Tag Archiv für Matthäuskirche

Die Kirche als Plattform für offenen Meinungsaustausch

von Kurt-Helmuth Eimuth 19. September 2018

Die Kirche muss sich neuen Gegebenheiten anpassen. Sie ist zu einer Kirche in der Minderheit geworden. Organisatorisch und strategisch muss sie sich neu aufstellen. Wie das gelingen kann und welche Energie dabei entfaltet werden kann, zeigen beispielhaft drei Projekte in Frankfurt.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Der Abgesang scheint allgegenwärtig: Der Kirche laufen die Mitglieder weg, es fehle an Geld, zudem drohe bald ein Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern. Der Bedeutungsverlust der Kirchen sei unaufhaltsam, sowohl der evangelischen als auch der katholischen.

Unbestritten: Die Kirche muss sich neuen Gegebenheiten anpassen. Sie ist zu einer Kirche in der Minderheit geworden. Organisatorisch und strategisch muss sie sich neu aufstellen. Wie das gelingen kann und welche Energie dabei entfaltet werden kann, zeigen beispielhaft drei Projekte in Frankfurt:

Die Evangelische Akademie, direkt am Römerberg in umgebauten Räumen gut untergebracht, pflegt den Dialog mit sonst der Kirche eher fernstehenden Zielgruppen. Sie ist ein Forum für den Austausch zu Themen wie Flüchtlingspolitik oder Ethik in der Medizin, aber auch Plattform für unterschiedliche Akteurinnen und Akteure.

Am Standort der Matthäuskirche, zwischen Hauptbahnhof und Messe gelegen, soll bald ebenfalls ein Ort für gesellschaftliche Auseinandersetzungen und neue Formen des Planens, der Kooperation und der Bürgerbeteiligung entstehen, die „Neue Matthäuskirche“. Wie Stadtdekan Achim Knecht sagte: „Der Turm der Matthäuskirche ist ein Symbol für die kritische Kraft des Evangeliums gegenüber den Kräften, die sonst in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik bestimmend sind.“

Und als drittes Projekt ist da das neue Gemeindehaus der Paulsgemeinde und der indonesischen Kristusgemeinde, mitten in der Neuen Altstadt, im Haus „Klein Nürnberg“. Es wird wohl noch bis nächstes Jahr dauern, bis der Innenausbau fertiggestellt ist. Doch auch an diesem Standort eröffnen sich neue Möglichkeiten des Kontaktes.

Die evangelische Kirche in Frankfurt nutzt also ihre Chance, den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu führen. Da sie im politischen Diskurs keine eigenen parteipolitischen Interessen hat, können dort wirklich ergebnisoffen Meinungen ausgetauscht werden. Das stärkt die Demokratie, gerade in polarisierenden Zeiten wie diesen.

Abschied von der Matthäuskirche

Evangelisches Frankfurt März 2008

Kommentar:
Abschied von der Matthäuskirche

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Die Frankfurter Matthäuskirche, zwischen Hauptbahnhof und Messe gelegen, ist inzwischen bundesweit bekannt. Der Kampf einer Gemeinde gegen den Verkauf und möglichen Abriss „ihrer“ Kirche stieß in der Öffentlichkeit auf viel Sympathie. Auf der einen Seite die kleine Gemeinde, auf der anderen die nur auf den schnöden Mammon schauende Institution Kirche – ist das nicht wie der Kampf von David gegen Goliath?

Dieses Klischee wird gerne bedient, auch von Mitgliedern des Kirchenvorstandes. Von Frankfurter Zeitungen begleitet wurde kürzlich unter Tränen das Anti-Verkaufs-Banner von der Mauer des Gotteshauses entfernt. Merkwürdig ist nur: Derselbe Kirchenvorstand hatte doch dem ausgehandelten Kompromiss zugestimmt. Danach soll die Matthäuskirche auch nach einem Verkauf weitgehend erhalten bleiben, die Gemeinde bekommt eine neue Kindertagesstätte und einen Versammlungsraum. Hinter der Kirche kann ein Investor dafür einen 150 Meter hohen Büroturm bauen.

Klar ist, dass die evangelische Kirche in Frankfurt, deren Mitgliederzahl sich in den letzten drei Jahrzehnten halbiert hat, Räumlichkeiten aufgeben muss, wenn die Bauunterhaltungskosten in einem verantwortbaren Rahmen bleiben sollen. Klar ist auch, dass der Verkaufserlös der Matthäuskirche, die auf einem der teuersten Grundstücke der Stadt steht, langfristig ganz wesentlich zur Erhaltung anderer Frankfurter Kirchen beitragen wird. Der Verkaufserlös wird in eine Stiftung fließen, die genau diese Aufgabe hat. Ein anderer Teil des Geldes wird dauerhaft die sozial-diakonische Arbeit der Kirche sichern.

Diese Pläne sind ohne Zweifel vernünftig. Doch an solchen Auseinandersetzungen zeigt sich, dass nicht nur die Vernunft, sondern auch Gefühle eine Rolle spielen, gerade in der Religion. Eine Kirche ist eben etwas Besonderes, auch wenn die protestantische Theologie eigentlich keine „heiligen Orte“ kennt. An Kirchen hängen Erinnerungen, zum Beispiel an Taufen, Konfirmationen und Hochzeiten. Wenn nun das Abschiednehmen von der Matthäuskirche schmerzlich verläuft, ist das also ein verständlicher Trauerprozess.

Aber aus Abschieden kann auch etwas Neues entstehen, wie die schönen neuen Gemeindezentren an der Jakobskirche in Bockenheim, der Emmauskirche in Eschersheim oder der Lutherkirche im Nordend beweisen. Auch die Hoffnungsgemeinde hat nun die Chance, die Zukunft zu gestalten. Es ist zu wünschen, dass sie sie ergreift.

Kurt-Helmuth Eimuth

Leserbriefe

  1. Datum
    Mai 2008
    Autor
    Rolf Klinkler

    Als Mitglied der Regionalversammlung hat mir der Kommentar über die Matthäuskirche ganz besonders gut gefallen, stecken wir doch mit unserem Gemeindehaus Blauländchenstraße in Zeilsheim in einer ähnlichen Situation.

Reklame an Kirche umstritten

Evangelisches Frankfurt November 2007

Zur Automobilausstellung prangte ein Plakat an der Matthäuskirche

Ein koreanischer Automobilkonzern warb zur Internationalen Automobilausstellung mit einem Großplakat an der Kirchenmauer der Matthäuskirche. Dabei versteht sich diese Kirche, zwischen Hauptbahnhof und Messe gelegen, eigentlich als Gegenpol zu den sie umgebenden Banken-Symbolen von Macht und Geld.

Es war nicht die erste Werbung an einer Kirche in Frankfurt. Den Dom, dessen Turm während der Renovierung dick eingerüstet und in Baustellenfolie verpackt war, zierte seinerzeit ebenfalls weithin sichtbar eine Autowerbung. Da wie dort ging es ums Geld: Die Stadt, die als Eigentümerin für die Dom-Werbung verantwortlich war, mochte auf die finanzielle Unterstützung ebenso wenig verzichten wie nun die Hoffnungsgemeinde. Von den Werbeeinnahmen an der Kirche, immerhin 10000 Euro für zwei Wochen, solle der Küster bezahlt werden, so Pfarrer Johannes Herrmann, der auch Vorsitzender des Kirchenvorstandes ist. Und fügt mit Blick auf seinen Etat hinzu: „Uns steht das Wasser bis zum Hals.“

Umstritten: Plakatwerbung an der Matthäuskirche. | Foto: Rolf Oeser

Umstritten: Plakatwerbung an der Matthäuskirche.
Foto: Rolf Oeser

Die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, Pfarrerin Esther Gebhardt, hat allerdings große Bedenken, eine Kirche als Plakat- und Werbefläche zu nutzen: „Schließlich ist eine Kirche ein Ort der Gottesbegegnung und keine Litfass-Säule.“

Ein öffentliches Bekenntnis legte die Hoffnungsgemeinde trotz aller Werbefreundlichkeit ab, Greenpeace durfte ganz ohne finanzielle Gegenleistung ein Plakat am Kirchengemäuer aufhängen, etwas höher und kleiner. „IAA – Klimaschweine“ war da zu lesen. Nicht gerade feine Sprache, aber für Johannes Herrmann inhaltlich korrekt: „Jeder Mensch, der die Umwelt unnötig verpestet, ist ein Umweltschwein“, bekräftigt der Pfarrer. Dem werbenden Automobilkonzern gegenüber habe man kein schlechtes Gewissen: „Die wussten das,“ so Herrmann.

Mit dem Ende der IAA ist das Thema Werbung an der Matthäuskirche keineswegs abgeschlossen. Es gibt nämlich bereits eine weitere Anfrage für ein Großplakat, das ein Jahr lang die Matthäuskirche zieren könnte – die erwarteten Einnahmen lägen im sechsstelligen Bereich. Der Kirchenvorstand wird demnächst entscheiden.

Kurt-Helmuth Eimuth