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Rechtsextremismus in der Kita

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. Dezember 2018

Kurt-Helmuth Eimuth, Publizist und Erziehungswissenschaftler, kommentiert die aktuelle Debatte über eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung zum Umgang mit rechtsextremen Einflüssen, die sich im Kita-Bereich bemerkbar machen.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Broschüre „Ene, mene, muh – und raus bist du. Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik“ der Amadeu-Antonio-Stiftung sorgt für Aufregung. Die Stiftung will mit der 60-seitigen Druckschrift für Kindertagesstätten „sensibilisieren für einen kritischen Umgang mit Diskriminierung im frühkindlichen Bildungsbereich“. Anhand konkreter Fallbesprechungen werden Fachkräfte und Erzieherinnen auf Strategien rechter Akteure aufmerksam gemacht und unterstützt, eine Normalisierung rechtsextremer und menschenfeindlicher Einstellungen im frühkindlichen Bildungsbereich entgegen zu wirken. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat ein Grußwort beigesteuert und unterstreicht die Notwendigkeit: „Die Kinder von heute werden morgen unsere demokratische Gesellschaft tragen. Deshalb ist es wichtig, die frühkindliche Bildung demokratisch zu gestalten und an Kinderrechten zu orientieren“. Dagegen kann man nichts sagen. Und sicher ist auch richtig, dass die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und der Anstieg rechtspopulistischer Bewegungen nicht vor der Kita-Tür Halt macht. „Kinder schnappen rassistische Bemerkungen oder antisemitische Einstellungen auf und geben sie weiter“, so die Familienministerin.

Wie diese Empfehlungen im Einzelnen ausgestaltet sind, sorgt jetzt allerdings für gewaltigen Unmut. So enthält die Broschüre angeblich konkrete Hinweise, wie Erzieher Kinder aus angeblich rechtslastigen Familien identifizieren können. Unter der Überschrift „Kinder aus völkischen Familien“ wird das Fallbeispiel eines Geschwisterpaars geschildert, das besonders zurückhaltend ist und wenig von zu Hause oder vom Wochenende erzählt.

„Gleichzeitig gibt es keine sogenannten Disziplinprobleme, diese Kinder scheinen besonders ‚gut zu spuren‘. Außerdem sind traditionelle Geschlechterrollen in den Erziehungsstilen erkennbar: Das Mädchen trägt Kleider und Zöpfe, es wird zu Hause zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, der Junge wird stark körperlich gefordert und gedrillt. Beide kommen häufig am Morgen in die Einrichtung, nachdem sie bereits einen 1,5-km-Lauf absolviert haben.“

Nun, man kann sicher darüber diskutieren, ob in dem einen oder anderen Fall nicht zu sehr Stereotypen verwandt werden. Doch insgesamt sind die Ratschläge praxisnah, stellen das Kind in den Mittelpunkt und beziehen schnell die Eltern mit ein. Auch fordert man die Erzieherinnen auf, bei Fällen von Diskriminierung selbst Position zu beziehen. Von einer „staatlichen Handlungsanweisung zur Elternspionage“, so die CDU-Bundestagsfraktion, kann keine Rede sein. Vielmehr geht es den Autoren um eine Form der Erziehungspartnerschaft. Die Kinder dürfen nicht zwischen zwei Erziehungsstilen hin und her gerissen werden. „Aufgabe demokratischer pädagogischer Institutionen sollte es sein, Kinder zu stärken und ihnen in diesem Fall einen alternativen Erfahrungsraum zu ihrem Elternhaus zu eröffnen. Eine Ausgrenzung der betroffenen Kinder ist keine Lösung und ist keinesfalls anzustreben. Vielmehr sollte versucht werden, den Zugang zu den Kindern zu erhalten.“ Und man mag ergänzen: Auch der Zugang zu den Eltern ist deshalb zu erhalten.

Die Kontroverse um die Broschüre zeigt nur eines: Die Vielfältigkeit der Lebensstile, aber auch die gesellschaftliche Polarisierung hat das Arbeiten in einer Kindertagesstätte nicht einfacher gemacht. Und doch ist die Kita der Ort, in dem tagtäglich das Miteinander unterschiedlicher Weltanschauungen und Religionen vermittelt und eingeübt wird. Eine großartige Leistung des Personals und eine gute Basis für unsere Demokratie.

Neulich auf dem Schulhof: Wer darf da eigentlich parken?

von Kurt-Helmuth Eimuth 21. November 2018

So mancher Schulhof wird als Parkplatz für Lehrerinnen und Lehrer zweckentfremdet. Wofür haben die eigentlich das Hessenticket bekommen?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Schulhöfe, na klar, sind für die Kinder da. Das sollte man jedenfalls denken. Auf dem Schulhof sollen die Kleinen in den Pausen, vor und nach dem Unterricht toben und spielen. Schließlich tut ihnen Bewegung und frische Luft gut.

Nun ist allerdings in Großstädten wie Frankfurt kaum ein Gut so rar wie Boden. Da liegt es nahe, dass die Schulhöfe bei akuter Raumnot zumindest zeitweise mit Containern zugestellt werden. Aber das ist noch nicht alles. Weil der Platz so knapp ist, findet man in der Stadt häufig auch keinen Parkplatz. Das ist ärgerlich für alle Autofahrerinnen und Autofahrer.

Auch vom Lehrpersonal scheinen so manche dieses individuelle Verkehrsmittel zu bevorzugen. Was also liegt näher, als einen Teil der Fläche des Schulhofs als Parkplatz für die Lehrerinnen und Lehrer freizugeben? Und so steht dort, wo eigentlich Kinder Fangen spielen sollten, so mancher SUV.

Ist diese Prioritätensetzung schon fragwürdig so wird sie völlig unverständlich, wenn man bedenkt, dass der beamtete Teil des Personals mit dem Hessenticket, das die Landesregierung spendiert hat, kostenlos zur Schule fahren könnte. Wäre es spätestens jetzt nicht an der Zeit, Kindern Vorrang einzuräumen? Auf den Schulhof gehören Kinder und keine Autos.

Enkeltauglich und planetenschonend: Tipps für eine ethische Geldanlage

von Kurt-Helmuth Eimuth 21. November 2018

17 Millionen Deutsche spenden jedes Jahr und bewirken mit der gewaltigen Summe von über drei Milliarden Euro viel Gutes: Kinderkrebsstationen werden unterstützt, Obdachlosenarbeit oder die Katastrophenhilfe. Was macht man aber mit dem Geld, das man als Notgroschen oder zur Altersvorsorge behalten will? Tipps von Heinz-Thomas Striegler, Finanzdezernent der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

Heinz Thomas Striegler ist Finanzexperte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: Bongard
Heinz Thomas Striegler ist Finanzexperte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: Bongard

Bei den meisten Fonds hat man als Anleger keine Kontrolle darüber, was mit dem Geld finanziert wird. Viele Menschen möchten mit ihrem Ersparten aber weder Atomkraftwerke noch Kinderarbeit finanzieren. Kann ich als Kleinanleger mit fünf- oder zehntausend Euro eine Entwicklung nach ethischen Vorstellungen fördern?

Heinz Thomas Striegler: Zunächst bitte ich um Verständnis, dass ich keine konkreten Anlageempfehlungen geben kann. Aber ein paar grundsätzliche Tipps gebe ich gerne. Das Kapitalmarktangebot hält ein großes Spektrum an Anlageformen bereit. Die Maxime der EKHN ist es, zu mischen und zu streuen, um in turbulenten Zeiten gewappnet zu sein.

Als institutioneller Anleger investieren wir überwiegend in Spezialfonds mit aktivem Managementansatz. Für den Privatanleger, der ebenfalls an der Marktentwicklung eines breiten Anlageuniversums partizipieren will, bieten sich Publikumsfonds an. Die werden von Finanzdienstleistern vielfach mit vergünstigtem Ausgabeaufschlag angeboten. Auch Indexfonds, die sogenannten Exchange Traded Funds (ETFs) eignen sich. Sie bilden möglichst genau die Wertentwicklung einer Gruppe von Wertpapieren ab.

Rückzahlungstermine planen

Für Aktien oder Rentenfonds erfolgt über Angebot und Nachfrage täglich eine Preisbildung an der Börse. Gleiches gilt im Normalfall auch für ETFs. Wenn dann unvorhergesehen Liquidität benötigt wird, kann die Anlage rasch aufgelöst werden. Schwieriger wird das kurzfristige Kassemachen bei Immobilienfonds-Anteilen.

Generell gilt: Für einen kontinuierlichen Aufbau von Vermögen braucht es den langen Atem, denn auch Kursrückschläge und die Kosten des Einstiegs und der laufenden Verwaltung müssen durch Renditezugewinne refinanziert werden. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, auch an positiven Phasen eines Marktzyklus teil zu haben, sollte der Einsatz in risikoreicheren Assetklassen (zum Beispiel weltweite Aktien ETFs) für mindestens fünf Jahre erfolgen, besser wäre ein noch längerer Zeithorizont

Nicht zu viel erwarten

„Die schwarze Null“ für 2018 – Dieses Anlageziel einiger Fondsmanager von risikoarmen, globalen Rentenanlagen erscheint vor der Negativzins-Kulisse für Kurzfristanlagen als ambitioniertes Ziel. Auf der Suche nach Alternativen zum volatilen Aktienmarkt schweift der konzertierte Blick der Marktteilnehmer zu Immobilienanlagen; ablesbar ist das in deren Preisanstieg. Aber am Ende gilt: Ganz gleich, welcher Anlageform Sie sich zuwenden: Schützen Sie sich vor unrealistischen Renditeversprechen; erwarten Sie nicht mehr als den Substanzerhalt. Zum richtigen Einstiegszeitpunkt sei angemerkt, dass sich der stets erst im Rückspiegel zeigt – und bei einer monatlichen Sparrate relativieren sich die Fehler im Timing.

Nachhaltig kritisch sein

Verantwortliches Investieren gehört inzwischen zum Mainstream, zumal wissenschaftliche Studien die Vermutung eines aus ökonomischer Sicht besseren Rendite-Risikoprofils belegen. Inzwischen finden sich die vom Arbeitskreis kirchlicher Investoren entwickelten ethisch-nachhaltigen Anlagekriterien in unterschiedlichster Ausprägung in Anlageprodukten der Finanzdienstleister. Vielleicht auch deshalb, weil sie seit Jahren die siebzehn Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2030 in einen Praxiskontext stellen. Wichtig ist es jetzt, das Angebotsdickicht zu lichten, um tatsächlich nachhaltigen Mehrwert zu generieren.

Der kritische Anleger hinterfragt die Anlagestrategie des Fonds, die Kriterien für die Titelauswahl und die Inhalte der Vermögensaufstellung. Als Indikation kann auch gelten, dass der Anbieter selbst glaubwürdig und in der Vergangenheit als nachhaltiges Unternehmen in Erscheinung getreten ist.

Stöbern Sie doch einmal auf den Internetseiten der Kirchenbanken!

https://www.eb.de/privatkunden.html

Leitfaden für nachhaltig ethische Geldanlage in der evangelischen Kirche: https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/ekd_texte_113.pdf

„Wir fragen ja nicht die, die negativ betroffen sind“

von Kurt-Helmuth Eimuth 9. Oktober 2018

Ginge es nach dem katholischen Stadtdekan Johannes zu Eltz, würden katholische Gemeindepriester bald heiraten dürfen und Frauen zur Priesterweihe zugelassen, zumindest in jenen Weltregionen, wo die Frauenemanzipation gesellschaftlicher Mainstream ist. Wir haben ihn gefragt, wie realistisch das ist.

Der katholische Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz.  |  Foto: epd-Bild/Heike Lyding
Der katholische Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. | Foto: epd-Bild/Heike Lyding

Herr zu Eltz, Sie fordern die teilweise Aufhebung des Zölibats. Damit würden Sie den Unterschied zwischen katholisch und evangelisch einebnen, oder?

Ich bestreite mal die Prämisse höflich. Das trifft nicht den wesentlichen Unterschied zwischen evangelisch und katholisch. Sowohl bei Ihnen als auch bei uns ist die Frage der Lebensordnung der Geistlichen eine Frage kirchlicher Disziplin und steht nicht im Mittelpunkt des Glaubens. Ich bin total für den Zölibat und dafür, dass er gepflegt und gefördert wird in der katholischen Kirche, aber so, dass er für Seelsorgsgeistliche, für die „Leutpriester“, nicht obligatorisch ist.

Sie sind für die Freiwilligkeit?

Genau, für Freiheit und Freiwilligkeit bei den Seelsorgsgeistlichen, die allein in Gemeinden leben. Im Unterschied zu den Ordensgeistlichen, die in Gemeinschaften leben. Damit würde unsere klerikale Lebensart der evangelischen Kirche ähnlicher, aber auch den Kirchen des Ostens. Dort gibt es seit jeher die verheirateten Leutpriester. Das darf man nicht geringschätzen.

Würden Sie auch so weit gehen, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden könnten?

Ich habe gefordert, dass Frauen jetzt sofort zum Diakonat zugelassen werden, also auf die erste Weihestufe. Und zugleich eine ergebnisoffene Diskussion zu führen ist – kein Diskussionsverbot mehr, das ich für total unsinnig und unbiblisch halte – über Frauen auf den weiteren Weihestufen des Priester-und Bischofsamtes.

Wie kann dieses Ziel erreicht werden?

Ich glaube, anders als beim Zölibat, der nur eine ehrwürdige disziplinarische Tradition der lateinischen Kirche ist, ist es bei den Weiheämtern für Frauen nicht mit einem Federstrich getan. Genderfragen schneiden viel tiefer ins Gewebe ein. Das wäre zum Beispiel eine Zerreißprobe im Verhältnis zu den Ostkirchen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es Teile der katholischen Weltkirche gibt, wo das zu einer Kirchenspaltung führen würde. Deshalb plädiere ich dafür, dass diese Frage kultursensibel entschieden wird, also unterschiedlich in den verschiedenen Gegenden der Welt. Subsidiär nach dem klugen Rat der Bischofskonferenzen.

Wäre der andere Umgang mit der Sexualität nicht eine Präventionsmaßnahme gegen sexuellen Missbrauch?

Generell ja. Bei Zölibat und Frauenweihe würde ich sagen: keine direkte, aber eine sehr nachhaltig wirksame indirekte Prävention.

Welche Chancen geben Sie Ihren Vorschlägen?

Na ja, nach menschlichem Ermessen keine großen. Denn das fällt nach unserem Verständnis alles in die Zuständigkeit der Bischöfe, und die würden damit ihre Machtfülle drastisch beschränken. Ob die das wagen? Wir fragen ja nicht die, die negativ betroffen sind von den verschiedenen Restriktionen. Man legt bei uns nicht Frauen die Frage vor, ob Frauen geweiht werden können, und nicht offen Homosexuellen, ob die Lehre über Homosexualität verändert werden müsste. Da ist überall das Lehr- und Leitungsamt der Bischöfe vor. Das ist ein geschlossenes System. Auf der anderen Seite ist nichts so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Dies gilt auch in der Katholischen Kirche und deswegen denke ich, ja, es kann jetzt etwas passieren.

Die Kirche als Plattform für offenen Meinungsaustausch

von Kurt-Helmuth Eimuth 19. September 2018

Die Kirche muss sich neuen Gegebenheiten anpassen. Sie ist zu einer Kirche in der Minderheit geworden. Organisatorisch und strategisch muss sie sich neu aufstellen. Wie das gelingen kann und welche Energie dabei entfaltet werden kann, zeigen beispielhaft drei Projekte in Frankfurt.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Der Abgesang scheint allgegenwärtig: Der Kirche laufen die Mitglieder weg, es fehle an Geld, zudem drohe bald ein Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern. Der Bedeutungsverlust der Kirchen sei unaufhaltsam, sowohl der evangelischen als auch der katholischen.

Unbestritten: Die Kirche muss sich neuen Gegebenheiten anpassen. Sie ist zu einer Kirche in der Minderheit geworden. Organisatorisch und strategisch muss sie sich neu aufstellen. Wie das gelingen kann und welche Energie dabei entfaltet werden kann, zeigen beispielhaft drei Projekte in Frankfurt:

Die Evangelische Akademie, direkt am Römerberg in umgebauten Räumen gut untergebracht, pflegt den Dialog mit sonst der Kirche eher fernstehenden Zielgruppen. Sie ist ein Forum für den Austausch zu Themen wie Flüchtlingspolitik oder Ethik in der Medizin, aber auch Plattform für unterschiedliche Akteurinnen und Akteure.

Am Standort der Matthäuskirche, zwischen Hauptbahnhof und Messe gelegen, soll bald ebenfalls ein Ort für gesellschaftliche Auseinandersetzungen und neue Formen des Planens, der Kooperation und der Bürgerbeteiligung entstehen, die „Neue Matthäuskirche“. Wie Stadtdekan Achim Knecht sagte: „Der Turm der Matthäuskirche ist ein Symbol für die kritische Kraft des Evangeliums gegenüber den Kräften, die sonst in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik bestimmend sind.“

Und als drittes Projekt ist da das neue Gemeindehaus der Paulsgemeinde und der indonesischen Kristusgemeinde, mitten in der Neuen Altstadt, im Haus „Klein Nürnberg“. Es wird wohl noch bis nächstes Jahr dauern, bis der Innenausbau fertiggestellt ist. Doch auch an diesem Standort eröffnen sich neue Möglichkeiten des Kontaktes.

Die evangelische Kirche in Frankfurt nutzt also ihre Chance, den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu führen. Da sie im politischen Diskurs keine eigenen parteipolitischen Interessen hat, können dort wirklich ergebnisoffen Meinungen ausgetauscht werden. Das stärkt die Demokratie, gerade in polarisierenden Zeiten wie diesen.

Reformationstag wird in Hessen kein Feiertag

von Kurt-Helmuth Eimuth 9. Juli 2018

In den norddeutschen Bundesländern ist der Reformationstag am 31. Oktober jetzt dauerhaft ein gesetzlicher Feiertag. In Hessen ist dazu jedoch keine Initiative in Sicht. Dabei gibt es auch hier nur zehn Feiertage – und nicht, wie in Bayern, dreizehn.

Im Süden Deutschlands gibt es deutlich mehr gesetzliche Feiertage als im Norden. Aber jetzt holt der Norden mit Hilfe des Reformationstags auf: Die Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben beschlossen, dass der Reformationstag gesetzlicher Feiertag wird. In den fünf ostdeutschen Bundesländern ist das ohnehin schon der Fall.

In Hessen allerdings ist derzeit keine entsprechende Gesetzesinitiative geplant. Die Staatskanzlei habe bereits abgewunken, sagt der Beauftragte der evangelischen Kirchen in Hessen am Sitz der Landesregierung, Jörn Dulige. Auch die Kirchen seien in dieser Angelegenheit nicht vorstellig geworden. In der Kirchenleitung würde man gegebenenfalls eher die Wiedereinführung des Buß- und Bettags im November als gesetzlichen Feiertag bevorzugen. Dieser war 1995 als arbeitsfreier Tag abgeschafft worden, um die Arbeitgeber dafür zu entschädigen, dass sie Beiträge für die neu eingeführte Pflegeversicherung aufbringen müssen.

Die Diskussion um den Reformationstag war durch das 500-Jährige Reformationsjubiläum im vorigen Jahr angestoßen worden, als der Reformationstag einmalig bundesweit zum Feiertag erklärt worden war. Auch der Frankfurter Bürgermeister und Kirchendezernent Uwe Becker (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, den Reformationstag zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen. Nun behalten nur die Länder im Norden den gesetzlichen Feiertag am 31. Oktober. Allerdings gibt es hier auch Nachholbedarf in Sachen Feiertage: Hamburg etwa hatte bisher nur neun Feiertage während es in Bayern hingegen dreizehn gibt. Auch Hessen mit seinen zehn Feiertagen gehört hier eher zu den Schlusslichtern.

Evangelische Kirche arbeitet Misshandlung von Heimkindern auf

von Kurt-Helmuth Eimuth 27. Juni 2018

Heimerziehung im Nachkriegdeutschland bedeutete oftmals Schläge, Isolierung, Falschmedikation und Demütigung. Die evangelische Kirche hat Betroffenen zugehört, Dokumente zusammengetragen und Fachleute befragt. Eine Wanderausstellung und ein Film fassen die Ergebnisse zusammen.

Kinderheim der Diakonie in Hephata, Treysa: Aufnahme aus den 1960er Jahren. | Foto: Dietmar Wegewitz/Flickr.com (cc by-sa)
Kinderheim der Diakonie in Hephata, Treysa: Aufnahme aus den 1960er Jahren. | Foto: Dietmar Wegewitz/Flickr.com (cc by-sa)

Die Situation in den Kinderheimen der 1950er und 1960er Jahren war vielerorts geprägt von Brutalität und Demütigung, auch in den Heimen der evangelischen Kirche. „Es gab Heime, die waren nicht schlimm und es gab Heime, die waren schlimm“, so die Historikerin Anette Neff von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). 

Die Landeskirche hat vor sechs Jahren begonnen, die Geschichte der Heimkinder in der Nachkriegszeit aufzuarbeiten. Daraus sind jetzt eine Wanderausstellung und ein 80-minütiger Dokumentarfilm entstanden. Doch besteht auch weiterhin die Möglichkeit, sich als Betroffener oder Betroffene an die Kirche zu wenden. Film und Ausstellung sollen ermutigen, das Gespräch zu suchen. Denn dass Betroffene zu Wort kommen, ist der Schlüssel der Aufarbeitung. 

„Das Gespräch und die Anerkennung waren wichtig“, konstatiert Petra Knötzele, die Leiterin des Aufarbeitungsprojektes. Und genau so ist der Film „Kopf Herz Tisch³“ von Filmemacherin Sonja Toepfer konzipiert. Interviews  mit Betroffenen, mit ehemaligen Heimkindern,  werden Aussagen von Verantwortlichen und Fachleuten gegenübergestellt. Auf erklärende Kommentare verzichtet der Film ganz. Die Schilderungen der Zeitzeugen und Zeitzeuginnen werden allenfalls mit eingeblendeten Originaltexten ergänzt. 

So entsteht ein facettenreiches Bild einer dunklen Zeit, in der Machtausübung gegenüber Kindern gang und gäbe waren. Demütigung, Schläge, Medikamente, Isolierung und all jene schrecklichen Dinge, die man eher in einem Folterzentrum vermutet als in einem Kinderheim.

Der Film dokumentiert auf erschreckende Weise, dass Handlungsmuster der Vorkriegszeit wie etwa die Einteilung in „gesund und krank“ oder „normal und abweichend“ auch noch in den 1960er Jahren gängig waren. Diese Denkmuster reichten weit in der Geschichte zurück, wurden dann aber im Nationalsozialismus auf die Spitze getrieben. „Die Nazis haben dann das Töten hinzugefügt“, erläutert Neff. Die Historikerin weist aber auch darauf hin, dass solche Unterscheidungen in Bezug auf den Wert des menschlichen Lebens im Grundsatz auch bis heute gemacht werden, zum Beispiel bei Abtreibungen wegen einer Behinderung des Kindes. 

Auch die Medizin hat in zahlreichen Fällen, die der Film dokumentiert, eine unrühmliche Rolle gespielt. Einer der Zeitzeugen, der Kinderarzt und Psychiater Hans von Lüpke, bescheinigt der Medizin ein veraltetes Denkmodell. „Erst kommt die Organmedizin, dann das Psychische“, kritisiert er. Dabei hänge beides wechselseitig miteinander zusammen. 

Heute setze sich die Kirche dafür ein, dass überall dort, wo Menschen in Abhängigkeit untergebracht sind, ob im Kinder- oder im Altenheim, eine respektvolle und menschliche Haltung eingenommen werde, sagt Petra Knötzele. Deshalb sollen die Ausstellung und der Film auch in der pädagigischen und pflegerischen Aus- und Fortbildung eingesetzt werden. Der Film kann demnächst auch als DVD gerkauft werden, der Erlös soll dann ehemaligen Heimkindern zugute kommen. 

Gesucht: zeitgemäße Formen für eine moderne Demokratie

von Kurt-Helmuth Eimuth 25. Juni 2018

Könnten Demokratie-Konvente statt verengter Filterbubbles offene Echokammern entstehen lassen? Beim Sommerfest der Evangelischen Akademie Frankfurt ging es um neue Ideen für politische Beteiligung.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die erste Generation baut auf, die zweite Generation führt fort, die dritte Generation verkauft, lautet ein Sprichwort. Die Demokratie wird zwar derzeit nicht gerade verkauft, aber doch irgendwie links liegengelassen: Ihre Institutionen werden abschätzig behandelt, Politikerinnen und Politiker verächtlich gemacht. Zwar setzen sich vor allem auf kommunaler Ebene viele tausende Menschen ehrenamtlich für das Gemeinwohl ein, und streiten dabei auch über Ziele und Wege. Aber das wird wenig wahrgenommen.

Was bedeutet es, eine Europäische Union zu haben? Die EU war und ist ein gewaltiges Instrument, das den Frieden in Europa sichert. Noch nie ist in Deutschland eine Generation aufgewachsen, die keinen Krieg erlebte. Die EU sichert Frieden und damit Wohlstand. Ein Wert, der für die heutige Generation zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Aber die Welt hat sich gewandelt. Die alten Institutionen und Handlungsmuster der Demokratie bedürfen der Ergänzung und der Veränderung. Neue Kommunikationsformen sind entstanden. Ja, es geht auch um soziale Medien, um digitale Kommunikation. Es geht aber auch um die persönliche Einbindung von Menschen, um das Entwickeln von Ideen und Visionen.  

Die Evangelische Akademie Frankfurt hat bei ihrem Sommerempfang die Idee eines Demokratiekonvents vorgestellt: Zufällig ausgeloste Menschen der Stadt mit den unterschiedlichsten Hintergründen kommen einmal im Jahr zusammen und tauschen sich aus. Sie erarbeiten gemeinsam Lösungsvorschläge für gesellschaftliche Herausforderungen. Als Gegenmodell zur „Filterblase“ des eigenen Milieus soll so eine „Echokammer“ entstehen, die unterschiedliche Menschen und Meinungen an einen Tisch bringt. 

Mit der „Jungen Akademie“ und all ihren Workshops und kreativen Formen und Methoden spricht man gezielt Menschen an, die sich jenseits eingefahrener Wege für das Gemeinwohl engagieren wollen. Die Demokratie braucht zeitgemäße Formen der Beteiligung, und sie müssen heute anders aussehen als vor 70 Jahren. Nur wenn möglichst viele in die Meinungsbildung einbezogen werden, lässt sich dem Gefühl, dass „die sowieso machen, was sie wollen“ etwas entgegensetzen. 

Den Stummen eine Stimme – Zum 35. Todestag der Familie Jürges

Der tragische Tod dieser Pfarrfamilie wurde Teil des kollektiven Gedächtnis der Stadt

Pfarrer Martin Jürges Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Sie wollen am Pfingstmontag nach dem Gottesdienst einen Familienausflug ins Grüne unternehmen. Am 22. Mai 1983 herrscht Bilderbuchwetter. Im Stadtwald am Oberforsthaus vergnügen sich die ersten schon beim Volksfest und 400.000 Menschen sind auf dem militärischen Teil des Frankfurter Flughafens, der Rhein-Main-Air-Base, fasziniert von der todbringenden Technik der Starfighter. Als sich bei der Flugschau einer der Militärjets aus der Formation löst, fährt der hellblaue Kombi der Familie Jürges auf dem Autobahnzubringer am Waldstadion. Brennende Wrackteile der abstürzenden Kampfmaschine treffen den Wagen. Die ganze Straße scheint zu brennen. Martin Jürges (40), seine Frau Irmtraud (38), sein Sohn Jan (11), seine Tochter Katharina (1) und seine Mutter Erna (77) verbrennen im Auto. Die 19jährige Nichte Gesine Wagner, Patin der kleinen Katharina, erliegt 81 Tage später in einer Offenbacher Spezialklinik ihren schweren Verletzungen.

Die erste Todesanzeige erscheint am 24. Mai 1983, unterzeichnet von „deutschen und ausländischen Bewohnern des Gutleutviertels“. Sie bescheinigt dem Pfarrer, der erst zwei Jahre in der Gemeinde tätig war: „Martin Jürges war seinen Mitmenschen ohne Ansehen des Alters, des Standes, der Religion, der Nationalität verbunden. Er gab ihnen Halt.“

Tatsächlich konnte dieser Mann in kürzester Zeit, der Gemeinde und dem Viertel etwas von seinem Lebensmut, seinem Optimismus und seinen Visionen vermitteln. Mit dem ihm eigenen Organisationsgeschick und seiner Überzeugungskraft erreichte er es, dass die Gutleutgemeinde ein neues Haus in der Gutleutstraße 131 bekam. Nach den Vorstellungen von Irmtraud und Martin Jürges wurde aus dem Bürogbäude ein Pfarrhaus, ein Gemeindestützpunkt und bot zudem noch dem Kindergarten Platz. Heute beherbergt es die Kaffeestube Gutleut. Das Kaffeestuben-Restaurant ist seit 1991 zu einer festen Einrichtung für wohnsitzlose und arme Menschen des Gutleutviertels geworden. Der Platz vor dem Behördenzentrum wurde nach der Pfarrfamilie benannt.

Martin Jürges und seine Ehefrau arbeiteten zuvor im Stadtjugendpfarramt, er als Stadtjugendpfarrer, sie als Sozialarbeiterin, zuständig für Jugendreisen. Die aktive Mitwirkung am Kirchentag, die Förderung der Gruppe „Habakuk“, die Ausrichtung der Sacro-Pop- Festivals, die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Einmischung in die Frankfurter Kommunalpolitik mit der Initiative „PO – Politisch Obdachlose“, die Untersuchung alternativer Lebensstile, die aktive Jugendpolitik, die praktizierte Ökumene – alles Stichworte, die die Breite und den Aktionsradius dieser besonderen Pfarrfamilie andeuten.
Kurt-Helmuth Eimuth

Weitere Infos unter www.familie-jürges.de

Warum es sinnvoll ist, für den Todesfall vorzusorgen

Bestattung ist eine Dienstleistung. Dienstleistungen müssen bezahlt werden. Doch in diesem Fall findet in den wenigsten Fällen ein Preis­vergleich statt. Nach Erhebung der Stiftung Warentest zahlen die meisten Kunden viel mehr, als sie ausgeben wollten, weil es an Bera­tung und fairen Kostenvoranschlä­gen fehlt. Wer will auch schon im Angesicht des Verlustes eines lie­ben Menschen über so etwas Pro­fanes wie Geld reden. Da ist man eher froh, wenn einem von der Ge­staltung der Traueranzeige bis zur Ausrichtung des Kaffees nach der Trauerfeier alles abgenommen wird. Nur: Auch hier muss jeder Handgriff bezahlt werden.

Wer seinen Hinterbliebenen das alles ersparen will, plant seinen Abschied. Welche Form der Beerdigung ist erwünscht: Erd­bestattung, Urne, Rasengrab oder Friedwald? Auch der Ort der Be­stattung will wohlüberlegt sein. Soll es der Geburtsort des Verstor­benen sein oder der letzte Wohn­ort? Da ein Grab, gleich in welcher Form, immer auch ein Ort des Ge­denkens ist, brauchen es vor allem die Hinterbliebenen. Deshalb ist es ratsam, diese Fragen mit den nächsten Verwandten zu bespre­chen und deren Wünsche zu hö­ren. Man kann dieses in einer Bestattungsverfügung zusammen­tragen. Diese ist für die Hinter­bliebenen genau wie ein Testa­ment bindend. Übrigens sollte man eine solche Verfügung nicht dem Testament beilegen, sondern sie gehört ins Stammbuch. Denn das benötigen die Angehörigen zuerst

Wer darüber hinaus seine An­gehörigen auch finanziell entlas­ten will, kann dies bei jedem Be­statter tun. Mit Hilfe von Treuhandgesellschaften, die das Geld verwahren, wird die eigene Beerdi­gung vorab gezahlt. Preis und Leis­tung werden beim Bestatter festgelegt und sind so vergleichbar. Es gibt also einen Vertrag über die Leistung des Bestatters und einen über die Finanzierung. Finanztest hat aktuell vier Treuhandgesell­schaften getestet (Heft 2/18). Bei dreien ist das Geld gut geschützt. Bei vorzeitiger Kündigung fallen aber teils hohe Kosten an.

In Frankfurt fungiert die Ge­nossenschaft der Friedhofsgärt­ner als Treuhandgesellschaft. Da­bei können persönliche Wünsche und Vorstellungen zu Lebzeiten mit einem Friedhofsgärtner, Be­stattungsunternehmen oder ei­nem Steinmetz vertraglich verein­bart werden, angefangen vom Ab­lauf der Beisetzung, der Gestaltung des Grabmals bis hin zur Grabbepflanzung und der an­schließenden Grabpflege. Die Ge­nossenschaft der Friedhofsgärt­ner garantiert im Todesfall die Ausführung der festgelegten Leis­tungen. Neu in Frankfurt sind die Friedfelder. Parkähnlich angelegte Areale, die über die gesamte Dau­er der Ruhefrist von den Gärtnern harmonisch gestaltet werden. Dort finden sich alle Grabarten, vom Einzelurnengrab bis zum Fa­miliengrab. Die Kosten für ein Ur­nengrab belaufen sich auf 3000 Euro, für ein Erdwahlgrab auf 7500 Euro.
Kurt-Helmuth Eimuth