Eine Oase unverplanter Zeit

Sonntagsbrötchen und Sonntagszeitung – weil Behörden, Baumärkte und Möbelhäuser ohnehin geschlossen sind, kann man sonntags das Frühstück guten Gewissens in die Länge ziehen. Erledigen kann man ja ohnehin nichts, egal wie dringend es ist. Doch die kollektive Aus-Zeit „am siebten Tag“ wird immer weiter aufgeweicht. - (Foto unabh. entnommen von: Wikimedia/Deut. Bundesarchiv)

Evangelisches Frankfurt: Januar 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 1

Eine Oase unverplanter Zeit

Sonntags hält das öffentliche Leben inne. Die U- und Straßenbahnen fahren nach einem besonderen Fahrplan, es gibt keinen Berufsverkehr. Auch in den Wohnungen erwacht das Leben später. Endlich einmal ausschlafen, im Schlafanzug frühstücken, Sendung mit der Maus gucken. Der Sonntag gehört der Familie, den Kindern, den Freunden. Er ist eine Oase der unverplanten Zeit oder auch der geplanten Familienrituale. In manchen Familien kommen etwa die Kinder und Enkel immer sonntags zum Kaffee zu den Großeltern,oder es gibt Ausflüge in den Zoo, in den Wald, ins Museum.
Ein solcher Tag der Ruhe ist durch das Grundgesetz geschützt. In Artikel 140 heißt es: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt.“ Doch dieser Schutz wird zunehmend ausgehöhlt. Die Ausnahmegenehmigungen zur Öffnung der Läden häufen sich. Schon hat man sich daran gewöhnt, dass Tankstellen mit ihren Minisupermärkten rund um die Uhr geöffnet haben, und sonntags eben auch Fitness-Studios und Bäckereien.
Der Druck der Wirtschaft auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wächst. Flexibilisierung heißt das Zauberwort. Und auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern wird die Möglichkeit vom schönen, neuen Einkaufssonntag vorgegaukelt: Einkaufsbummel statt Kaffeetrinken mit der Oma. Doch nüchtern betrachtet bedeutet Sonntagsarbeit, dass es eigentlich keine Sonntage mehr gibt. Dann ist nämlich jeder Tag ein Werktag.
Die Wurzeln dieses einen Tages, der den Alltag unterbricht und dem Leben seinen Rhythmus gibt, liegen in der Religion. Feierten die frühen Christen wie die Juden den siebenten Tag der Woche, den Sabbat, so veränderte sich dieses im Laufe der Zeit. In christlichen Ländern wurde das Gebot der Sabbatheiligung auf den Sonntag, den Tag der Auferstehung, übertragen. Kaiser Konstantin machte im Jahre 321 den Sonntag zum allgemeinen Feiertag im ganzen Römischen Reich. Theologisch gibt es keine Wertigkeit der Sonntage. Alle Sonntage haben die gleiche theologische Wurzel, alle Sonntage sind gleich wichtig.
Der Sonntag ist heute noch der Tag des Sich-Zurücknehmens, des Zu-Hörens, des Spielens, des Miteinanders und für manche auch der Tag des Kirchgangs. Für all dieses nutzt es nichts, wenn die Verkäuferin an der Theke der Bäckerei dann am Mittwoch frei hat. Der Sonntag ist eben auch eine soziale Errungenschaft. Wichtig für das Familienleben, das soziale Miteinander – ob in Kirche oder Verein.
Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt: Januar 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 1

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