Tag Archiv für Gottesdienst

Sieben Gottesdienste im Jahr sind genug

Schon lange beobachten die evangelischen Gemeinden einen Rückgang des Gottesdienstbesuchs. Im Rahmen der Strukturanpassungen reagieren viele Gemeinden mit der Zusammenlegung des sonntäglichen Gottesdienstangebotes. Der Mainzer Hochschullehrer Professor Kristian Fechtner plädiert im Podcast Conny&Kurt für einen anderen Blick auf das liturgische Angebot. Vielleicht entsprächen sieben Angebote, die dem Kirchenjahr mit Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Erntedank und Reformation folgten, eher dem Lebensrhythmus des heutigen mobilen Menschen. Fechtner spricht in diesem Zusammenhang von der Lebensrealität eines Auswahlchristentums. Hinzu komme das Paradoxon, dass Viele wünschen, dass in der Kirche verlässlich Gottesdienste stattfänden, sie aber selbst niemals einen Gottesdienst besuchten. Fechnter: „Ich nenne das den gelebten Konjunktiv“. Kirchengebäude hätten, genau wie Pfarrpersonen, für die Vergewisserung der Menschen eine hohe Bedeutung, ohne dass sie sie selbst in Anspruch nähmen.

Helau kommt von Halleluja

Fabian Vogt mit Martin Schultheiß als Duo Camillo

Die Theorie, dass Helau von Halleluja kommt, ist ihm, dem Pfarrer und Kabarettisten Fabian Vogt, die beliebteste Ableitung des alten Faschingrufes. Die großen Themen des Lebens bedürfen nach seiner Ansicht auch der Leichtigkeit. Dabei beruft er sich auf Martin Luther, der gesagt hat: „Wo Glauben ist, da ist auch Lachen.“ Gerade hat er seinen ganz eigenen Katechismus herausgegeben „Stories of Faith – die Basics des Christentums in 153 chilligen Posts. Der Kabarettist wechselt die Perspektiven. Schon beim Nutzen des Wortes Abendmahl werde man belogen, denn es sei weder ein Mahl, noch finde es in der Regel Abends statt. Vogt geht es darum, die Leichtigkeit des Glaubens zu entdecken. Zum Schluss wird im Podcast Conny&Kurt noch der Song „Gott liebt Tango“ angespielt. Vogt stellt hier unter Beweis, dass er auch ein vorzüglicher Sänger ist.

Zur Person: Fabian Vogt arbeitet ab Januar 2022 bei „mi-di“, der Zukunbftswerkstatt der Evangelischen Kirche in Deutschland, als Referent für „Evangelisation und missionale Bildung“ in Berlin. Vogt tritt gemeinsam mit Martin Schultheiß als Duo Camillo auf. Zahlreiche CD- und Buchveröffentlichungen.

Gottesdienste zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Formaten: eine gute Idee!

von Kurt-Helmuth Eimuth

23. August 2022

Nach seinem Umzug in den Norden entdeckt unser früheres Redaktionsmitglied Kurt-Helmuth Eimuth dort mancherlei Initiative, die auch für die Kirche in Frankfurt und Offenbach inspirierend sein könnte. Zum Beispiel differenzierte und abgestimmte Gottesdienstzeiten, wie es sie seit kurzem in Lübeck gibt.

Kurt-Helmuth Eimuth war bis Anfang 2022 Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Dann zog er nach Kiel. |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth war bis Anfang 2022 Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Dann zog er nach Kiel. | Foto: Tamara Jung

Warum nicht von Norddeutschland lernen? Die evangelischen Innenstadtkirchen in Lübeck haben seit einiger Zeit ihre Gottesdienstzeiten aufeinander abgestimmt. So können sie ein zeitlich differenziertes, den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten besser angepasstes Angebot machen.

Im Kern geht es darum, dass die verschiedenen Gemeinden zu unterschiedlichen Zeiten Gottesdienste anbieten. So feiert die Gemeinde St. Jakobi ihren immer samstags um 17 Uhr, im Dom findet der Gottesdienst sonntags um 10 Uhr statt, in St. Marien um 12 Uhr und in der vierten Kirche bleibt es ebenfalls noch beim 10-Uhr-Sonntagsgottesdienst.

Aber es geht nicht nur um mehr zeitliche Auswahl. Mit wechselnden Formaten will man auch „spirituelle Wanderer“ erreichen, wie es in der Begründung heißt. Ein differenziertes Angebot trage auch den veränderten Lebensgewohnheiten der Menschen Rechnung.

Gleichzeitig kann man auf diese Weise auch den Personaleinsatz effektiver gestalten. Eine Pastorin oder ein Pastor, aber auch die Kirchenmusiker:innen können an einem Wochenende drei Gottesdienste feiern. Auch im Norden ist ja der Mitgliederrückgang der Kirchen ebenfalls zu spüren. Die Folge sind zurückgehende Kirchensteuereinnahmen und eine Reduzierung des Personals.

Wäre das nicht auch ein Modell für Frankfurt oder Offenbach? Auch hier werden ähnliche Ideen seit Jahrzehnten intern diskutiert, aber zur Umsetzung kam es bisher nicht. Nur vereinzelt finden sich Ansätze, etwa wenn in den Sommerferien im Frankfurter Nordend die Gemeinden sich mit ihrem Gottesdienstangebot abwechseln.

Ein zeitlich und inhaltlich differenziertes Angebot der Stadtkirche wäre sicher einen Versuch wert. Ob Frauen- Taizé- oder Gospelgottesdienste – thematisch und formal zugeschnittene Gottesdienste finden dort, wo sie sporadisch angeboten werden, Zuspruch.

Aber für ein größeres Konzept müsste man von der althergebrachten Überlieferung etwas Abstand nehmen, wonach der Sonntagsgottesdienst der Sammel- und Mittelpunkt der Ortsgemeinde mit all ihren unterschiedlichen Gruppen ist. Die derzeit neu entstehenden Nachbarschaftsräume, also die verstärkte Zusammenarbeit von Gemeinden, könnten der Idee einen neuen Schub geben.

Und leider steht da ja noch etwas im Raum: Auch die Notwendigkeit des Energieeinsparens könnte eine verstärkte Konzentration von Angeboten erfordern, um Heizkosten zu sparen.

Evangelisches Frankfurt Offenbach

Die Kirche wird sich verändern – wahrscheinlich zum Besseren

von Kurt-Helmuth Eimuth 16. April 2020

Die beiden großen Kirchen haben schnell und kreativ auf die Herausforderungen der Corona-Epidemie reagiert. Eine unübersichtliche Lage, „für die es keine Blaupause gab“ (um diese beliebte Formulierung aufzunehmen), setzte kreative Potentiale frei. Das kann eine Chance auch für die Zukunft sein.

Gottesdienst aus der Gethsemanekirche am Bildschirm: Geht auch irgendwie! | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Gottesdienst aus der Gethsemanekirche am Bildschirm: Geht auch irgendwie! | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Wer hätte das gedacht: Plötzlich gibt es Andachten und Gottesdienstübertragungen via Internet aus vielen Kirchen. Zu Ostern wurden Tüten an die Mitglieder verteilt, Telefonkonferenzen geschaltet, Gottesdienstmanuskripte in Briefkästen geworfen.

Der Gottesdienst im Gemeindeleben bekommt eine neue Aufwertung, „in dieser Zeit kann viel Neues wachsen“, sagt Pfarrerin Petra Lehwalder, die für die Frankfurter nördlichen Gemeinden Nieder-Erlenbach und Harheim zuständig ist. „Bei uns sehen auch Menschen die Online-Gottesdienste, die nicht zu den üblichen Gottesdienstbesuchern gehören. Den älteren Gemeindegliedern, die mit dem Internet nichts anfangen können, werfe ich den Gottesdienst analog in den Briefkasten und wir verteilen an alle Gemeindemitglieder Briefe mit guten Worten.“

Auch lange Telefonate mit Gemeindemitgliedern sind nicht selten, und oft findet eine Unterhaltung zufällig auf der Straße von Bürgersteig zu Bürgersteig statt – mit Sicherheitsabstand natürlich. Neue Riten wurden erfunden und gerne angenommen, etwa wenn beim täglichen Glockengeläut Kerzen in die Fenster gestellt werden. Hier wächst vielleicht eine neue Kultur. Die Kirche wird von vielen Menschen bewusster und aktiver wahrgenommen. Das Gottesdienstgeschehen rückt dadurch, dass es nicht mehr im Kirchenraum stattfinden kann, stärker in den Mittelpunkt des Gemeindelebens. Ein Paradox.

Und doch, so behaupten manche Kommentatoren, kämen die Kirche stärker unter Druck. Finanziell stimmt das auf jeden Fall, denn das absehbare Wegbrechen von Steuereinnahmen wird auch die Kirchensteuereinnahmen dahinschmelzen lassen wie die Schokolade in der Sonne.

Aber es wird auch Kritik daran laut, wie die Kirche mit der Krise umgeht. Der Journalist Uli Fricker etwa schrieb im Südkurier zum Verbot, sich in Kirchengebäuden zu versammeln: „Die Kirchen nehmen sich selbst aus dem Rennen“. Sie betrachteten sich wohl selbst nicht mehr als systemrelevant. „Eine Tankstelle darf öffnen, ein Bäcker, ein Zeitungsverkäufer. Sie garantieren nach verbreiteter Ansicht, dass die Grundbedürfnisse gestillt werden. Die Dienste der religiösen Gemeinschaften zählen dazu nicht.“

Aber da irrt der Kommentator. Zahllose Beispiele aus Kirchengemeinden auch in Frankfurt und Offenbach widerlegen seine These mannigfaltig. Gleichwohl zeigt sich in solchen Kommentaren auch eine Herausforderung: Die Corona-Krise verändert die Kirche. Nach Corona wird sie eine andere Gestalt haben.

Um sich das besser vorzustellen, hat der Zukunftsforscher Matthias Horx die Methode der Re-Gnose entwickelt, der Rück-Schau (im Unterschied zur Vorschau, der Pro-Gnose). Stellen wir uns also mal vor, wir seien im kommenden Herbst. Das Leben mit Corona hat sich eingespielt. Händeschütteln vor und nach dem Gottesdienst ist weiterhin tabu, und dass jeder und jede eine Bank für sich alleine hat, ist jetzt Pflicht.

Die Videokamera im Gottesdienst ist inzwischen Standard, Gottesdienste werden direkt für Gemeindemitglieder übertragen, die nicht in die Kirche kommen. Den Konfis macht es Spaß, sich um die Technik zu kümmern. Wem Sonntag, 10 Uhr, einfach zu früh ist, oder wer gerne mal eine Tasse Kaffee während der Predigt trinkt, kann den Gottesdienst im Internet schauen.

Es kommt seither häufiger vor, dass die Pfarrerin von Menschen, die sie gar nicht kennt, auf ihre Predigt angesprochen wird. Überhaupt ist die Vernetzung im Stadtteil dichter geworden. Die verstärkte Mediennutzung hat die Kirche dazu gebracht, auch auf anderen Internetplattformen wie nebenan.de mehr Präsenz zu zeigen. Der Sitzungsaufwand im Kirchenvorstand und in Ausschüssen hat sich verringert. Zu konkreten Fragen werden einfach kurze Videokonferenzen vereinbart.

Die Identifikation mit der Kirchengemeinde und die Bindung zur Gemeinde ist höher geworden. Zwar hat sich die Zahl der Gemeindemitglieder verringert, aber die Zahl derer, die das Angebot schätzen, hat sich erhöht.

„Paradoxerweise erzeugte die körperliche Distanz, die der Virus erzwang, gleichzeitig neue Nähe. Wir haben Menschen kennengelernt, die wir sonst nie kennengelernt hätten. Wir haben alte Freunde wieder häufiger kontaktiert, Bindungen verstärkt, die lose und locker geworden waren. Familien, Nachbarn, Freunde sind näher gerückt und haben bisweilen sogar verborgene Konflikte gelöst.“ So schreibt Matthias Horx. Wir werden sehen, wie uns die Zeit füreinander, sei es am Telefon oder per Videochat, gut getan hat.

Auch Pfarrerin Lehwalder ist bei aller Herausforderung davon überzeugt, „dass die Krise auch für die Kirche ein Besinnungsprozess sein kann. Was trägt uns wirklich? Was ist der Mittelpunkt unserer Gemeinschaft?“ So ist Corona nicht nur Krise, sondern auch Chance.

Gottesdienst zu Corona-Zeiten: Mit Telefon und Gesangbuch

von Kurt-Helmuth Eimuth 6. April 2020

Palmsonntag. Im Wohnzimmer. Versorgt mit Telefon und Gesangbuch. Die Gethsemanegemeinde lädt zum Telefon- und Online-Gottesdienst ein. Keine Glocken, keine Orgelmusik. Statt dessen Nummer wählen, Code eingeben und kurz warten. Dann begrüßt Pfarrer Thorsten Peters die, die sich gerade eingewählt haben mit Namen. Man kennt sich. Am Schluss waren es 25 Einwahlen mit 35 Gottesdienstbesuchern. Für die Gemeinde auch sonst im Jahr ein normaler durchschnittlicher Gottesdienstbesuch.

Telefongottesdienst der Gethsemanegemeinde am Palmsonntag
Telefongottesdienst der Gethsemanegemeinde am Palmsonntag Bild: Kurt-Helmuth Eimuth

Wie auch in der Kirchenbank, so warten wir nun am Wohnzimmertisch auf den Beginn. Gelegentlich hört man einzelne Sätze. Das mit dem Stummschalten des Mikrofons hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Da ist dann auch laut und deutlich vernehmbar: „Die sollen doch endlich anfangen.“ Der Telefonkonferenzknigge ist noch ausbaufähig.

Überhaupt merkt man, dass der Umgang mit der Technik noch nicht recht eingeübt ist. Der Pfarrer kommt am Anfang recht hallig herüber, andere Teilnehmerinnen haben das Gefühl, sie wären während der Übertragung herausgeflogen. Es sollte sich herausstellen, dass dem nicht so war. Wieder andere bemerken nicht, dass ihr Mikrofon offen ist und sie deshalb schrille Rückkopplungen produzieren.

Thorsten Peters lädt zu einem Gottesdienst mit verkürzter Liturgie ein. Vater Unser und Glaubensbekenntnis spricht die Gemeinde gemeinsam, jedenfalls zur gleichen Zeit, aber keineswegs gleichzeitig. Eine Babylonische Sprachverwirrung ist die Folge. Und doch hat auf diese Art und Weise jede und jeder Zeit und Raum für sich und in Gemeinschaft zu beten.

Das Bild von der Gemeinschaft greift Peters in seiner Predigt auf. Es sei das Urbild des Christentums, dass man gemeinsam am Tisch sitze. Nun heute sitze man, jeder und jede für sich zuhause am Telefon oder Computer. Die Umstände in der Krisenzeit macht das erforderlich.

Die Gethsemanegemeinde will so weiter Gottesdienst feiern und damit auch den Wert der Verkündigung betonen. Bewusst hat man das Medium Telefon gewählt, um so auch Menschen zu erreichen, die über kein W-Lan verfügen. Das in diesen Tagen so wichtige Erleben von Gemeinschaft soll möglichst niedrigschwellig angeboten werden, zumindest medial. Vielleicht findet die Gemeinde auch noch einen Weg, die für den Nutzer anfallenden sehr niedrigen Telefongebühren entfallen zu lassen.

Zum nächsten Gottesdienst am Karfreitag wird man schon etwas eingeübter sein.

Musik verbindet, weckt Gefühle, bestimmt den Takt des Lebens

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. April 2019

Kirchenmusik lockt oft mehr Publikum an als Gottesdienste. 67 000 Konzerte finden pro Jahr in deutschen evangelischen Kirchen statt, insgesamt 7,6 Millionen Menschen besuchen sie.

Musik lockt viele Menschen in die Kirchen - hier beim Abendgottesdienst in der Friedenskirche in Offenbach. | Foto: Ilona Surrey
Musik lockt viele Menschen in die Kirchen – hier beim Abendgottesdienst in der Friedenskirche in Offenbach. | Foto: Ilona Surrey

Welche Macht Musik hat, das kann man vor jedem Fußballspiel im Waldstation erleben: „Im Herzen von Europa liegt mein Frankfurt am Main. Die Bundesliga gibt sich hier gar oft ein Stell-Dich-ein.“ So erklingt es aus Tausenden Kehlen. Musik verbindet, Musik stellt Gemeinschaft her.

Musik gehört einfach zu uns. Zu unserem Jahrgang, zu unserer Beziehung, zu unserem Milieu. Eigentlich läuft doch immer Musik. Im Auto, unterwegs mit Kopfhörer oder als Begleitmedium in der Wohnung.

In den 1970er Jahren war die Aufteilung noch einfach: Stones oder Beatles? Heute läuft deren Musik im Altenheim – es ist eben die Musik dieser Generation. Musik steht für ein prägendes Lebensgefühl, das bleibt. Es ist wahr, dass Musik „mehr als Worte“ sagt. Musik drückt Gefühle aus. Trauer. Liebe. Kaum ein Paar, das nicht „sein Lied“ hat. Das Lied zum ersten Tanz, das Lied, das man beim ersten Kuss gehört hat. Musik kann aber auch für politische Ziele eingesetzt werden. In allen Armeen der Welt wird gesungen und musiziert. Marschmusik.

Dass Musik „wirkt“, lässt sich sogar wissenschaftlich nachweisen: Beim Musizieren oder Musikhören werden Endorphine ausgeschüttet, also körpereigene Glückshormone. Erwiesen ist auch, dass Musik das logische Denken fördert. Deshalb ist Musizieren schon im Kindergarten wichtig.

Für die Theologin Margot Käßmann ist die Musik auch „eine der tragenden Säulen evangelischer Spiritualität“. Schon Martin Luther war nicht nur Bibelübersetzer, sondern schrieb auch Lieder, die heute noch gesungen werden. Jedes Jahr finden in Deutschland 67 000 kirchenmusikalische Veranstaltungen in evangelischen Kirchen statt. Sie werden von 7,6 Millionen Menschen besucht – sonntagsmorgens beim Gottesdienst sind die Kirchen oft nicht so voll.

Die Vielfalt christlicher Musik will die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau mit ihrer aktuellen „Impulspost“ nahebringen, die allen Kirchenmitgliedern in diesen Wochen in die Briefkästen geschickt wird.

Pfingstmontag auf dem Römerberg: Damit aus Fremden Freunde werden

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Mai 2018

Pfingstfest auf dem Römerberg

Der Open-Air-Gottesdienst am Pfingstmontag steht dieses Jahr unter dem Motto "Gottes Liebe geht unter die Haut – damit aus Fremden Freunde werden".
Der Open-Air-Gottesdienst am Pfingstmontag steht dieses Jahr unter dem Motto „Gottes Liebe geht unter die Haut – damit aus Fremden Freunde werden“.

Zum traditionellen Open-Air-Got­tesdienst am Pfingstmontag, 21. Mai, um 11 Uhr auf dem Römer­berg mit anschließendem interna­tionalen Fest im Dominikanerklos­ter laden die christlichen Gemein­den wieder ein.
Im April vor 50 Jahren ist der Theologe und Bürgerrechtler Mar­tin Luther King erschossen wor­den; sein Kampf gegen Rassismus und für Gleichberechtigung hat sich nicht erledigt. Fremdenfeind­lichkeit, verbal oder verknüpft mit Gewalt, ist bis heute ein Thema – darum steht der Tag unter dem Motto: ,,Gottes Liebe geht unter die Haut: damit aus Fremden Freunde werden“. Die Predigt hält der evangelische Stadtdekan Achim Knecht.

Pfingsten ist auch ein Symbol für die Überbrückung kultureller Differenzen. Das Fest steht schließlich für den Geist, der Men­schen über Grenzen hinweg ver­bindet und befreit, der wach macht für das Erkennen von Ungerechtigkeit und den Einsatz für Gerechtig­keit. Den musikalischen Teil des Gottesdienstes übernehmen unter der Leitung von Bernhard Kießig der Chor SurPraise, eine Band, BlechPur und Posaunenchöre der Propstei Rhein-Main.

Um 12.30 Uhr beginnt das Inter­nationale Fest im Dominikaner­kloster, Kurt-Schumacher-Straße 23, Innenstadt. Gemeinden aus Afrika, Asien, Amerika und Europa erwarten die Gäste mit Kulinari­schem aus vielerlei Küchen dieser Welt sowie einem Kultur- und ei­nem Kinderprogramm im Kloster­hof. Das Gotteslob mit biblischen Texten und Gebeten in vielen Spra­chen sowie Chören und Liedern aus der weltweiten Ökumene be­schließt das Fest um 16.15 Uhr in der Heiliggeistkirche am Domini­kanerkloster.

Mit Leib und Seele

Evangelische Spiritualität

19. September 2011

Andacht Peterskirche

Kurt-Helmuth Eimuth

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir haben heute diese Andacht etwas anders gestaltet. Wir hatten vor gut einer Woche auf unserer Fortbildung “Mit Leib und Seele” so viel Freude an dieser Form, dass wir sie heute gerne daran teilhaben lassen wollten.

Mit Leib und Seele – eine Woche auf Körper und Geist hören, Anleitungen zu Sport und Meditation erfahren, und das noch an einem wunderbaren Ort im Jugendwerk Brebbia des Bistums Mainz am südlichen Lago Maggiore. Ist das denn Fortbildung?

Eine Frage, die sich auch den 30 teilnehmenden Erzieherinnen stellte. Gut protestantisch hatten sie doch ein klein wenig ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kolleginnen. Eine Woche so ganz für sich selbst. Darf man das?

Um es vorweg zu nehmen. Ich meine: Ja, man darf das. Ja, man muss das sogar. Bei all den Arbeitsanforderungen, die ja auch in den Kindertagesstätten in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, ist es geradezu notwendig, nach dem eigenen Grund zu suchen, sich gelegentlich wieder zu vergewissern, nach dem Grund unseres Tun`s. Früherer Nannte man das eine Rüstzeit. Da sollte man für den Alltag zugerüstet werden. Heute bedienen wir uns einer anderen Sprache. Aber der Zweck kommt doch der Rüstzeit sehr nahe. Es geht um die Suche, um das Spüren unserer eigenen Religiosität, die uns im Alltag halt gibtt.

In ihrem Buch: „Mit Herzen, Mund und Händen“ zeigt Margot Käßmann Grundlagen für eine christliche Spirituallität auf. Sie betont, dass Sinnlichkeit des Glaubens hier durchaus in reformatorischer Tradition steht und fragt nach evangelischer Spiritualität. Im Neuen Testament ist immer wieder von Gottes Geist die Rede. Der verwendete griechische Begriff hierfür, pneuma, wird im Lateinischen mit spiritus übersetzt. Der Geist steht für die Dimension des Glaubens, und auch für die innere Glaubenserfahrung, für die göttliche Gegenwart. Spiritualität ist damit die Glaubensdimension, die sich durch die dritte Person der Trinität erschließt, den Heiligen Geist. Durch Gottes Geist wird unsere Gottesbeziehung erfahrbar.

Den eigenen sprituellen Weg aber wird jeder Mensch individuell finden müssen. Spiritualität im Alltag zu leben, das scheint wichtig, das ist ein reformatorisches Anliegen für uns als Einzelne, für unsere Gemeinden und für unsere Kirche insgesamt.

Die vier tragenden Säulen evangelischer Spiritualität, die Margot Käßmann sieht, sind die Bibel, der Gottesdienst, das Gebet und das Gesangbuch.

Die Bibel

Aus der Bibel, dem Buch der Erfahrung des Glaubens an Gott, des Lebens mit Gott, finden wir Orientierung. Die Bibel ist niemals ausgelesen. Ein Text der Bibel ist nie ein für alle Mal im Leben derselbe und hat für unterschiedliche Menschen in ihrer je eigenen Lebenssituation eine unterschiedliche Bedeutung. Z.B. ist hier der Psalm 23 für viele Menschen außerordentlich verschieden.

Für viele Menschen ist der Psalm Trost und Zuspruch in unterschiedlichen Situationen. Aber es gibt auch diejenigen, die innerliche Widerstände spüren, wenn sie hören: Dein Stecken und Stab trösten mich. Sie verbinden damit Schläge in der Familie, die angeblich gut für sie sein sollten.

Es sei eine richtige Tragödie für Käßmann, schreibt sie, dass so viele Menschen in Deutschland die Bibel gar nicht mehr kennen. In diesem Land hat Martin Luther das erste Mal die Bibel in die Volkssprache übersetzt. Er wollte, dass die Menschen selbst nachlesen können. Schulen für Jungen und sogar für Mädchen hat er gegründet, ein Bildungsprozess unvorstellbaren Ausmaßes wurde so in Gang gesetzt.

Vor allem für Evangelische ist die Bibel von zentraler Bedeutung, ja die ganze Reformation ist letzten Endes von Luthers Bibelstudium her entwickelt. Die Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache war ein revolutionärer Vorgang.

Vielleicht sei die Poesie die schönste Sprache des Glaubens, so Käßmann. Poetische Texte der Bibel von den Psalmen bis 1. Korinther 13 haben die Herzen der Menschen immer besonders berührt.

Sie gibt die Anregung, doch mal z.B. ein Evangelium zu lesen. Jeden Tag ein Stück.

Der Gottesdienst

So mancher Seufzer ist über den Gottesdienst zu hören: zu trocken, zu lieblos, zu wenig ansprechend. Das Fazit einer Auswertung durch Konfirmanden lautet: Er ist für fast alle langweilig.

Ein Gottesdienst soll Menschen im Glauben stärken, sie aufnehmen in die Gemeinschaft, ihnen Anregung geben zum Nachdenken, sie das Lob Gottes singen und ihre Gedanken vor Gott bringen lassen. In den Gemeinden vor Ort sollte überlegt werden, wie der Gottesdienst lebendiger werden kann, sodass, wer teilnimmt, spirituell gestärkt wird und Gemeinschaft erlebt.

In Psalm 147 heißt es: „Unsern Gott loben, das ist ein köstlich Ding“. Das heißt, es macht Gott Freude, wenn ich Gott zum Lobe singe, wenn wir gemeinsam zu Gott beten, wenn wir Gottes Wort hören. Gottesdienst ist ein Dialog zwischen Gott und Gemeinde, wir hören und antworten, wir bitten um Gottes Gegenwart und erfahren sie.

Gemeinschaft im Hören, Singen und Beten ist Teil christlicher Spiritualität. Die erste Christenheit hat dafür ihr Leben riskiert. Auch heute kann es , etwa in China oder Indonesien, lebensgefährlich sein, an einem Gottesdienst teilzunehmen.

Gottesdienst, das ist die Liturgie, die Erfahrung der Gemeinschaft, die Tradition, in der ich stehe.

Taufe und Abendmahl sind für die Kirche der Reformation die beiden einzigen Sakramente, weil sie direkt auf Jesus Christus zurückgehen. Wasser, Brot und Wein sind elementare Versinnbildlichungen des Glaubens. Und diese beiden Sakramente verbinden uns mit allen anderen Konfessionen. Wir taufen in die eine Kirche Jesu Christi hinein.

Das Gebet

Das Beten gilt als das „Herzstück christlicher Spiritualität“ (VELKD).

Und es ist wohl auch der einfachste Zugang zu Spiritualität. Da bedarf es keiner langwierigen Unterweisung, es betet sich sozusagen von selbst.

Martin Luther hat einmal an seinen Barbier Meister Peter geschrieben und ihm Mut gemacht, ganz schlicht das Vaterunser zu sprechen. Nicht allzu viel Brimborium solle gemacht werden, sondern in diesem Gebet sei alles aufgehoben, wenn sich das Herz dafür erwärme. Luther schreibt: „Und ich habe so auch oft mehr in einem Gebet gelernt, als ich aus viel Lesen und Nachsinnen hätte kriegen können. Darum kommt es am meisten darauf an, dass sich das Herz zum Gebet frei und geneigt mache … Was ists anders als Gott versuchen, wenn das Maul plappert und das Herz anderso zerstreut ist?“

Gebet ist auch Konzentration. Es gibt das gemeinsame Gebet im Gottesdienst, aber vor allem auch das persönliche Gebet im Tagesablauf.

Gebet braucht auch eine Form von Disziplin. Eben mal beten, dass dies oder das eintreten möge, das degradiert Gott zu einem Automaten, in den ich eine Münze werde und erwarte, dass etwas herauskommt.

Es geht beim Beten darum, langfristig beziehungsweise auf Dauer mit Gott im Gespräch zu sein, sich auf die Gottesbeziehung einzulassen. Das verändert immer auch mich selbst.

Kraftvoll soll vor allem das „Amen“ gesprochen werden, so Luther, damit wir den Zweifel bekämpfen. Niemand steht so fest im Glauben, dass er oder sie nicht auch wanken würde.

Probleme verschwinden nicht durch das Gebet, aber sie werden manches Mal auf die ihnen angemessene Dimension zurückgestuft.

Gebete verändern. Das hat vor allem die Erfahrung der Montagsgebete in der Leipziger Nikolaikirche gezeigt. Hier konnte in Freiheit ausgesprochen werden, was Menschen bedrängt.

Wenn Menschen in Angst und Gefahr nicht mehr ein noch aus wissen, ist das gemeinsame Gebet ein Angebot der Geborgenheit und Gemeinschaft.

So sind das persönliche Gebet und das gemeinsame Gebet … tragende Säulen christlicher Spiritualität.

Das Gesangbuch

Das Singen ist das Herzstück evangelischer Spiritualität und neben Bibel, Gottesdienst und Gebet der vierte Grundpfeiler.

Die Psalmen fordern uns geradezu heraus: „Singet dem Herrn ein neues Lied!“ heißt es in Psalm 96 oder in Psalm 68: „Singet Gott, lobsinget seinem Namen!“ Gerade die lutherischen Kirchen haben eine große Tradition, im Singen unseren Glauben auszudrücken. Martin Luther selbst war ein äußerst kreativer Liederdichter. Und Paul Gerhardt ist wohl der größte Liederdichter überhaupt. Seine Verse gehören in den deutschen evangelischen Gesangbüchern zu den am häufigsten erscheinenden Texten, aber auch in der katholischen Kirche werden seine Lieder gesungen, ja sie finden sich in aller Welt.

Alte, weise Lieder können unserem Glauben Form, Töne und Text geben. Aber es können auch neue Lieder sein. Auch hier kann es um tiefen Glauben in neuer Sprache und neuen Tönen gefasst sein.

Singen ist zudem Teil von Bildung. Kirchenmusik ist auch religiöse Bildung.

Es geht um Halt und Orientierung in diesem Leben und weit darüber hinaus. Dafür Zeit zu finden in unserem Leben, Freiraum dafür zu schaffen, ist eine lohnende Angelegenheit. Wir lernen auf diese Weise, das Leben in seiner gottgeschenkten Fülle wahrzunehmen. Wir erfahren, dass der christliche Glaube nicht eine Sache allein des Intellekts ist oder des Kopfes, sondern mit allen Sinnen wahrgenommen werden kann, gerade auch in der lutherischen Kirche.

Davon, so zeigte die Auswertung, haben die Teilnehmerinnen am Lago Maiggore etwas spüren können. Bei den Andachten, beim meditativen Singen am Ufer des Sees, beim Walken und beim Pilgern zu den 15 Kapellen des Sacro Monte bei Varese.

Mitarbeiterinnen zu stärken, ihnen im Käßmann’schen Sinne Zugang neu oder wieder zur eigenen evangelischen Spiritualität zu eröffnen, ist sicher im besten protestantischen Sinne Bildung.