Tag Archiv für Konsum

Warenwelt voller Widersprüche: Ist ethisch shoppen möglich?

von Kurt-Helmuth Eimuth 28. November 2011

Alle wollen sie: die Waren, die möglichst die Umwelt schonen, die bei hohen sozialen Standards hergestellt wurden und aus der Region stammen. Natürlich sollte auch der Preis nicht so hoch sein. Ethisch shoppen – geht das?

Foto: unsplash.com (Becca Mchaffie)
Foto: unsplash.com (Becca Mchaffie)

Der Umsatz aus fair gehandelten Lebensmitteln ist in den letzten Jahren auf geschätzte 340 Millionen Euro rasant angestiegen. Gut so. Zum Vergleich: Der Umsatz von Aldi beträgt 41 Milliarden. Als Fairer Handel (englisch „Fair Trade“) wird ein kontrollierter Handel bezeichnet, bei dem die Erzeugerpreise für die gehandelten Produkte über dem jeweiligen Weltmarktpreis angesetzt werden. Damit will man den Produzenten ein höheres und verlässlicheres Einkommen ermöglichen. Außerdem sollen in der Produktion internationale Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Die Waren stammen meist aus den so genannten Entwicklungsländern. Selbst im Tourismus hat sich die Fair-Trade-Bewegung durchgesetzt. „Faires Reisen“ heißt hier der neue Trend.

Auch beim Absatz von Bio-Produkten ist die Nachfrage steigend. Lebensmittelskandale – ob Gammelfleisch oder Dioxin in Eiern – haben viele zum Umdenken veranlasst. Doch der Marktanteil beträgt lediglich 3,4 Prozent, die Pro–Kopf–Ausgabe nur 71 Euro im Jahr. Immerhin sind inzwischen Bio–Regale auch in ganz normalen Supermärkten zu finden. Allerdings hat in einer globalisierten Welt auch Bio eine Kehrseite: Jedes zweite verkaufte Bio–Gemüse ist eine Möhre. Und die kommen auch aus Italien, Portugal, Spanien und Israel. Bio–Zwiebeln können schon mal aus Argentinien stammen. „Gesund“ und „aus der Region“ sind zwei Kriterien, die nicht immer leicht zu vereinbaren sind. Oder: Wer keinen Atomstrom verbrauchen will, kann zu anderen Anbietern wechseln. Doch ist es nicht automatisch ausgeschlossen, dass der Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken stammt.

Der Verbraucher, die Verbraucherin ist sicher souverän in der eigenen Kaufentscheidung. Aber es ist eben nicht einfach, sich zu orientieren. Im Alltag ist der Anspruch, „ethisch“ einzukaufen oft eine Überforderung.

So wundert es auch nicht, was wissenschaftliche Studien zum Kaufverhalten sagen: Ein beträchtlicher Teil unserer Einkäufe sind Routine, die sich nur begrenzt beeinflussen lässt. Das Gute daran: Offenbar ist die manipulative Kraft der Werbung nicht so stark. Allerdings bedeutet das auch, dass sich das Konsumverhalten über Informationen nur begrenzt verändern lässt.

Es ist oft mühevoll, sich die für die Kaufentscheidung notwendigen Informationen zu beschaffen. Eingeführte Labels, aber auch Internetplattformen können da helfen. Auf www.nachhaltigkeitsrat.de findet man einen Ratgeber für nachhaltiges Einkaufen. Fair gehandelte Produkte stehen auf www.fairtrade-deutschland.de, und www.oeko.de informiert über nachhaltigen Konsum. Interessante Informationen gibt es auch unter www.lebensmittelklarheit.de, der Seite der Verbraucherzentrale.

„Konsum hat religiöse Züge“

Evangelisches Frankfurt September  2008

„Konsum hat religiöse Züge“
Stadtkirchenpfarrer: Shopping-Kultur fordert die Kirche heraus

Anders als die Mehrheit der christlichen Kirchen, die bundesweit für das Verbot der Sonntagsöffnung streiten, sieht der Pfarrer für Stadtkirchenarbeit an der Frankfurter Katharinenkirche, Werner Schneider-Quindeau, eine zunehmende Öffnung der Geschäfte am Sonntag gelassen. „Natürlich soll der Mensch sonntags nicht arbeiten“, so Schneider-Quindeau im Gespräch mit „Evangelisches Frankfurt“, „aber viele Menschen verstehen Shopping als Freizeitgestaltung.“ Darauf müsse die Kirche eine zeitgemäße Antwort geben. Shoppen sei immerhin oft ein Gemeinschaftserlebnis, so ähnlich wie Essengehen oder Theaterbesuche.

Dank für die Früchte des Feldes: In vielen Gemeinden spielen am Erntedankfest Lebensmittel eine wichtige Rolle im Gottesdienst, wie hier in der Emmauskirche in Eschersheim. | Foto: Rolf Oeser

Dank für die Früchte des Feldes: In vielen Gemeinden spielen am Erntedankfest Lebensmittel eine wichtige Rolle im Gottesdienst, wie hier in der Emmauskirche in Eschersheim.
Foto: Rolf Oeser

Im Vorfeld des Erntedankfestes, das die christlichen Kirchen jedes Jahr Anfang Oktober feiern, plädiert Schneider-Quindeau dafür, das Fest aus seiner Betulichkeit herauszureißen. Häufig werde Erntedank gefeiert, „ohne dabei daran zu denken, wie unsere Waren produziert werden, das ist eine Riesenindustrie“, so Schneider-Quindeau. Man dürfe auch nicht bei der Kritik an der industriellen Produktion der Lebensmittel stehen bleiben. „Mich interessiert als Nachbar der Zeil, was Konsum heute bedeutet.“ Der Konsum habe geradezu „religiöse Züge“, denn es gehe beim Shoppen um eine „eigene Art der Selbstinszenierung“, so Schneider-Quindeau. Die Konsumgesellschaft verfolge ein Identitätskonzept, das den Einzelnen durch Konsum in den Mittelpunkt stelle. Und schließlich würden ja nicht Waren, sondern Lebensgefühle verkauft.

Wer „ein anderes Erntedankfest“ erleben möchte, ist am Mittwoch, dem 1. Oktober, um 18 Uhr in die Katharinenkirche an der Hauptwache eingeladen. Das Motto der Veranstaltung mit Pfarrer Werner Schneider-Quindeau lautet: „Der Konsum und seine Grenzen“.

Kurt-Helmuth Eimuth