Tag Archiv für Buddhismus

Selbsterlösung versus Gottesliebe

Evangelisches Frankfurt Juli 2009

Selbsterlösung versus Gottesliebe

Obgleich er in Deutschland nur rund 200000 Anhänger und Anhängerinnen hat, verfügt der Buddhismus über eine ungemeine Anziehungskraft. Das liegt sicher auch an der charismatischen Persönlichkeit des Dalai Lama.

„Alles steht in wechselnder Abhängigkeit.“ Oder: „Die Welt ist ein Netz von Beziehungsstrukturen, Gedanken und Gefühlen.“ Sätze wie diese faszinieren viele Menschen am Buddhismus. Der Religionswissenschaftler Michael von Brück bezeichnet sie als die Quintessenz des Buddhismus. Dabei blühen gerade im Westen auch „esoterisierte“ Versionen, wie Wellness und para-buddhistische Ego-Kult-Angebote.

Der Buddhismus, im 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr. von Siddhar­tha Gautama, dem Buddha, in Nordindien gestiftet, hat sich im Lauf der Jahrtausende zu einem sehr heterogenen religiösen Gebilde ausdifferenziert. Der Kern der Lehre besteht in der Erkenntnis, dass das Leiden des Menschen im umfassenden Sinne durch Anhaften, Gier, Festhaltenwollen und durch die Illusion verursacht wird, die Welt könne „gegriffen“ und festgehalten werden. Alles Leiden entspringe aus der Frustration dieser Gier, denn die Welt ist vergänglich und alles in stetem Werden und Vergehen begriffen.

Diese Lehre ist im Wesentlichen eine psychologische Erkenntnisphilosophie. Erst im Lauf seiner Geschichte wurde der Buddhismus zu einer Religion mit Kultus. Im 19. Jahrhundert tritt er verstärkt auch im Westen in Erscheinung. Arthur Schopenhauer war in Deutschland einer der ersten „bekennenden“ Buddhisten.

Im Unterschied zum asiatischen Buddhismus, der heute fast ausschließlich als Tempelreligiosität und Ritenanbieter wahrnehmbar ist, tritt der westliche Buddhismus als Laienreligion mit deutlichem Bekenntnischarakter in Erscheinung, in deren Mittelpunkt die Meditation als zentrale Praxis steht. In einer Zeit, in der die Prägung durch ein christliches Elternhaus schwächer wird, ist für viele Menschen das Angebot einer erkennbaren Spiritualität, die zugleich seelische Wirkungen und Wandlungsprozesse erhoffen lässt, attraktiv. Zudem idealisiert man den Buddhismus als friedlich, obgleich es auch dort fundamentalistische Strömungen gibt und die Herrschaft der Dalai Lamas in Tibet alles andere als friedlich war.

Gemäß tibetischer Tradition wird angenommen, dass der vorherige verstorbene Dalai Lama eine Wiedergeburt als Mensch annimmt und dieser dann aufgefunden werden kann. Dies geschieht durch eine Findungskommission. Besondere Zeichen werden entsprechend gedeutet, etwa ungewöhnliche Fähigkeiten eines Kindes oder besondere Vorkommnisse bei der Geburt.

Für Ulrich Dehn von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen unterscheidet sich der christliche Glaube grundsätzlich vom Buddhismus: „Viele westliche Buddhisten betrachten die buddhistische Philosophie als Erkenntnislehre über die Wirklichkeit und als Weg zur Selbstfindung.“ Dies sei ein Weg der „Erlösung aus sich selbst heraus, während der christliche Glaube von der Hoffnung auf Errettung durch die Gnade Gottes lebt.“

Kurt-Helmuth Eimuth

„Der Religion geht es nicht um Gefühle, sondern um die Wahrheit”

Evangelisches Frankfurt Dezember 2008

Der scheidende Kirchenpräsident Peter Steinacker spricht mit „Evangelisches Frankfurt“ über das Wesen der Religion, künftige Probleme für die Kirche und die Herausforderung, die der Islam und der Buddhismus für das westliche Christentum bedeuten.

Herr Steinacker, Ihre Amtszeit war von einem großen Neustrukturierungsprozess und letztlich dem Zurückgehen der Kirchensteuern geprägt. Auch wenn im Moment die Kassen voll sind, wie sieht die Zukunft der Kirche aus?

Unsere größte Problematik ist die demografische Entwicklung. Daran können wir nichts ändern. Das andere ist eine neue Form von Religiosität, die nicht mehr nach Inhalten und nach Wahrheit fragt, sondern sich mit der subjektiven Präsentation des eigenen Glaubens beruhigt. Dagegen ist es unsere traditionelle Überzeugung, dass es im christlichen Glauben und in der Religion überhaupt um Wahrheit geht. Das heute plausibel zu vermitteln, ist eine schwierige geistliche Aufgabe.

Sehen Sie ein Wiedererstarken einer gewissen Religiosität, die aber keine Kirchlichkeit ist?

Ja. Und diese Religion sieht anders aus als die Religion, die ich noch als Junge von meinen Eltern oder von meinen Pfarrern oder auch von gesellschaftlichen Diskursen her gewohnt war.

Ist das eine Religion der Selbstinszenierung, der Selbstvergewisserung?

16 Jahre lang war Peter Steinacker Kirchenpräsident in Hessen und Nassau, der Landeskirche, zu der auch Frankfurt gehört. Im Januar geht er in den Ruhestand. | Foto: Rolf Oeser

16 Jahre lang war Peter Steinacker Kirchenpräsident in Hessen und Nassau, der Landeskirche, zu der auch Frankfurt gehört. Im Januar geht er in den Ruhestand.
Foto: Rolf Oeser

Das ist richtig. Selbstvergewisserung ist zunächst ein positives Stichwort, denn ohne Gewissheiten kann kein Mensch handeln. Auch der christliche Glaube ist dazu da, das Selbst eines Menschen zu stärken. Problematisch wird es, wenn diese persönliche Bestärkung dann genug sein soll. Und wenn das einzige Kriterium für die Echtheit oder die Wahrheit einer Religion die Form der Präsenta­ tion ist. Gegen diesen Trend muss die Kirche argumentieren und auch Menschen prägen, vom Kindergarten an.

Ist denn eine Konsumgesellschaft wie die unsere nicht zwangsläufig eine der Selbstinszenierung? Es werden in Wahrheit nicht Waren, sondern Gefühle verkauft?

Ja. Aber das Problem dabei ist, dass auch Gefühle zu Waren werden. Das habe ich schon im Studium bei Adorno gelernt: Der Warencharakter prägt sich tief bis in die Verästelungen unserer Seelen ein. Dagegen hilft nur theologische Kritik.

Eine andere große Herausforderung ist sicherlich der Islam. Ist der Islam eine Gefahr für das Christentum?

Ja und Nein. Die Integration des Islam ist gesellschaftlich eine große Herausforderung, denn viele seiner Traditionen sind in eine säkulare Gesellschaft, wie sie das Grundgesetz voraussetzt, nicht einfach übertragbar. Die Menschen, die auf Dauer bei uns und mit uns in Europa leben wollen, müssen sich in vielerlei Hinsicht verändern. Zugleich muss sich auch unsere Gesellschaft dauerhaft verändern, damit Integration überhaupt gelingt.

Wir werden lernen, mit Menschen anderer Religionen in neuartiger Weise zusammenzuleben. Das sind wir nicht gewohnt. Aber das ist unsere Zukunft, denn die Menschen islamischen Glaubens haben Religionsfreiheit wie wir, und man darf sie ihnen nicht vorenthalten. Theologisch kommt es sehr darauf an, wie man miteinander tolerant umgeht. Bei den fundamentalistischen Gruppierungen sowohl im Islam als auch im Christentum wird man dabei nichts erreichen. Anders ist es mit den gesprächsbereiten Muslimen. Hier plädiere ich dafür, dass wir mit ihnen in einem offenen und zugewandten Dialog bleiben, der die Differenzen klar benennt und von gegenseitiger Achtung lebt.

Für viel schwieriger halte ich aber die stille und fast unmerkliche Mission seitens des östlichen Buddh­ ismus im Westen. Beim Islam erkennt man schnell die Differenzen. Beim Buddhismus ist das viel komplizierter, weil er sich in seinen Schattierungen viel leichter mit anderen Religionen verbinden kann, so dass Differenzen gar nicht auffallen. Jürgen Klinsmann stellt Buddha-Statuen in die Kabine von Bayern München und erwartet davon „Good Vibrations“. Das ist fernöstliche Magie im postsäkularen Westen! Schon ein starkes Stück! Und es zeigt, was da Neues passiert. Ein anderes Beispiel sind die Verschiebungen in der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Viele Menschen halten mittlerweile die östliche Vorstellung von einer Reinkarnation für viel plausibler als die christliche Hoffnung von der Auferstehung der Toten, und sie halten sie manchmal sogar für eine christliche Denkmöglichkeit.

Wobei diese Vorstellung falsch ist, da die Wiedergeburt im Buddhismus keine Erlösung ist, sondern eine Strafe.

Hier zeigt sich, wie Versatzstücke verschiedener Religionen und Weltdeutungen zu etwas Neuem verknüpft werden. Bei der Wiedergeburt ist der Einfluss der Anthroposophie erkennbar. Sie hat diese fernöstliche Vorstellung in die eigene Welttheorie integriert und umfunktioniert. Bei ihr wird die Welt zur Schule, die Seelenwanderung zum Erziehungsmodell. Früher haben wir mit Schulen (Bildung), Krankenhäusern (Heilung) und Gottesdiensten den Osten missioniert. Jetzt kommen diese Missionsmethoden im Gewand der östlichen Religionen zu uns zurück. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Damit werden wir noch viel zu tun haben.

Wir haben in Frankfurt zu viele kirchliche Gebäude. Die Auseinandersetzung um die Matthäuskirche erfährt bundesweites Interesse. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Den vom Evangelischen Regionalverband in Frankfurt eingeschlagenen Weg, die Zahl kirchlicher Gebäude zu verringern, halte ich für leider nicht zu vermeiden. Als ich in Frankfurt aufgewachsen bin, waren wir 440000 Evangelische. Jetzt sind wir knapp 140000, haben aber nahezu die gleiche Zahl an Gemeinden und Kirchen. Wir müssen vermutlich einige Kirchen aufgeben. Neue Gemeindestrukturen können ja auch eine Chance sein und neuen Schwung bringen. Was ich dabei vermeiden möchte, ist die Abgabe von Kirchen an andere Religionsgemeinschaften, denn die Gebäude haben eine Geschichte und eine theologische Ästhetik, die man ihnen ansieht, und die dann für Irritationen sorgen würden.

Die Position der Evangelischen Kirche in Deutschland ist glasklar: Lieber abreißen als eine Kirche in eine Moschee umwandeln.

Diese Auffassung teile ich. Nicht, weil ich den Muslimen keine Moscheen gönnen würde, sondern weil es für alle besser ist, wenn sie wirklich eigene Moscheen bauen.

Interview: Kurt-Helmuth Eimuth