Tag Archiv für Islam

„Das größte Risiko für die innere Sicherheit sind Islamisten.“

Am Osterwochenende haben sich bis zu 400 Menschen bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Die Gebetsstätten und das Versprechen Allahs“ in Hamburg versammelt. Veranstalter war die Gruppe Hizb ut-Tahrir (HuT). Sie ist in Deutschland offiziell verboten. Nach Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzes ist ihr Ziel die Errichtung eines Kalifats in Deutschland. Im Gespräch im Podcast Conny&Kurt kritisiert die Journalistin Beatrice Achterberg vom Berliner Büro der Neuen Züricher Zeitung die ungleiche Wahrnehmung extremistischer Bedrohung: „Das größte Risiko für die innere Sicherheit sind Islamisten.“ Mit dieser Feststellung soll nicht der Islam als Religion in eine extremistische Ecke gestellt werden.

Das Hamburger Salafisten-Treffen wurde kaum zur Kenntnis genommen, während Potsdamer Treffen einiger Rechter und Rechtsradikaler sehr schnell hohe Wellen schlug. „Das offenbart einen politischen Doppelstandard, wenn es um extremistische Phänomene geht“, bilanziert Achterberg.

Jugendkrimis gegen Rassismus

Das Magazin für evangelische Pfarrer:innen 01. Dezember 2022

Der Muezzin-Ruf gehört wie die Kirchenglocken zu Deutschland

von Kurt-Helmuth Eimuth 18. November 2021

In Köln dürfen islamische Gemeinden jetzt offiziell einen Muezzin-Ruf zum Freitagsgebet per Lautsprecher senden. Das ist auch richtig so.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Stadt Köln hat islamischen Gemeinden einen Muezzin-Ruf zum mittäglichen Freitagsgebet per Lautsprecher erlaubt. Zehn Gemeinden bekundeten Interesse. In der islamischen Welt kündigt der Ruf des Muezzins vom Minarett, dem Turm der Moschee, die Zeit zum Gebet an. Fünf Gebete Richtung Mekka am Tag schreibt der Koran vor, das Gemeinschaftsgebet der Männer in der Moschee ist nur freitags Pflicht. Eigentlich bedarf es hierzu gar keiner Erlaubnis, da es als Teil der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit angesehen wird.

In Deutschland leben schätzungsweise über fünf Millionen Muslime. Deshalb ist es sicher ein Zeichen von Toleranz, wenn der Muezzin-Ruf ebenso wie das christliche Glockengeläut ermöglicht wird. Die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg weist darauf hin, dass das Bundesgesetz beim Gebetsruf des Muezzin, wie auch bei Kirchenglocken, kein Genehmigungsverfahren vorsieht. Bislang beabsichtige aber wohl keine Moscheegemeinde in Frankfurt, einen Muezzin-Ruf einzuführen. In Offenbach übrigens auch nicht. Nur während des Versammlungsverbotes in der Corona-Pandemie hatten einige Moscheegemeinden um Genehmigung gebeten, manche, unter anderem die in Frankfurt-Hausen, haben den Ruf auch ertönen lassen. Von Beschwerden ist nichts bekannt geworden. „In Frankfurt gibt es ein friedliches und nachbarschaftliches Miteinander – gerade dort, wo sakrale Gebäude stehen“, sagt Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg, die auch Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Auch Kirchenglocken können als störend empfunden werden. Erst kürzlich musste ein Gericht sich mit der Klage einer Nachbarin der evangelischen Kirche in Merzhausen bei Usingen beschäftigen. Sie fühlte sich gestört. Die Glocken dürfen aber weiterhin zum Gottesdienst rufen. Glockengeläut wird von vielen auch als eine Form akustischer Beheimatung empfunden. Wenn sich die 50 Glocken der zehn Frankfurter Innenstadtkirchen im Geläut vereinen, lockt das immer Tausende an. Das Große Stadtgeläut erklingt am Samstag vor dem 1. Advent, 27. November, um 16.30 Uhr, sowie am Heiligen Abend, 24. Dezember, um 17 Uhr.

Von Empathie durchdrungenes, kritisches Islambuch

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. September 2019

Monika und Udo Tworuschka ist mit ihrem Buch „Der Islam – Feind oder Freund?“ ein Werk zur Versachlichung und Relativierung der Debatte gelungen. Ein gut lesbares Buch, das die Argumente an vielen Stellen versachlicht.

Monika und Udo Tworuschka: Der Islam – Feind oder Freund? - 38 Thesen gegen eine Hysterie, Kreuz-Verlag, 142 Seiten, 15 Euro.
Monika und Udo Tworuschka: Der Islam – Feind oder Freund? – 38 Thesen gegen eine Hysterie, Kreuz-Verlag, 142 Seiten, 15 Euro.

„Noch ein Buch über den Islam“ war mein erster Impuls. Doch Autorin und Autor, seit Jahrzehnten bekannt für ihre religionswissenschaftlichen Arbeiten, machen neugierig. Keine Frage, die beiden haben einen Standpunkt. Gleich im ersten Satz verdeutlichen sie, dass sie kein islamkritisches Buch vorlegen, sondern ein kritisches Islambuch. Was keineswegs dasselbe ist. Sie wollen nicht „die Fratze“ des Islam betrachten, sondern mit Empathie einer Religion begegnen.

Zunächst gehen sie auf die gegenwärtige Wahrnehmung des Islam ein. An vielen Beispielen zeigen die Tworuschkas auf, dass die Diskussion Züge einer Verschwörungstheorie hat. So gehören in Deutschland nur knapp sechs Prozent der Bevölkerung dem Islam an. Von einer Übernahme der Gesellschaft ist man also schon zahlenmäßig bei immer noch 48 Millionen Christinnen und Christen weit entfernt. Auch die Geburtenzahl bei Muslimen befindet sich im Sinkflug. Hatten aus der Türkei nach Deutschland migrierte Familien 1970 noch 4,4 Kinder im Durchschnitt, sind es bei Angehörigen der zweiten und dritten Generation noch 1,56 Kinder. „Migranten passen sich erfahrungsgemäß in vielen Lebensbereichen an ihr Umfeld an.“

Auch lässt sich nicht belegen, dass der Islam per se gewaltbereit sei. Selbst der Teil des Islam, der unter dem Begriff Islamismus zusammengefasst wird, muss unterteilt werden in die Strömungen der Salafisten, Islamisten und Djihadisten. Doch gleich welche Begründungen sich gewaltbereite Muslime zusammenbasteln, welche Verse sie aus dem Koran herauspicken, es kann nicht gesagt werden, „dass der Koran zur Gewalt aufrufe und die Lizenz zum Töten“ liefere. Das Autorenehepaar erinnert im Gegenteil an zahlreiche Gewaltvorstellungen in der Bibel.

Auch in Bezug auf die Stellung der Frauen im Islam war dessen Religionsstifter fortschrittlicher als viele meinen. So habe Mohammed verglichen mit dem vorislamischen Arabertum richtungsweisende Besserstellungen für Frauen eingeführt. Zum Beispiel wurde das übliche Aussetzen weiblicher Neugeborener untersagt. Der Koran fordert an keiner Stelle, dass sich Frauen verschleiern müssten. Allerdings hätten sich die vom Koran bekämpften Gesellschaftsstrukturen im Laufe der Jahrhunderte wieder verfestigt. So gehe es bei der Genitalverstümmelung eher um kulturelle Faktoren und um eine patriarchale Familienstruktur als um eine religiöse Lehre. „Der Koran erwähnt keine weibliche Genitalverstümmelung, geschweige denn, dass er sie gutheißt.“ Auch sexuelle Gewalt gegenüber Frauen rechtfertigen die islamischen Quellen nicht.

Bei aller Empathie verschließt das Buch aber nicht die Augen vor problematischen Tendenzen: „Blauäugig wäre es dagegen, Scharia-Auslegungen nicht zu beachten, die einen gewaltsamen Djihad gegen ‚Ungläubige‘ legitimieren, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage stellen, antijüdische Einstellungen und Handlungen rechtfertigen.“ Ferner sei die Sozialisation muslimischer Kinder offenbar stärker an Macht und Gehorsam ausgerichtet und tue sich schwer mit Freiheit, Pluralismus und Ambiguitätstoleranz. Dies ergebe sich aus erfahrener Ablehnung. Der Einzelnen fliehe dann nach Erich Fromm ins Autoritäre, Destruktive und Konformistische.

Die Tworuschkas plädieren also für ein offenes, von Empathie geprägtes Miteinander. Wie dies aussehen kann, fassen sie am Beispiel in drei Sätzen zusammen: „Wir wünschen uns, dass muslimische Frauen die islamische Kleiderordnung nur aus freien Stücken befolgen. Die Realität sieht sicher oft anders aus. Aber Freiheit bedeutet, eine islamische Frau darin zu bestärken, ihrer Tradition folgen zu dürfen – sie aber auch darin zu unterstützen, wenn sie sich dagegen wehren will.“

Ein gut lesbares Buch über den Islam und über die deutsche Diskussion. Es versachlicht an vielen Stellen die Argumente, reiht sie religionswissenschaftlich und politisch ein und ist somit im besten Sinne tatsächlich ein von Empathie durchdrungenes kritisches Islambuch.

Eine Moschee-Steuer braucht es nicht

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. Januar 2019

Um die Abhängigkeit deutscher Moscheegemeinden von ausländischen Geldgebern zu verringern, steht der Vorschlag einer „Moschee-Steuer“ im Raum. Keine gute Idee. Die Rahmenbedingungen in Deutschland geben schon alles her, was nötig ist. Jede Gemeinde, die finanziell unabhängig sein will, kann das.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Da brandete eine Diskussion über die Finanzierung islamischer Gemeinden mit einem löblichen Ziel auf. Die Finanzierung deutscher Moscheen durch das Ausland müsse aufhören, damit sich ein deutscher Islam entfalten könne. Zum Beispiel müsse die Abhängigkeit vieler Gemeinden von der Türkei aufhören – so würden von dort entsendete und bezahlte Imame in den Gemeinden des Verbandes Ditib arbeiten, dem etwa 900 Moscheen angehören.

Um solche Abhängigkeiten zu durchbrechen braucht es aber keine Sonderregelung für eine Moschee-Steuer. Auch jetzt stehen den islamischen Gemeinden die rechtlichen Wege für eine selbstständige Finanzierung offen, so wie allen Religionsgemeinschaften. Es sind ja nicht nur die evangelischen und katholischen Kirchen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, was Voraussetzung ist für eine Erhebung von „Kirchensteuer“ ist. Nach jahrelangem Rechtsstreit sind etwa auch die Zeugen Jehovas als eine solche Körperschaft anerkannt worden. Viele Glaubensgemeinschaften, etwa die Jüdische Gemeinde, die Freireligiöse Gemeinde, einige Pfingstkirchen, die Unitarier, die Heilsarmee, die Bahai, die Mormonen oder auch die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde (um nur einige zu nennen) haben diesen Status in Hessen. Drei Bedingungen muss eine Religionsgemeinschaft dafür erfüllen: eine große Anzahl von Mitgliedern, die Dauerhaftigkeit der Organisation und die Treue zum Grundgesetz.

Nun wird dem entgegengehalten, dass der Islam sich nun mal anders organisiere. Er kenne keine Mitgliedschaft und keine Organisationsformen wie sie hier in Deutschland üblich sind. Aber die klassische „Kirchensteuer“ ist ja auch nicht der einzige Weg, der Moscheegemeinden offen steht. Tatsächlich finanzieren sich auch die meisten Religionsgemeinschaften, die als Körpersschaften anerkannt sind (bis auf die Jüdische Gemeinde), nicht über vom Staat eingesammelte Mitgliedsbeiträge. Eine andere Finanzierungsmöglichkeit sind freiwillige Spenden, so finanziert sich etwa die von Seyran Ates gegründete Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin. Auch dafür gibt es in Detuschland rechtliche Formate, etwa die einer gemeinnützige GmbH, sodass Spenden steuerlich absetzbar sind.

Wenn die deutschen Moscheegemeinden von ausländischen Finanzgebern unabhängig sein wollen, braucht es daher weniger eine Moschee-Steuer als vielmehr den Willen, unabhängig zu werden.

Übrigens ist die Kirchensteuer mit neun Prozent der zu zahlenden Lohn- und Einkommenssteuer ein gerechtes Mitgliedsbeitragssystem. Wer viel hat, zahlt viel, wer nichts hat, zahlt nichts. Und zudem ist es der Verwaltungsaufwand gering. Die Religionsgemeinschaft braucht dafür keine eigene Abteilung, der Staat bucht sich für seine Dienste drei Prozent des Beitragsaufkommens ab. Das ist für beide Seiten vorteilhaft.

Eine Religion unter Generalverdachton

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Ilona Surrey

Vergleiche mit der NS-Zeit sind immer schwierig. Aber wenn der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, warnt, dass erstmals seit den Nazis wieder eine ganze Religionsgemeinschaft bedroht wird, so wird die Ungeheuerlichkeit der Positionen der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ zum Islam deutlich. „Eine unerträgliche Grenzüberschreitung und Provokation“ nannte der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier deren Forderungen. In einer einstimmigen Entschließung betonte der Hessische Landtag, „dass Fremdenhass, die Verklärung des Nationalsozialismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus oder das Absprechen der Menschenwürde nicht akzeptabel sind“.

Formal bekennt sich die AfD im Wahlprogramm zwar zur Glaubensfreiheit, doch solle der Staat dieser Schranken setzen. Minarette und Rufe von Muezzins sollen verboten, muslimische Organisationen formal nicht den Kirchen gleichgestellt werden. Die Privilegien einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sollen islamische Organisationen nicht erhalten. Außerdem will die AfD die Beschneidung von Kindern verbieten, was auch gegen die jüdische Religionspraxis geht. Man braucht aber nicht weiter zu betonen, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit garantiert. Dies gilt ohne Einschränkungen für alle Religionen, eben auch für den Islam.

Religiöse Radikalisierung gibt es in allen Religionen. Wenn man die Akteure der AfD genau anschaut, dann finden sich hier zahlreiche so genannte „bibeltreue Christen“, die zu den religiösen Scharfmachern zählen. Die FAZ schrieb 2014 sogar: „In der Alternative für Deutschland übernehmen bibeltreue Protestanten die Macht. Längst kritisieren sie nicht mehr nur den Euro, sondern auch Schwule und Muslime. Sogar die Schulpflicht stellen sie in Frage.“

Fundamentalisten, ob christlich oder muslimisch, sind tendenziell antidemokratisch. Eine offene, tolerante Gesellschaft braucht aber eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung. Nur so kann man Gemeinsamkeiten feststellen, aber auch Unterschiede aushalten. Wer eine ganze Religionsgemeinschaft, sogar eine Weltreligion, in gehässiger Absicht diskriminiert, stellt sich gegen das Grundgesetz.

Wer Ja zu Kirchtürmen sagt, muss auch Ja sagen zu Minaretten. Unsere leidvolle deutsche Geschichte verpflichtet uns in dieser Hinsicht besonders. Nie wieder dürfen in Deutschland Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt werden.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 2. Mai 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2016/3 – Mai.

„Die harte Trennung von Staat und Kirche gefällt mir nicht“

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 28. Mai 2015

Oberbürgermeister Peter Feldmann will die Stadt sozialer gestalten. Dabei baut er auch auf die Kirchen. Ein Gespräch mit Kurt-Helmuth Eimuth.

Frankfurt: Interview Eimuth mit Peter Feldmann, dem Frankfurter Oberbürgermeister, in seinem Amtszimmer im Römer Foto aufgenommen am: 22.04.2015 Foto: Rolf Oeser

Oberbürgermeister Peter Feldmann im Gespräch mit Evangelisches Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Herr Oberbürgermeister, Sie haben bei mancher Gelegenheit betont, dass Sie selbst einmal Mitarbeiter des Evangelischen Regionalverbandes waren.

Das ist wahr. Und das war eine sehr gute Zeit, in der ich viel gelernt habe, gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Es ging nicht um Sozialstatistiken oder Organigramme, sondern es ging um Menschen. Ich habe gelernt, dass Sozialarbeit immer ein Wertefundament braucht. Das trägt meine Arbeit bis heute.

Was erwarten Sie als Oberbürgermeister von der evangelischen Kirche?

Dass das Heimatgefühl, das ich damals als Mitarbeiter erlebt habe, nicht nur nach innen, sondern auch gesamtgesellschaftlich trägt. Das heißt, dass die Kirchen insgesamt zu ihrem Wertefundament stehen und es keinem allzu modernen Zeitgeist opfern sollten. Die Botschaft, die wir aus dem Weihnachtsfest mit der Nähe von Mensch zu Mensch mitnehmen, ist eine Aufgabe für das ganze Jahr.

Viele nehmen heute Religion als etwas wahr, das Unfrieden stiftet.

Die Religionen stehen ja erst einmal für Frieden. Schwierig sind nur die, die glauben, sie wissen alleine, wie der Weg zum Frieden auszusehen hat, die keine anderen Ansichten neben der eigenen gelten lassen Das bringt die Konflikte. Sobald zumindest im Umfeld der drei Buch-Religionen, Judentum, Christentum und Islam die Ur-Botschaft der zehn Gebote ernst genommen wird, sind harte, aggressive, gewalttätige Konflikte undenkbar.

Hier in Frankfurt haben wir ja den Rat der Religionen. Wie nehmen Sie ihn wahr?

Das ist eine wunderbare Plattform für den gemeinsamen Diskurs. Ich wünsche mir allerdings mehr gemeinsame Auftritte der Konfessionen in den Kindergärten und Schulen. Damit die nächste Generation weiß, der Jude, der Muslim ist nicht der Feind, sondern auch einer der Guten. Das geht nur, wenn sich die zentralen Vertreter der Religionsgemeinschaften nicht scheuen, auch gemeinsam in Schulen zu gehen und sich gegenseitig unterstützen. Das hat große Symbolkraft. Da bin ich als Oberbürgermeister immer dabei.

Viele rufen aber nach einer stärkeren Trennung von Staat und Kirche.

Diese absolute Säkularität, diese harte Trennung, gefällt mir nicht. Ich finde es sehr schön, wenn beispielsweise der RMV gemeinsam mit den Kirchen für ein Weihnachtsticket wirbt. Das ist eine Zeit der Besinnung, da sollte man seine Familien und Freunde besuchen, das sollte nicht am Geld scheitern. Ich wünsche mir mehr Projekte dieser Art.

Soll der Sonntag als arbeitsfreier Tag weiter geschützt werden?

Absolut. Nicht nur als Sozialdemokrat und Gewerkschafter bin ich dafür. Das Gebot des siebten Tages soll nicht an die Seite gelegt werden.

Sie sind angetreten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Das Thema ist endlich in unserer Stadt zum zentralen Thema geworden. Das hängt natürlich nicht alleine von mir ab. Aber ich bin schon sehr stolz, dass wir die Budgets der Stadt um hundert Prozent gesteigert haben. Geld baut noch keine Wohnungen, ist aber eine Grundlage dafür. Jetzt müssen wir alles tun, um die leidige Diskussion über leer stehenden Büroraum in konkrete Projekte einfließen zu lassen. In der Adickesallee im Februar dieses Jahres oder in der Hahnstraße in der Bürostadt Niederrad im März durfte ich jeweils einen „Baggerbiss“ machen. Baggerbiss bedeutet: Wir reißen Gewerberaum ab, um daraus Wohnraum zu machen!

Es gibt die ersten Projekte im Umland, wo wir auch gemarkungsübergreifend bauen und beispielsweise Studenten Wohnraum außerhalb Frankfurts anbieten. Aber auch mit unserer Nachbarstadt Offenbach sind wir einen Schritt nach vorne gekommen: Die Hafeninsel ist ein tolles Projekt unserer beider Städte.

Welche Pläne verfolgen Sie außerdem noch?

Ein Weg ist eine vorsichtige, sensible Verdichtung. Aber ich möchte auch nicht, dass jeder Hinterhof zugebaut wird. Deshalb trete ich für ein Wohngebiet im Frankfurter Norden ein. Unsere Grünflächen wollen wir nicht aufgeben, doch bei fünfundzwanzig Prozent agrarischen Flächen in der Stadt bestehen Möglichkeiten.

Die Stadt wird immer reicher, aber die Spaltung zwischen arm und reich wird immer größer. Sie haben die Kinderarmut als Skandal bezeichnet.

Ja, da bin ich sehr geprägt von meiner Jugendhauszeit beim Evangelischen Regionalverband. Wenn man erlebt, wie Kinder es empfinden, wenn Gleichaltrige mit besseren Berufs- oder Bildungschancen an ihnen vorbeiziehen, welches Erniedrigungsgefühl, manchmal auch Wut oder Hass daraus entsteht, weiß man, wovon ich spreche.

Bei fünfundzwanzig Prozent armen Kindern bleibt es eine zentrale Aufgabe der Stadt, daran etwas zu ändern. Kinderarmut ist aber auch Elternarmut. Eltern müssen Arbeit bekommen. Hier müsste die Arbeitsmarktpolitik eindeutigere Prioritäten setzen.

Es kommen 1600 Flüchtlinge im Jahr nach Frankfurt. Wie wollen Sie ihnen helfen?

Erst einmal ein großes Kompliment an die Kirchen, die uns beispielsweise mit der Unterbringung in der Gutleutkirche geholfen haben. Das beweist, welch wichtige Rolle die Kirchen in solchen konfliktreichen Situationen haben. Die Menschen, die herkommen, wollen auch Arbeit haben. Hier müssen wir bürokratische Hürden abbauen.

Dann müsste das Arbeitsverbot für Flüchtlinge doch aufgehoben werden.

Absolut. Da bin ich radikal. Wer arbeiten will, soll die Möglichkeit dazu bekommen.

Ihr Thema in diesem Jahr ist die älter werdende Gesellschaft. Warum?

Alles, was die Älteren heute erkämpfen, wird auch in jüngeren Generationen wirksam. Ich habe ein schönes Beispiel. Unsere Wohnungsbaugesellschaften wollen Haltegriffe oder automatisches Licht bei Neu- und Umbauten mit einplanen. Die erste Reaktion kam von Studenten, die das auch für sich ganz praktisch fanden.

Wir werden mit dem Deutschen Seniorentag Anfang Juli ein klares Zeichen setzen: Diese Stadt ist für Senioren nicht nur offen, sondern gehört ihnen auch.

Herr Oberbürgermeister, herzlichen Dank für das Gespräch.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 28. Mai 2015 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe 2015/3 – Mai, Web.

Von Bockenheim in den Dschihad

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 22. November 2014

Warum werden Jugendliche aus Frankfurt fanatische Islamkämpfer und ziehen in den Krieg? Diskussion beim „Salon am Kirchplatz“ in der Gemeinde Bockenheim.

Ilyas Mec hat für die ARD die Dokumentation „Sterben für Allah?“ gedreht. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

„Von Bockenheim in den Dschihad“ – dieser Titel fasst die Geschichte des 16-jährigen Enes zusammen. Ein Jugendlicher aus dem Stadtteil, dessen Schicksal Ilyas Mec in einem halbstündigen Film dokumentiert hat. „Das Thema hat hier große Betroffenheit ausgelöst, weshalb wir heute aufklären wollen“, sagte Pfarrer Rüdiger Kohl zu Beginn des Abends. Das geschehe aber nicht in einer überheblichen Haltung: „Jede Religion kann missbraucht werden.“

Christamaria Weber vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten führte aus, dass inzwischen zehn Frankfurter als Kämpfer gestorben sind. Vierzig Personen seien derzeit ausgereist, 18 davon seien durch die salafistische Koranverteilungs-Kampagne „Lies!“ angeworben worden. So erschreckend das sei, ist es doch nur ein winziger Teil der insgesamt 84?000 Muslime und Musliminnen, die in Frankfurt leben.

Radikalisierung geht extrem schnell

In der Diskussion wurde vor allem über die möglichen Motive der jungen Menschen diskutiert. „Was bewegt Menschen, sich einer Ideologie des Todes anzuschließen?“ fragte Ilona Klemens, Pfarrerin für interreligiösen Dialog. „Der Prozess der Radikalisierung geht so schnell, dass selbst Angehörige überrascht sind“, erläuterte der Filmemacher Mec. Es gebe in den Biografien fast immer Bereiche, wo diese jungen Menschen Orientierung brauchen. So habe Enes nach der Scheidung seiner Eltern „so eine Art Ersatzfamilie gesucht“. Es gebe aber auch den Salafismus als eine Art jugendlicher Protestkultur.

Christamaria Weber vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten konnte auf die Präventionsmaßnahmen der Stadt und des Landes hinweisen. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Der in Frankfurt vor fünf Jahren gegründete Rat der Religionen, dem neun Religionsgemeinschaften angehören, hat in einem Positionspapier den „religiös begründeten Extremismus“ bereits verurteilt. Trotzdem forderte Mec, die Moscheegemeinden mehr in die Pflicht zu nehmen.

Deutlich wurde, dass eine Ursache für die Attraktivität extremistischer Gruppen unter Jugendlichen die Erfahrung der Ausgrenzung ist. Gerade Jugendliche, die bereits in zweiter und dritter Generation in Deutschland leben, seien auch aufgrund ihrer Bildung hier hoch sensibel, sagte Christamaria Weber. So wurde eine deutsche Willkommenskultur gefordert. Weber verwies auf die Anstrengungen der Stadt: Sie bietet Schulungen für Lehrkräfte an, hat eine Beratungsstelle eröffnet und plant Maßnahmen zur Stärkung der Jugendarbeit in Moscheegemeinden.

Der Film „Sterben für Allah?“ von Ilyas Mec ist noch in der ARD-Mediathek zu finden.

Militäreinsatz als kleineres Übel

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 7. September 2014

Eine Trennung nach dem Motto „Hier Welt, da Gott“ kann es nach Meinung des ehemaligen Bischofs der evangelischen Landeskirche in Braunschweig, Friedrich Weber, nicht geben. Bei einem Studientag zur Barmer Theologischen Erklärung in Frankfurt verteidigte er auch den Einsatz militärischer Mittel.

Der Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, Friedrich Weber, hat eine Diskussion über die Legitimität militärischer Gewalt in seinem Vortrag zur Barmer Erklärung auch aus christlicher Sicht angeregt. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Bei einem Studientag zur Barmer Theologischen Erklärung in Frankfurt verteidigte er auch den Einsatz militärischer Mittel und unterstrich eine Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: „Christen müssen widersprechen, wenn die Gott gegebene Würde von Menschen verletzt oder gar das Leben von Menschen bedroht wird.“

Angesichts der Gewalt wie der der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ in Syrien und Irak verwies Weber auf eine Erklärung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), deren Präsident er ist: Es könne Situationen geben, in denen ein Staat nicht bereit oder fähig ist, seiner Bevölkerung Schutz und ausreichende Sicherheit zu gewährleisten. Es könnte Situationen geben, wo man feststellt, dass ein Regime einen Völkermord oder andere massive Gräueltaten plant.“

Zwar müssten auch dann nicht-militärische Mittel voll ausgeschöpft werden. Doch „wenn militärische Gewalt die einzig mögliche Antwort zu sein scheint, um solche Situationen zu entschärfen, verlangt sie eine legitime Autorität, um sie einzusetzen, und eine beschränkte Anwendung der Kriterien.“ Der Schutz des Lebens von Menschen vor blanker Gewalt sei eine humanitäre Pflicht und der Einsatz militärischer Mittel könne in solcher Situation das „kleinere Übel“ sein, so Weber.

Zu der Fachtagung aus Anlass des 80. Jahrestages der Barmer Erklärung hatten mehrere evangelische Institutionen, darunter der Evangelische Regionalverband Frankfurt und das Predigerministerium eingeladen. Diese Erklärung vom 31. Mai 1934, die maßgeblich Karl Barth ausgearbeitet hatte, war die zentrale Äußerung der Bekennenden Kirche unter dem Nationalsozialismus. Sie richtete sich gegen das Kirchenregime der so genannten „Deutschen Christen”, die die evangelische Kirche dem Nationalsozialistismus anzugleichen.

Laut Barmer Theologischer Erklärung gilt für die Kirche, dass sie „allein unter Gottes Wort“ steht. Danach bestimmt sich auch ihr Verhältnis zum Staat und die Art und Weise, wie die Kirche in der Welt aktiv wird. Darum, so damals der Theologe Karl Barth, „kann die Kirche auch im totalen Staat keinen Winterschlaf antreten und auch keine Gleichschaltung sich gefallen lassen“.

Die Kirche müsse in der Gesellschaft „auf die Wahrheit Gottes hinweisen“ und auf diese Weise Verantwortung für die Welt übernehmen, betonte auch Friedrich Weber.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 7. September 2014 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe 2014/5 – Oktober, Web.

Salafismus: Es geht um Gefühle, nicht um die Lehre

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 7. Juli 2014

Große Aufregung in Frankfurt: Ein Jugendhaus schließt, weil Salafisten eine Mitarbeiterin bedrohen. Der Träger, die AWO, wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Und wer hat schon in einer solchen Situation ein Patentrezept? Wie soll man mit diesem Phänomen umgehen?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser

Weitgehende Ratlosigkeit allerorten. Aus dem Sozialdezernat hört man, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt geschult werden sollen. Man möchte die Mitarbeiterschaft informieren und sensibilisieren. Gut so. Der Träger will verstärkt mit Moschee-Gemeinden zusammenarbeiten und einen interreligiösen Dialog organisieren. Ein gewaltiger Schritt für einen säkularen Träger. Anerkennenswert.

Aber es wird immer noch so getan, als sei das Phänomen ein Problem des Islam. Ja, es gibt Fundamentalisten im Islam. Die Salafisten sind eine dieser Gruppen. Allerdings ist nicht jeder Fundamentalist gewaltbereit oder wird sogar Terrorist.

Dass fundamentalistische Gruppen für ihre Weltsicht werben, ist ein Phänomen, das seit den 1970er Jahren bekannt ist. Damals versuchten Organisationen wie etwa die Krishna-Bewegung oder die Scientology-Organisation, die auch als „Jugendreligionen“ bezeichnet wurden, hierzulande Fuß zu fassen. Aufklärung half damals, und hilft sicher auch heute.

Humanistische Religion, autoritäre Religion

Doch kein Jugendlicher sucht eine Ideologie. Es war der Frankfurter Psychologe Erich Fromm, der damals die Unterscheidung zwischen humanistischer und autoritärer Religion vornahm.

Autoritäre Religion sei gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass eine höhere Macht Anspruch auf Verehrung und Anbetung, aber auch auf Gehorsam der Menschen habe. Wesentliches Element der autoritären Religion sei die Unterwerfung unter eine jenseitige Macht, die allerdings meisten von einem irdischen Führer direkt ausgeübt werden könne.

Bei der humanistischen Religion hingegen, so Fromm, bestehe das religiöse Erlebnis „in der Empfindung des Einsseins mit dem All, gegründet auf die Beziehung zur Welt.“ Selbstverwirklichung, nicht Unterwerfung, wolle der Mensch in dieser Art von Religion erreichen: „Die vorwiegende Stimmung ist Freude, während sie in autoritären Religionen in Kummer und Schuldgefühl besteht.“

Sozialform ist unabhängig von der Dogmatik

Ob eine konkrete Sozialform von Religion in diesem Sinne autoritär oder humanistisch ist, ist also völlig unabhängig von der Dogmatik, die darin gilt. Autoritäre Religionserscheinungen gibt es in sämtlichen Weltreligionen.

Jugendliche suchen Geborgenheit, Halt, Anerkennung und Sicherheit. Dass der Salafismus unter Jugendlichen Erfolg hat, ist kein theologisches sondern ein soziales Problem. Es geht um Gefühle, nicht um die Lehre. Erst wenn diese Jugendlichen in eine Kultur eingebettet sind, die ihnen Sicherheit gibt, wird sich das Problem wirklich lösen. Schule, Jugendarbeit aber vor allem das Elternhaus sind hier gefragt.

Bis dahin bleibt nur die Aufklärung. Sie ist jedoch ein schwaches Mittel, wenn das Gefühl der Anerkennung fehlt.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 7. Juli 2014 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe 2014/4 – Juli, Web.