Tag Archiv für Populismus

Demokratie braucht eine sachliche Streitkultur

Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf war von Niveaulosigkeit in politischen Debatten geprägt. Doch Demokratie braucht faires Streiten.

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Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Niveauloser als der Präsidentschaftswahlkampf in den USA kann eine politische Auseinandersetzung wohl kaum werden. Und das ist ein Problem, denn: Demokratie braucht Streit. Nur in der Auseinandersetzung mit anderen Ansichten entsteht ein Ringen um die beste Lösung. Ohne Streit gibt es keine echte Entwicklung, keine Innovation.

Dass man inhaltliche Unterschiede bei den etablierten Parteien kaum noch erkennen kann, ist eine Ursache für Populismus. Und das liegt auch daran, dass nicht mehr gestritten wird. Oder gibt es tatsächlich keine Unterschiede? Mag sein, dass komplexe Sachverhalte sich nicht so gut zum öffentlichen Disput eignen. Aber das Wahlvolk einfach von der Diskussion über die verschiedenen Lösungsoptionen auszuschließen, die es bei einem bestimmten Thema gibt, ist auch kein Weg. Denn genau auf diese Weise fördert man den Zulauf zu populistischen Bewegungen.

Politiker wie der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt haben es ja auch geschafft, der Bevölkerung zum Beispiel die Mechanismen und Auswirkungen des internationalen Währungsgefüges zu erklären. Das Wort „floating“ (für das freie Schwanken der Wechselkurse) fand sogar Eingang in den Duden.

Zu Zeiten von Strauß, Wehner und Schmidt wurde im Bundestag jedenfalls noch heftig gestritten. Nicht ohne Grund bezeichnete man ihre Debatten auch als „Redeschlachten“. Sie haben sich nicht mit Samthandschuhen angefasst, denn engagiertes Streiten braucht Gefühl und Emotionalität. Aber im Großen wie im Kleinen gilt: Streit muss sachlich bleiben und darf nicht persönlich verletzend sein.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 24. November 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2016/6 – Dezember.

Die enthemmte Mitte und ihr Populismus

Viele Menschen in Deutschland sind angesichts rascher Veränderungen verunsichert – das ist idealer Nährboden für Populismus. Deshalb müssen alle gesellschaftlichen Gruppen daran arbeiten, eine positive Zukunftsperspektive zu entwickeln. Eine Debatte darüber, wie unsere Gesellschaft in ein, zwei Generationen aussehen soll, ist überfällig.

Die enthemmte Mitte und ihr Populismus

Viele Menschen in Deutschland sind angesichts rascher Veränderungen verunsichert – das ist idealer Nährboden für Populismus. Deshalb müssen alle gesellschaftlichen Gruppen daran arbeiten, eine positive Zukunftsperspektive zu entwickeln. Eine Debatte darüber, wie unsere Gesellschaft in ein, zwei Generationen aussehen soll, ist überfällig.

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von Evangelisches Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Jeder Zehnte in Deutschland wünscht sich einen Führer, der das Land zum Wohle aller mit starker Hand regiert. Elf Prozent glauben, dass „Juden“ zu viel Einfluss haben. Zwölf Prozent sind der Ansicht, Deutsche seien anderen Völkern von Natur aus überlegen. Und ein Drittel hält das Land für „gefährlich überfremdet“.

Diese Zahlen aus der Studie „Die enthemmte Mitte“ der Universität Leipzig zeigen: Extremistisches Gedankengut findet sich nicht nur am Rand der Gesellschaft, sondern ist längst in ihrer Mitte angekommen. Der Hass auf bestimmte Menschengruppen wie Asylsuchende ist gestiegen und wird öfter und offener gezeigt. Dabei geht es nicht um rational nachzuvollziehende Argumente. Ausschlaggebend für extremistische Positionen sind Gefühle, und vor allem die gefühlte eigene Benachteiligung.

Die Menschen haben in den letzten zwei Jahrzehnten sehr wohl gespürt, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. Die Reichen wurden immer reicher, während der Reallohn sank. Die Bildungschancen von Kindern sind wieder eng an den sozialen Status der Eltern gekoppelt. Alle Lebensbereiche werden nur noch unter ökonomischen Aspekten betrachtet, vom Gesundheitswesen bis zur Alterssicherung. Es gibt keinen öffentlichen Diskurs darüber, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen soll. Wie viel Solidarität wollen wir uns als Wertegemeinschaft mit Kranken, Arbeitslosen, Rentnerinnen und Rentern oder Flüchtlingen leisten?

Aus dem Gefühl der Verunsicherung heraus greifen Menschen nach einfachen Antworten, seien sie auch rational betrachtet falsch und sinnlos. In anderen Ländern ist dieser Prozess ebenfalls zu beobachten. Die Brexit-Bewegung in England lebte genau von diesem Gefühl, benachteiligt zu werden. Gegen Gefühle helfen keine Argumente. Vielmehr muss man versuchen, diesen Menschen zu vermitteln, dass sie dazugehören. Man muss sie als Person annehmen und doch ihre Position ablehnen. Wer die AfD, wie kürzlich beim Katholikentag geschehen, kategorisch auslädt, festigt nur ihr Weltbild.

Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen daran arbeiten, angesichts der Verunsicherung eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Eine Debatte darüber, wie unsere Gesellschaft in ein, zwei Generationen aussehen soll, ist überfällig. Das ist Aufgabe von Parteien, aber auch von Gewerkschaften, Kirchen und Medien. Visionen sind dabei ebenso notwendig wie pragmatische Politik.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 14. Juli 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2016/4 – Juli, Web.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von Evangelisches Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Jeder Zehnte in Deutschland wünscht sich einen Führer, der das Land zum Wohle aller mit starker Hand regiert. Elf Prozent glauben, dass „Juden“ zu viel Einfluss haben. Zwölf Prozent sind der Ansicht, Deutsche seien anderen Völkern von Natur aus überlegen. Und ein Drittel hält das Land für „gefährlich überfremdet“.

Diese Zahlen aus der Studie „Die enthemmte Mitte“ der Universität Leipzig zeigen: Extremistisches Gedankengut findet sich nicht nur am Rand der Gesellschaft, sondern ist längst in ihrer Mitte angekommen. Der Hass auf bestimmte Menschengruppen wie Asylsuchende ist gestiegen und wird öfter und offener gezeigt. Dabei geht es nicht um rational nachzuvollziehende Argumente. Ausschlaggebend für extremistische Positionen sind Gefühle, und vor allem die gefühlte eigene Benachteiligung.

Die Menschen haben in den letzten zwei Jahrzehnten sehr wohl gespürt, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. Die Reichen wurden immer reicher, während der Reallohn sank. Die Bildungschancen von Kindern sind wieder eng an den sozialen Status der Eltern gekoppelt. Alle Lebensbereiche werden nur noch unter ökonomischen Aspekten betrachtet, vom Gesundheitswesen bis zur Alterssicherung. Es gibt keinen öffentlichen Diskurs darüber, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen soll. Wie viel Solidarität wollen wir uns als Wertegemeinschaft mit Kranken, Arbeitslosen, Rentnerinnen und Rentern oder Flüchtlingen leisten?

Aus dem Gefühl der Verunsicherung heraus greifen Menschen nach einfachen Antworten, seien sie auch rational betrachtet falsch und sinnlos. In anderen Ländern ist dieser Prozess ebenfalls zu beobachten. Die Brexit-Bewegung in England lebte genau von diesem Gefühl, benachteiligt zu werden. Gegen Gefühle helfen keine Argumente. Vielmehr muss man versuchen, diesen Menschen zu vermitteln, dass sie dazugehören. Man muss sie als Person annehmen und doch ihre Position ablehnen. Wer die AfD, wie kürzlich beim Katholikentag geschehen, kategorisch auslädt, festigt nur ihr Weltbild.

Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen daran arbeiten, angesichts der Verunsicherung eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Eine Debatte darüber, wie unsere Gesellschaft in ein, zwei Generationen aussehen soll, ist überfällig. Das ist Aufgabe von Parteien, aber auch von Gewerkschaften, Kirchen und Medien. Visionen sind dabei ebenso notwendig wie pragmatische Politik.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 14. Juli 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2016/4 – Juli, Web.