„Wir haben einen breiten Konsens, dem Rechtspopulismus entgegenzutreten“

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. Januar 2019

In vielen Ländern sind konservative christliche Gruppen einer der Pfeiler rechtspopulistischer Bewegungen. Wie sieht das in Hessen aus? Ganz anders, sagt Volker Rahn, Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, im Gespräch mit dem EFO-Magazin. Eine solche Stimmungslage sei hier „absolut nicht spürbar “ .

Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart
Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart

EFO-Magazin: Herr Rahn, nimmt die Akzeptanz von rechtspopulistischen Gedankengut in christlichen Freikirchen, konservativen evangelischen Kreisen oder Gemeinden zu?

Volker Rahn: Die evangelische Kirche liegt ja nicht auf dem Mars und ist mit ihren Mitgliedern ein Spiegelbild der Gesellschaft. Insofern sind in Kirchengemeinden eben auch alle politischen Spielarten vertreten. Zu spüren waren kritische Stimmen etwa zur Flüchtlingshilfe der hessen-nassauischen Kirche eher 2016 auf dem Höhepunkt der Zuwanderung und im Vorfeld des Bundestagswahlkampfs 2017 mit seinen starken populistischen Tendenzen. Inzwischen ist es hier wieder sehr ruhig. Im Gegenteil: Es ist derzeit ein breiter Konsens zu spüren, rechtspopulistischen Tendenzen oder fremdenfeindlichen Äußerungen entschieden entgegenzutreten. Was die Freikirchen angeht, denen eine besondere, teilweise auch personelle Nähe zu rechtspopulistischen Parteiungen nachgesagt wird: Da müsste man die betreffenden Kirchen direkt fragen.

Es gingen aber auch schon Fälle von EKHN-Verantwortlichen mit einer Nähe zur AfD durch die Presse.

Sicher: Es mag vereinzelt Fälle geben. Schlagzeilen machte zum Beispiel eine Kirchenvorsteherin, die unter großem öffentlichem Getöse in die verantwortliche Position einer populistischen Partei wechselte. Das bleibt aber ein absoluter Ausnahmefall. Ein Kippen der Stimmungslage ist in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) absolut nicht spürbar, wie gesagt, ganz im Gegenteil.

Wie äußert sich das?

Wir haben zum Beispiel in den Gemeinden und Dekanaten ein anhaltend starkes Interesse nach Hilfen im Umgang mit Rechtspopulismus vor Ort. Oft stehen Dekanate im Verbund mit anderen Gruppierungen an der Spitze von Bewegungen, die die Demokratie stärken wollen und dagegen kämpfen, dass Dörfer oder Regionen braun werden.

Welche Unterstützung bekommen sie dabei von der Landeskirche?

Die EKHN hat eine eigene Stelle zur Stärkung der Demokratie im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung eingerichtet. Unser Experte Matthias Blöser berät Gemeinden, die besonders betroffen sind, zum Beispiel, weil sie unter parteipolitischen Schmähungen leiden oder von rechten Kampagnen wegen ihres Eintretens für Flüchtlinge mit Hass überzogen werden. Mitte Januar will die Kirchenleitung zudem eine brandneue Handreichung für Kirchengemeinden herausgeben, wie man vor Ort mit rechtspopulistischen Positionen umgeht.

Die Kirche will aber auch Forum für den Dialog sein. Gelingt das? Oder haben diejenigen Recht, die sagen, dass Menschen mit einem eher traditionelleren Verständnis von Gesellschaft inzwischen an den Rand der Volkskirche gedrängt werden?

Einer der Kernpunkte der neuen Handreichung ist genau diese Frage: Wie gelingt es, klar Position für eine offene, menschliche Gesellschaft zu beziehen, ohne andere Meinungen an den Rand zu drängen oder Menschen auszugrenzen? Ein Schlüssel dazu ist eine doppelte Grundhaltung. Es geht darum, antidemokratische Positionen oder menschenverachtende Äußerungen klar zu benennen und aufzudecken. Gleichzeitig ist es eine christliche Herausforderung, die betreffende Person trotz ihrer Aussagen zu achten. Und schließlich ist es nicht so, dass in der liberalen EKHN alles geht. Unsere Grundordnung etwa beschreibt ganz klar die Leitplanken. Darin heißt es zum Beispiel, frei formuliert, dass die Kirche aus den niederschmetternden Erfahrungen des Nationalsozialismus heraus heute für eine offene Gesellschaft eintritt, die sich an Vielfalt, Verschiedenheit und Toleranz orientiert. Was das konkret heißt, darüber ist zu diskutieren. Das ist eine Herausforderung für alle Seiten, der man sich stellen muss.

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