Tag Archiv für Katholische Kirche

Vatikankonferenz zu sexualisierter Gewalt: Chance leider vertan

von Kurt-Helmuth Eimuth 25. Februar 2019

Die Krise der katholischen Kirche kann evangelischen Christinnen und Christen nicht gleichgültig sein. Es geht hier nämlich nicht nur um die Glaubwürdigkeit einer Institution, sondern auch um die Glaubwürdigkeit christlicher Lebensentwürfe. Leider wurde die Chance, an die Wurzeln des Übels zu gehen, wieder vertan.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Missbrauchsdebatte in der katholischen Kirche fand jetzt auf allerhöchster Ebene statt. Papst Franziskus hatte zur Anti-Missbrauchskonferenz nach Rom geladen. Herausgekommen ist eine Sensibilisierung für die Leiden der Betroffenen. In der etwas blumigen Sprache der Kirche klingt das so: „Das Echo des stillen Schreis der Kleinen, die in ihnen statt Vätern und geistlichen Führern Menschenschinder gefunden haben, wird die durch Scheinheiligkeit und Macht betäubten Herzen erzittern lassen. Wir haben die Pflicht, diesem erstickten stillen Schrei aufmerksam zuzuhören.“

Priester und Bischöfe seien zu „Menschenschindern“ geworden. Scharfe Worte des Papstes. Doch was folgt daraus? Die Kirche werde alle Delikte des sexuellen Missbrauchs an die Justiz weitergeben. Alle Bischofskonferenzen weltweit würden künftig sexuellen Missbrauch unnachsichtig verfolgen. Eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit.

An die strukturellen und theologischen Wurzeln des Übels wollte man nicht gehen. Dabei liegen sie auf der Hand. Es ist ein Amtsverständnis, das den Priester erhöht, ja überhöht. Und auch wenn es theologisch nicht so gemeint ist, verführt es doch zur Herrschaft über Menschen. Deutlich sprachen Katholiken und Katholikinnen um den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz von einem Zusammenhang zwischen vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden. „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an“, war in dem offenen Brief zu lesen.

Heribert Prantl nennt die Krise der katholischen Kirche in der Süddeutschen Zeitung eine Jahrtausendkrise, die nur durch Jahrtausendreformen bewältigt werden kann. Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche kann nur wiedergewonnen werden, wenn sie ihre „vormoderne Ordnung“, so der offene Brief aus Frankfurt, überwindet. Dazu bedarf es vor allem eines anderen Amtsverständnisses der Priester. Die freie Wahl der Lebensform sowie die Zulassung von Frauen zum Priesteramt gehört da ebenso dazu wie eine andere Bewertung der Homosexualität.

Die Krise der katholischen Kirche kann evangelischen Christinnen und Christen nicht gleichgültig sein. Es geht hier nämlich nicht nur um die Glaubwürdigkeit einer Institution. Zum einen ist es eine schwere Hypothek für den Annährungsprozess der beiden großen Kirchen. Zum anderen geht es aber auch um die Glaubwürdigkeit christlicher Lebensentwürfe, gleich welcher Prägung. Mit einer zunehmend den christlichen Kirchen gegenüber kritisch eingestellten Gesellschaft erleichtern die Vorgänge in Rom nicht die Diskussion.

Im Fußball würde man sagen: Der Papst hat eine Torchance kreiert aber dann doch nicht konsequent abgeschlossen. Die Chance wurde vertan.

Das katholische Frankfurt setzt ein notwendiges Zeichen

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. Februar 2019

In einem offenen Brief haben sich der Frankfurter katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewandt. Ein notwendiges Signal für einen gelebten Glauben in einer modernen Welt.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Deutliche Worte ist man vom katholischen Stadtdekan gewöhnt. Nicht zuletzt im Interview mit dem efo-Magazin wies er auf den Zusammenhang von Zölibat und sexuellem Missbrauch hin.

In einem offenen Brief haben sich jetzt Johannes zu Eltz und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewandt. In Rom solle Kardinal Reinhard Marx die Zusammenhänge von vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden freimütig zur Sprache bringen: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an. Sexuelle Tabus blockieren notwendige Klärungs- und Reifungsprozesse.“

Viele aktive Katholiken könnten die „vormoderne Ordnung“ nicht mehr mittragen, schreiben die Verfasserinnen und Verfasser, unter Ihnen Ansgar Wucherpfennig, Direktor der Hochschule Sankt Georgen, und die Direktorin des Frankfurter Caritas, Gaby Hagmans. Es wird die freie Wahl der Lebensform für Priester und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt gefordert, inklusive einer „verständigen und gerechten Bewertung von Homosexualität“.

Der Frankfurter Brandbrief zeigt auf der einen Seite die Nöte der katholischen Kirche, auf der anderen Seite den Mut der lokalen Spitze Neuerungen voranzutreiben. Ein notwendiges Signal für einen gelebten Glauben in einer modernen Welt.

Die katholische Kirche und die Sexualität

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. Oktober 2018

In der katholischen Kirche brodelt es. In Sachen Sexualität muss dort nun eine Diskussion nachgeholt werden, die in der evangelischen Kirche schon vor fünfzig Jahren begonnen hat.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Es brodelt in der katholischen Kirche. Auf der einen Seite die Vorschläge des katholischen Stadtdekans Johannes zu Eltz, der sich verheiratete Priester und Frauen im Priesteramt vorstellen kann, auf der anderen die Weigerung Roms, P. Angar Wucherpfennig als Rektor der Hochschule St. Georgen zu bestätigen. Offenbar waren die Aussagen Wucherpfennigs zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare dem Vatikan ein Dorn im Auge.

Dabei hat die katholische Kirche in Deutschland gerade erst begonnen ein neues Verhältnis zur Sexualität des Menschen zu finden. Auch Sexualität ist eine gute Gabe Gottes. Sie ist weder zwangsweise zu unterdrücken, noch darf sie zur Gewalt über andere genutzt werden.

Richtigerweise stellen Pfarrer der Frankfurter katholischen Gemeinden fest, dass „dass auch der pathologische Umgang der Kirche mit dem Thema (Homo-)Sexualität sexualisierte Gewalt begünstigt.“

Johannes zu Eltz fordert im Interview mit Evangelisches Frankfurt einen offenen Diskussionsprozess zu Zölibat und Priesteramt für Frauen. Ein Diskussionsverbot sei „total unsinnig und unbiblisch.“

Die katholische Kirche wird jetzt eine Diskussion nachholen müssen, die die evangelische Kirche vor fünfzig Jahren geführt hat und heute immer noch führt. Denn auch hier wurden verheiratete Frauen erst spät im 20. Jahrhundert zum Pfarramt zu gelassen, und die Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs, beispielsweise in evangelischen Kinderheimen, hat erst vor wenigen Jahren so richtig begonnen.

Es ist für die katholische Kirche zu hoffen, dass der begonnene Diskussionsprozess auch in Rom nachvollzogen wird, und dass der Frankfurter Stadtdekan Recht behält, wenn er im Interview sagt: „Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

„Wir fragen ja nicht die, die negativ betroffen sind“

von Kurt-Helmuth Eimuth 9. Oktober 2018

Ginge es nach dem katholischen Stadtdekan Johannes zu Eltz, würden katholische Gemeindepriester bald heiraten dürfen und Frauen zur Priesterweihe zugelassen, zumindest in jenen Weltregionen, wo die Frauenemanzipation gesellschaftlicher Mainstream ist. Wir haben ihn gefragt, wie realistisch das ist.

Der katholische Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz.  |  Foto: epd-Bild/Heike Lyding
Der katholische Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. | Foto: epd-Bild/Heike Lyding

Herr zu Eltz, Sie fordern die teilweise Aufhebung des Zölibats. Damit würden Sie den Unterschied zwischen katholisch und evangelisch einebnen, oder?

Ich bestreite mal die Prämisse höflich. Das trifft nicht den wesentlichen Unterschied zwischen evangelisch und katholisch. Sowohl bei Ihnen als auch bei uns ist die Frage der Lebensordnung der Geistlichen eine Frage kirchlicher Disziplin und steht nicht im Mittelpunkt des Glaubens. Ich bin total für den Zölibat und dafür, dass er gepflegt und gefördert wird in der katholischen Kirche, aber so, dass er für Seelsorgsgeistliche, für die „Leutpriester“, nicht obligatorisch ist.

Sie sind für die Freiwilligkeit?

Genau, für Freiheit und Freiwilligkeit bei den Seelsorgsgeistlichen, die allein in Gemeinden leben. Im Unterschied zu den Ordensgeistlichen, die in Gemeinschaften leben. Damit würde unsere klerikale Lebensart der evangelischen Kirche ähnlicher, aber auch den Kirchen des Ostens. Dort gibt es seit jeher die verheirateten Leutpriester. Das darf man nicht geringschätzen.

Würden Sie auch so weit gehen, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden könnten?

Ich habe gefordert, dass Frauen jetzt sofort zum Diakonat zugelassen werden, also auf die erste Weihestufe. Und zugleich eine ergebnisoffene Diskussion zu führen ist – kein Diskussionsverbot mehr, das ich für total unsinnig und unbiblisch halte – über Frauen auf den weiteren Weihestufen des Priester-und Bischofsamtes.

Wie kann dieses Ziel erreicht werden?

Ich glaube, anders als beim Zölibat, der nur eine ehrwürdige disziplinarische Tradition der lateinischen Kirche ist, ist es bei den Weiheämtern für Frauen nicht mit einem Federstrich getan. Genderfragen schneiden viel tiefer ins Gewebe ein. Das wäre zum Beispiel eine Zerreißprobe im Verhältnis zu den Ostkirchen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es Teile der katholischen Weltkirche gibt, wo das zu einer Kirchenspaltung führen würde. Deshalb plädiere ich dafür, dass diese Frage kultursensibel entschieden wird, also unterschiedlich in den verschiedenen Gegenden der Welt. Subsidiär nach dem klugen Rat der Bischofskonferenzen.

Wäre der andere Umgang mit der Sexualität nicht eine Präventionsmaßnahme gegen sexuellen Missbrauch?

Generell ja. Bei Zölibat und Frauenweihe würde ich sagen: keine direkte, aber eine sehr nachhaltig wirksame indirekte Prävention.

Welche Chancen geben Sie Ihren Vorschlägen?

Na ja, nach menschlichem Ermessen keine großen. Denn das fällt nach unserem Verständnis alles in die Zuständigkeit der Bischöfe, und die würden damit ihre Machtfülle drastisch beschränken. Ob die das wagen? Wir fragen ja nicht die, die negativ betroffen sind von den verschiedenen Restriktionen. Man legt bei uns nicht Frauen die Frage vor, ob Frauen geweiht werden können, und nicht offen Homosexuellen, ob die Lehre über Homosexualität verändert werden müsste. Da ist überall das Lehr- und Leitungsamt der Bischöfe vor. Das ist ein geschlossenes System. Auf der anderen Seite ist nichts so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Dies gilt auch in der Katholischen Kirche und deswegen denke ich, ja, es kann jetzt etwas passieren.