Tag Archiv für Kindesmissbrauch

Kindesmissbrauch: Wider dem Verlangen

Sexualisierte Gewalt gibt es leider in allen Institutionen und quer durch alle Gesellschaftsschichten. Schmerzlich muss sich nach der jüngsten Studie die evangelische Kirche damit intensiv beschäftigen. Doch zum Schutz der Kinder müssen nicht nur dringend Strukturen in den Organisationen, etwa der Kirche, verändert werden. Auch am anderen Ende muss man dem Phänomen ins Auge sehen. Etwa ein Prozent der Männer – so die Schätzung – haben pädophile oder hebephile Neigungen. Sie fühlen sich von Kindern im vorpubertären oder frühpubertären Alter angezogen. Eine Neigung, deren Ursachen nicht eindeutig geklärt ist. Im Podcast Conny&Kurt erklärt die Psychologin Nora-Frederike Hoffmann, dass diese Neigung „biopsychosoziale Komponenten“ enthalte, also ein Anteil eben auch angeboren sei. Hoffmann und ihr Kollege Leif Trampenau bieten ein (psychotherapeutisch/psychiatrisches) Behandlungsangebot für Männer und Frauen, Erwachsene (und Jugendliche), die therapeutische Hilfe suchen, weil sie sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Die Arbeit der Mitglieder des Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“ wird im Rahmen eines Modellvorhabens nach §65d SGB V durch den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) gefördert. Hier können sich Männer hinwenden, die sich eben von den Kindern angezogen fühlen und dieses Verlangen in den Griff bekommen wollen. Die Beratungsstelle kann dabei helfen. Derzeit sind 30 Männer dort in Behandlung, Gleichwohl schätzt man, dass alleine in Schleswig-Holstein 10.000 Männer mit diesem Verlangen leben.

Systematischer Kindesmissbrauch in Sekten

von truk – 18. Mai 2014

Erst nach zwei oder drei Jahrzehnten können Ehemalige über das Ausmaß des Kindesmissbrauchs in Sekten sprechen.

Kurt-Helmuth Eimuth fordert Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen auf, sich dem Problem der Sekten zu stellen. Foto: Rolf Oeser

Das Beispiel der Aktionsanalytischen Organisation (AAO) zeigt, dass die Gesellschaft auch bei Psychogruppen und Sekten ihren Schutzauftrag gegenüber den Kindern nachkommen muss. Soziale Berufe sollten sich mit Mechanismen und Techniken von Psychogruppen und Sekten beschäftigen, „damit sie Anzeichen von Kindeswohlgefährdung erkennen können“.

Dies forderte der Sektenexperte Kurt-Helmuth Eimuth vor Mitgliedern der Sekteninformation und Selbesthilfe Hessen (Sinus) am Samstag, 17. Mai, in Frankfurt. Die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit ende dort, wo dass Recht des Kindes auf körperliche und psychische Unversehrtheit verletzt werde. Eimuth hatte den systematischen Kindesmissbrauch in der AAO des ehemaligen Aktionskünstlers Otto Mühl in aufgezeigt.

In den letzten Jahren seien mehrere Biografien und Dokumentationen von Mitgliedern der zweiten Generation entstanden, also Kindern, die in Sekten wie die Kinder Gottes oder der Bhagwan-Bewegung aufgewachsen sind. Alle zeigten auf eindrucksvolle Art und Weise den systematischen Kindesmissbrauch in den jeweiligen Orgainsationen. Erst jetzt nach zwanzig oder dreißig Jahren könnten die Betroffenen darüber reden.

Doch anders als in Kirche oder der Odenwaldschule sei in der AAO der Kindesmissbrauch Teil der Ideologie gewesen. „Es war nicht die Verfehlung eines Einzelnen, die womöglich unter den Teppich gekehrt wurde, sondern es gehörte zum allseits akzeptieren Gruppenleben“, so Eimuth. Es war in den Augen der Mitglieder, auch der Eltern, die Erfüllung vom Meister „in die Sexualität eingeführt“ zu werden. Und wenn sich junge Mädchen mit 14 Jahren ihrer Vergewaltigung widersetzten, als sie dem Meister zugeführt werden sollten, so setzten die Gruppenmitglieder dieses Mädchen unter massiven Druck. Die AAO war für Eimuth „eine kriminelle Vereinigung, die systematischen Kindesmissbrauch betrieb“. Aber auch die anderen Formen der sogenannten Erziehung seien bei den Betroffenen nicht spurlos vorbeigegangen. Der ständige Kunkurrenzkampf um ein gutes Ranking, die ständige Verunsicherung, die vermisste soziale Geborgenheit, die fehlende Sicherheit habe die Kinderseelen verletzt.

Wie der Vorsitzende von Sinus, Conny von Schumann, der Versammlung berichtete, würden aus Deutschland heraus Sekten auch in andere europäische Länder expandieren. Dies gelte nach den Beobachtungen der europäischen Anti-Sekteninitiativen vor allem für das Universelle Leben um die selbsternannte Würzburger Prophetin Gabriele Wittek.

Beitrag von truk, veröffentlicht am 18. Mai 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe Web.