Archiv für 7. Januar 2013

Der Vierte König

Andacht, 7.1.13

Lied: EG 66 1,5,8 Jesus ist kommen

Ich begrüße Sie ganz herzlich hier in der Heiliggeistkirche zur ersten Andacht im neuen

Jahr.

Votum:

Wir feiern unsere Andacht im Namen Gottes

der Quelle allen Lebens,

im Namen Jesu Christi,

Grund unserer Hoffnung,

und im Namen des Heiligen Geistes,

Spenderin von Trost und Kraft.

Amen

Psalm 8, Nr. 705

Lied: EG 69, 1-4, Der Morgenstern ist aufgedrungen

Ansprache:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

gestern, am 6. Januar feierte die westliche Christenheit das Fest der heiligen drei

Könige, welches man in der evangelischen Kirche auch Epiphanias nennt.

Im Neuen Testament wird im zweiten Kapitel des Matthäus-Evangeliums die Wanderung

der Könige oder auch der Weisen erwähnt, die dem aufgegangenen Stern zum Stall von

Bethlehem folgten, um dort das neu geborene Jesuskind anzubeten. Der Legende nach

sind sogar ihre Namen bekannt. Sie hießen Caspar, Melchior und Balthasar und einer soll dunkelhäutig gewesen sein.
In der evangelischen Kirche haben die drei Weisen eine etwas geringere Bedeutung. So ist beispielsweise in der biblischen Überlieferung die Anzahl der Männer nicht genannt. Die Zahl drei schloss man aus den drei Geschenken: Gold, Weihrauch und Myhrre. Auch die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar hat der Evangelist Matthäus nicht festgehalten.

Trotzdem fasziniert diese Überlieferung. Der russische Dichter Leo Tolstoi hat eine weitere Legende aufgeschrieben. In dieser Legende ist von einem vierten König die Rede.

Dieser König war ein besonders warmherziger und mitleidsvoller Mensch.

Dieser vierte König hatte drei wertvolle rote Edelsteine eingesteckt und mit den drei anderen Königen einen Treffpunkt vereinbart.

Doch sein Reittier lahmte unterwegs. Er kam nur langsam voran, und als er bei der hohen Palme eintraf, war er allein. Nur eine kurze Botschaft, in den Stamm des Baumes eingeritzt, sagte ihm, dass die anderen drei ihn in Betlehem erwarten würden. Der vierte König ritt weiter, ganz in seinen Wunschträumen versunken.

Plötzlich entdeckte er am Wegrand ein Kind, bitterlich weinend und aus mehreren Wunden blutend. Voll Mitleid nahm er das Kind auf sein Pferd und ritt in das Dorf zurück, durch das er zuletzt gekommen war. Er fand eine Frau, die das Kind in Pflege nahm. Aus seinem Gürtel nahm er einen Edelstein und vermachte ihn dem Kind, damit sein Leben gesichert sei. Doch dann ritt er weiter, seinen Freunden nach. Er fragte die Menschen nach dem Weg, denn den Stern hatte er verloren.

Eines Tages erblickte er den Stern wieder, eilte ihm nach und wurde von ihm durch eine Stadt geführt. Ein Leichenzug begegnete ihm. Hinter dem Sarg schritt eine verzweifelte Frau mit ihren Kindern. Der vierte König sah sofort, dass nicht allein die Trauer um den Toten diesen Schmerz hervorrief. Der Mann und Vater wurde zu

Grabe getragen. Die Familie war in Schulden geraten, und vom Grabe weg sollten die Frau und die Kinder als Sklaven verkauft werden. Der vierte König nahm den zweiten Edelstein aus seinem Gürtel, der eigentlich dem neugeborenen König zugedacht war. „Bezahlt, was ihr schuldig seid, kauft euch Haus und Hof und Land, damit ihr

eine Heimat habt!“

Er wendete sein Pferd und wollte dem Stern entgegenreiten – doch dieser war erloschen. Sehnsucht nach dem göttlichen Kind und tiefe Traurigkeit überfielen ihn. War er seiner Berufung untreu geworden? Würde er sein Ziel nie erreichen?

Eines Tages leuchtete ihm sein Stern wieder auf und führte ihn durch ein fremdes Land, in dem Krieg wütete. In einem Dorf hatten Soldaten die Bauern zusammengetrieben, um sie grausam zu töten. Die Frauen schrien und Kinder wimmerten.

Grauen packte ihn, Zweifel stiegen in ihm auf. Er besaß nur noch einen Edelstein – sollte er denn mit leeren Händen vor dem König der Menschen

erscheinen? Doch dies Elend war so groß, dass er nicht lange zögerte, mit zitternden Händen seinen letzten Edelstein hervorholte und damit die Männer vor dem Tode und das Dorf vor der Verwüstung loskaufte. Müde und traurig ritt der vierte König weiter. Sein Stern leuchtete nicht mehr.

Jahrelang wanderte er. Zuletzt zu Fuß, da er auch sein Pferd verschenkt hatte. Schließlich bettelte er, half hier einem Schwachen, pflegte dort Kranke; keine Not blieb ihm fremd. Und eines Tages kam er am Hafen einer großen Stadt gerade dazu, als ein Vater seiner Familie entrissen und auf ein Sträflingsschiff, eine Galeere, verschleppt werden sollte. Der vierte König flehte um den armen Menschen und bot sich dann selbst an, anstelle des Unglücklichen als Galeerensklave zu arbeiten.

Sein Stolz bäumte sich auf, als er in Ketten gelegt wurde. Jahre vergingen. Er vergaß,

sie zu zählen. Grau war sein Haar, müde sein zerschundener Körper geworden. Doch irgendwann leuchtete sein Stern wieder auf. Und was er nie zu hoffen gewagt hatte, geschah. Man schenkte ihm die Freiheit wieder; an der Küste eines fremden Landes wurde er an Land gelassen.

In dieser Nacht träumte er von seinem Stern, träumte von seiner Jugend, als er aufgebrochen war, um den König aller Menschen zu finden. Eine Stimme rief ihn: „Eile, eile!“ Sofort brach er auf, er kam an die Tore einer großen Stadt. Aufgeregte Gruppen von Menschen zogen ihn mit, hinaus vor die Mauern. Angst schnürte ihm die Brust zusammen. Einen Hügel schritt er hinauf, Oben ragten drei Kreuze.

Der Stern, der ihn einst zu dem Kind führen sollte, blieb über dem Kreuz in der Mitte stehen, leuchtete noch einmal auf und war dann erloschen. Ein Blitzstrahl warf den müden Greis zu Boden. „So muss ich also sterben“, flüsterte er in jäher

Todesangst, „sterben, ohne dich gesehen zu haben? So bin ich umsonst durch die Städte und Dörfer gewandert wie ein Pilger, um dich zu finden, Herr?“ Seine Augen schlossen sich. Die Sinne schwanden ihm. Da aber traf ihn der Blick des Menschen am Kreuz, ein unsagbarer Blick der Liebe und Güte. Vom Kreuz herab sprach die Stimme: „Du hast mich getröstet, als ich jammerte, und gerettet, als ich in Lebensgefahr war; du hast mich gekleidet, als ich nackt war!“

Und der Sterbende am Kreuz schaute gerade auf ihn herab – mit gütigem Blick. Da kniete der vierte König nieder und sagte: „Herr endlich bin ich da, meine Hände sind leer, aber mein Herz ist reich.“ – „Ich weiß“ sprach der Herr am Kreuz; „doch

alles, was du an den Geringsten unter den Menschen getan hast, das hast du für mich getan.“ Da faltete der vierte König die Hände. Drei Blutstropfen des sterbenden Jesus fielen in diese gefalteten Hände. Dann neigte Jesus das Haupt und starb.

Als der vierte König seine Hände wieder aufmachte, da waren die Blutstropfen

verschwunden, sie waren zu drei herrlichen roten Edelsteinen geworden.

Eine schöne russische Legende.

Ich wünsche uns für das neue Jahr, dass wir die Kraft haben, um zum Edelstein für andere werden zu können aber auch dass wir selbst solche Edelsteine empfangen.

Lied: EG 56, 1-4 Weil Gott in tiefster Nacht erschienen

Mitteilungen:

Geburtstage

In der letzten Woche haben viele von uns unseren Kollegen Gerald Hintze auf seinem letzten Weg begleitet. Die Jahreslosung erinnert uns an die Endlichkeit unseres irdischen Seins. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Gott, der du Hüter

über Leben und Tod bist,

wir bitten dich,

sei du bei denen, die um Gerald Hintze trauern.

Tröste die Hinterbliebenen.

Lass sie Kraft gewinnen

aus dem Glauben,

dass auch der Tod uns

durch deine Liebe

nicht trennen kann.

Amen.

Gebet:

Gott, du Licht der Welt

lass deinen Stern auch in unserem Leben aufgehen,

damit wir erfahren, dass unsere Suche keine Irrfahrt ist,

sondern ein Heimweg zu dir.

Zeige uns auch in diesem neuen Jahr,

wo wir dich finden können, wo du uns nahe kommst.

Lass dein Licht in unser Leben scheinen,

damit wir uns selbst annehmen können, so wie wir sind

und dann auch unsere Mitmenschen.

So bitten wir dich auch für das, was uns am Herzen liegt:

für das, was uns in diesen Tagen beschäftigt hat,

für die Menschen, die uns nahe stehen

und auch für die, mit denen wir es nicht leicht haben.

Gott, hilf uns, dich in unseren Schwestern

und Brüdern wiederzuerkennen.

Lass uns achtgeben auf Menschen, die unsere Hilfe brauchen.

Wir bitten dich für diejenigen,

die Dunkelheit in ihrem Leben erfahren,

für die Einsamen und Kranken,

für die Enttäuschten und Verbitterten,

für alle, die sich selbst im Wege stehen

und ihre Hoffnungen begraben haben:

schenke ihnen neue Zuversicht.

Gott, dein Licht will sich ausbreiten.

Lass es auch unter uns hell werden.

Und was uns noch bewegt, bringen wir vor dich mit den Worten, die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Frieden

unseres Gottes:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig.

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und

gebe dir Frieden. Amen.

Lied: EG 56, 5 Weil Gott in tiefster Nacht erschienen