Rückgang der Kirchenmitglieder ist nur zum Teil mit der Demografie zu erklären, also damit, dass mehr Kirchenmitglieder sterben als geboren werden. Der Hauptgrund ist, dass sich viele aus der Generation um die Dreißig von der Kirche abwenden: Rund ein Drittel aller Getauften tritt bis zum Alter von 35 Jahren aus.

Der Mitgliederschwund der Kirchen vollzieht sich also im dritten und vierten Lebensjahrzehnt, in der sogenannten „Rushhour“ des Lebens. In der Zeit, in der Menschen ins Erwerbsleben eintreten, die ersten Kirchensteuern zahlen müssen, Familien gründen und Kinder bekommen.

Die heute um die Dreißigjährigen werden in zehn oder fünfzehn Jahren die Entscheidungsträger und -trägerinnen der Gesellschaft sein. Kann die Kirche ihnen dann noch vermitteln, warum ihre besondere Stellung nötig ist? Auf einem Plakat der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung ist eine junge Frau zu sehen, die in einer SMS schreibt: „Hallo Kirche, wir sind seit 100 Jahren getrennt, aber du liegst mir noch auf der Tasche. Es reicht!“ Die Deutsche Bahn lehnte das Anbringen des Plakats mit Verweis auf „fehlende Neutralität“ ab. Ob die Verantwortlichen in zwanzig Jahren noch so entscheiden würden, ist fraglich.

Die Kirchen steuern auf eine Legitimationskrise zu. Sie können ihr nur begegnen, wenn sie die 25- bis 40-Jährigen ansprechen. Kontakt zu dieser Altersgruppe haben sie, zum Beispiel in Kindergärten und Krabbelstuben, aber auch im Religionsunterricht. Dort erreichen sie noch alle Familien, dort sind sie noch Volkskirche.

Die Kirchen müssen ihr Anliegen und eine christliche Haltung aber auch vermitteln. Das bedeutet nicht Mission, sondern Kommunikation. So ist Respekt gegenüber allen Menschen sicher eine gute ethische Haltung, aber ihr Ursprung liegt darin, dass Gott alle Menschen geschaffen hat. Klimaschutz ist überlebensnotwendig, aber er begründet sich christlich in der Bewahrung der Schöpfung. Die Kirchen sind von der Überzeugung geprägt, dass der Mensch nicht zerstören darf, was Gott geschaffen hat. Das gilt im Umgang miteinander ebenso wie im Umgang mit der Umwelt. Man darf ruhig etwas von dem Geist Gottes im Alltag spüren. Denn nur die Religionen haben eine Antwort auf die Frage, woher der Mensch kommt und wohin er geht.

Ihrer Legitimationskrise können die Kirchen nur mit Offenheit und dem Hinweis auf ihr Fundament begegnen.

Kurt-Helmuth Eimuth, 3.6.2019

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In hundert Geschichten heiter durchs Jenseits

Fabian Vogt stellt hundert Beispiele vor, wie verschiedene Kulturen und Religionen sich das Leben nach dem Tod vorstellen.
Was kommt nach dem Tod? Der Schriftsteller und Theologe Fabian Vogt lädt ein zu einem Ritt durch die Jenseitsvorstellungen zahlreicher Kulturen und Religionen. „100 Dinge, die du nach dem Tod auf keinen Fall verpassen solltest“ heißt sein Buch; vielfältig, verblüffend, hoffnungsvoll und gelegentlich auch irritierend sind die darin beschriebenen Bilder.

Dazu gehören neben den bekannteren Vorstellungen der großen Religionen oder auch der Literatur (von Dante bis Tolkien) auch weithin unbekannte Mythen. So müssen in der buddhistischen Tradition Japans die Toten einen Fluss überqueren – die Guten dürfen über eine Brücke gehen, die nicht ganz so Guten benutzen eine Furt, und die „verkommenen Gestalten“ müssen schwimmen. Die nassen Kleider werden an einen Baum gehängt. Das Gewicht der nassen Kleider zeigt die Sündhaftigkeit der Seele an. „Je tiefer der Ast, desto verdorbener der Charakter.“

Die Azteken schicken die Seelen in drei Paradiese: Eines für diejenigen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, aber sich auch nicht angestrengt haben, das zweite für alle, die sich für das Gute engagiert haben, und das dritte für die, die ihr Leben lang nach Erleuchtung und Weisheit gesucht haben.

Auf je zwei Buchseiten beschreibt Fabian Vogt insgesamt 100 Jenseitsvorstellungen. Er sieht in ihnen vor allem eine Auseinandersetzung mit den Fragen des Diesseits. Ein religionswissenschaftlich anspruchsvolles Buch, das sich trotzdem leicht liest, weil es gelassen und heiter mit diesem schwierigen Thema umgeht.