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Kirchensteuer-Rabatt für Jüngere? Drei Gründe, warum das keine gute Idee ist.

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. August 2020

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, schlägt vor, die Kirchensteuer für Berufseinsteiger*innen zu senken. Klingt auf den ersten Blick zwar plausibel, wird aber so nicht funktionieren.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, will jüngere Kirchenmitglieder finanziell entlasten. | Foto: BayernSPD, Flickr.com (cc by-nc-sa)
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, will jüngere Kirchenmitglieder finanziell entlasten. | Foto: BayernSPD, Flickr.com (cc by-nc-sa)

Die Evangelische Kirche in Deutschland diskutiert, ob für Berufseinsteiger die Kirchensteuer ausgesetzt oder reduziert werden soll. „Viele junge Menschen sind mit Studium und Ausbildung beschäftigt, verlieren womöglich den Kontakt zur Kirche. Und wenn sie dann ihr erstes Gehalt bekommen, fragen sie sich, warum sie Kirchensteuern zahlen sollen und treten aus“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Beford-Strohm in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“. Ziel sei es, die Gruppe der 25- bis 35-Jährigen „in möglichst hoher Zahl in der Kirche zu halten“.

Tatsächlich tritt vor allem diese Altersgruppe in sehr hohen Zahlen aus der Kirche aus, dem will man verständlicherweise entgegenwirken. Bei der ersten Lohnabrechnung stellen viele erstaunt fest, wie viele Abzüge vom Bruttogehalt es gibt, wie groß die Differenz zwischen Netto und Brutto. Die einzige Stellschraube, an der sich dann etwas ändern lässt, ist die Kirchenmitgliedschaft. Denn bei der Kirchensteuer handelt es sich nicht um eine unvermeidliche Steuer, sondern um einen Mitgliedsbeitrag – und wer nicht Mitglied ist, zahlt auch keinen Beitrag.

Das ist der Grund, warum der Ratsvorsitzende diesen Beitrag am Anfang des Berufslebens möglichst klein halten will, und damit auch die Austrittsneigung. Zumal gerade die 25- bis 35-Jährigen für Wohnungseinrichtung oder auch Familiengründung jeden Cent gebrauchen können.

Trotzdem greift die Überlegung in dreifacher Hinsicht zu kurz. Erstens: Ein Produkt, das ich nicht verwenden kann, kaufe ich nicht. Als Nichtschwimmer werde ich nicht in den Schwimmclub eintreten, egal wie hoch der Rabatt ist. Mag sein, dass mit so einer Maßnahme einige Hundert oder auch Tausende vom sofortigen Austritt aus der Kirche abgehalten werden. Aber werden sie damit auch für die Kirche gewonnen? Die mangelnde Akzeptanz dafür, eine Mitgliedsbeitrag zu zahlen, reicht tiefer, ihr Grund liegt in einer Entfremdung von Kirche und Glauben. Ein Kirchenaustritt steht meist am Ende eines langen Entfremdungsprozesse, der oftmals bereits über Generationen angedauert hat.

Zweitens: Die Rabattierung des Mitgliedsbeitrages für bestimmte Gruppen konterkariert das Prinzip des heutigen Mitgliedsbeitrages, der an die Lohn- oder Einkommenssteuer gekoppelt ist: Neun Prozent davon gehen zusätzlich an die Kirche. Indem der Kirchenmitgliedsbeitrag analog zur Einkommensteuer steigt und fällt, ist er an die wirtschaftliche Lage der Mitglieder angepasst. Wer viel verdient, zahlt auch viel Kirchensteuer, wer kein Einkommen hat, muss auch der Kirche nichts bezahlen. Das ist sozial gerecht. Außerdem ist die Kirchensteuer als Mitgliedsbeitrag für eine gemeinnützige Organisation wiederum steuerlich absetzbar, was bedeutet, dass sich die tatsächliche Belastung noch um 20 bis 48 Prozent verringert. Das ist ein kompliziertes System, aber im Ergebnis sozial ausgewogen.

Übrigens erhebt der Staat die Mitgliedsbeiträge für die Kirchen keineswegs umsonst, sondern lässt sich dafür bezahlen. Das Land Hessen zum Beispiel behält drei Prozent der erhobenen Beiträge als Verwaltungspauschale ein. Dass die Mitgliedsbeiträge der Kirchen vom Finanzamt erhoben werden ist ein historisch entstandenes Arrangement, das aber für beide Seiten Vorteile hat.

Drittens schließlich erhebt nicht die EKD, sondern die einzelnen Landeskirchen die Steuern. Bevor der Vorschlag des Ratsvorsitzenden Wirklichkeit werden kann, müssten sich also alle 20 Landeskirchen auf ein solches Vorgehen einigen. Und es ist auch eine gute Tradition, dass man sich hier ebenfalls mit der katholischen Kirche abstimmt. Das wird kein einfacher Prozess.

Klar ist: Die christlichen Kirchen in Deutschland stehen vor gewaltigen – auch finanziellen – Herausforderungen, die aktuell durch den coronabedingten Einbruch bei der Kirchensteuer noch einmal verstärkt werden. Das kirchliche Angebot und die kirchlichen Strukturen werden sich grundlegend verändern. Die Diskussion darüber wird jetzt auch öffentlich geführt.

Der Sponsor wechselt, die Kapelle bleibt

von Kurt-Helmuth Eimuth 1. Juli 2020

Kirche im Stadion, Kirche in der Arena, Kirche im Park? Nicht nur das Stadion im Frankfurter Stadtwald wechselt seinen Namen, sondern auch die Kapelle darin.

Aus dem Waldstadion wurde die Commerzbank-Arena wurde der Deutsche Bank Park. | Foto: Jeanne Menjoulet (CC BY-ND 2.0)
Aus dem Waldstadion wurde die Commerzbank-Arena wurde der Deutsche Bank Park. | Foto: Jeanne Menjoulet (CC BY-ND 2.0)

Die Kirche will gerne überall mitspielen. Vor allem dort, wo wirklich gespielt wird. Da ist sie mittendrin und nicht nur dabei. Seit 2007 gibt es deshalb auch eine kleine ökumenische Kapelle im…

Ja, an dieser Stelle wird es schwierig. Denn wo? Im Waldstadion, in der Commerzbank-Arena oder, so ab heute der offizielle Name, im Deutsche Bank Park? Auf der Facebook-Seite wurde schon gestern aus der „Kirche in der Commerzbank-Arena“ die „Kirche im Deutsche Bank Park“. Das Icon spricht allerdings noch von der Kirche in der Arena, und die Internetadresse lautet @KircheImStadion. Alles nicht so einfach.

Aber ehrlich: „Kirche im Deutsche Bank Park“? Gut, Eintracht Frankfurt kann den zweistelligen Millionenbetrag für den Verkauf der Namensrechte gebrauchen. Aber muss die Kirche da mitziehen? Selbst Propst Oliver Albrecht reagierte spontan und schrieb auf Facebook, dass man doch „mutig“ den Namen in „Kapelle im Waldstadion“ hätte ändern können. Fraglich ist aber, ob die Verträge das zulassen. Die Nutzungsrechte schreiben wohl vor, dass der Namenssponsor auch von der Kirche genannt wird.

Die Sponsoren haben es aber auch schwer. Ich jedenfalls bin die letzten 15 Jahre immer ins „Waldstadion“ gegangen und habe auch sonst niemanden getroffen, der in die Commerzbank-Arena fuhr. Im Herzen eines jeden Frankfurters und jeder Frankfurterin bleibt das Stadion im Stadtwald eben doch es „unser Waldstadion“, ganz egal was sie in meterhohen Lettern oben auf das Dach schreiben.

Ein halbes Jahrhundert Gethsemanekirche im Nordend

von Kurt-Helmuth Eimuth 30. Juni 2020

Vor fünfzig Jahren wurde die Gethsemanekirche im Frankfurter Nordend eingeweiht. Das Konzept mit einem Kirchenraum im ersten Stock und Gemeinderäumen und Büros im Erdgeschoss bewährt sich bis heute. Auch den Glockenturm gibt es noch, aber das war haarscharf: Mitte der 1990er Jahre wäre er beinahe abgerissen worden.

Außergewöhnlich: Der acht Meter hohe Kirchraum im ersten Stock hat fast keine Fenster. | Foto: Rui Camilo
Außergewöhnlich: Der acht Meter hohe Kirchraum im ersten Stock hat fast keine Fenster. | Foto: Rui Camilo

Angesichts aktueller Zahlen zum Mitgliederrückgang der Kirchen mag manchem die Zeit von vor fünfzig Jahren geradezu rosig erscheinen. Doch schon 1970, als die Gethsemanekirche an der Eckenheimer Landstraße im Frankfurter Nordend eingeweiht wurde, mischten sich skeptische Töne in die Feierlichkeiten: „Wie könnte es uns gleichgültig sein, wenn die Öffentlichkeit die Bautätigkeit unserer Gemeinde (und der ganzen Kirche!) zunehmend kritisch beurteilt?“ fragte der damalige Pfarrer Hermann Strohmeier. Und der Hochschullehrer Dieter Stoodt spitzte die Frage in seinem Grußwort zur Einweihung noch einmal zu: „Der Gottesdienst hat zweifellos im Ganzen gesehen an Bedeutung verloren. Viele zweifeln nicht daran, dass er weiterhin an Bedeutung verlieren wird.“

Trotzdem freute sich die junge Gemeinde natürlich über ihre Kirche. Die Gemeinde war 1964 als Ausgründung aus der Petersgemeinde entstanden und hatte damals 6000 Mitglieder. Heute sind es noch 1400. Trotzdem beantwortet auch der heutige Pfarrer Thorsten Peters die Frage nach der Notwendigkeit eines Kirchenbaus ähnlich wie die Vorgängergeneration: „Es braucht einen liturgischen Raum. Ich bejahe, dass es diese Kirche gibt“. Auch wenn heute nur noch drei Prozent der Kirchenmitglieder Gottesdienste besuchen – für Peters sind drei Prozent eine Größe, mit der man gut singen, beten und Abendmahl feiern kann.

Die nach Entwürfen des Architekten Hans-Georg Heimel gebaute Kirche hat so manche Besonderheit. Der Kirchraum liegt im ersten Stock und ist barrierefrei mit einem Aufzug erreichbar. Im Erdgeschoss ist ein Gemeinderaum mit Küche sowie Gemeinde- und Pfarrbüro eingerichtet. Bei einem Umbau im Jahr 2013 wurden diese Räumlichkeiten modernisiert und erweitert. Dort, im Erdgeschoss, findet – wenn nicht gerade Coronakrise ist – auch jeden Sonntag ein Kirchencafé statt. Nach der Abgabe des alten Gemeindehauses wird heute auch die Kirche nicht mehr nur für Gottesdienste, sondern immer stärker auch für Gemeindeveranstaltungen aller Art genutzt.

Der innere Grundriss des Kirchenraums ist fast quadratisch und verfügt über eine Empore. Der Kirchenraum wird von nahezu geschlossenen Wandflächen bestimmt. Tageslicht tritt im Altarbereich indirekt aus der Dachzone ein. Auch Altar, Altarkreuz, Altarleuchter und die Deckenlampen als moderne Kronleuchter wurden nach den Entwürfen von Hans-Georg Heimel gestaltet. Lediglich drei kleine Fenster unter der Empore, seitlich der Kanzel und im Turmbereich mit farbigen Glascollagen setzen noch einen Akzent. Dominiert wird der acht Meter hohe Kirchenraum von den Klinkerwänden und einer stilisierten Dornenkrone über dem Altar. Die Eisenplastik hat Hermann Tomada geschaffen.

Der Turm der Gethsemanekirche ist im Nordend weithin sichtbar. | Foto: Rui Camilo
Der Turm der Gethsemanekirche ist im Nordend weithin sichtbar. | Foto: Rui Camilo

Der gut sichtbare Glockenturm an der Eckenheimer Landstraße verkörpert das, was sich Pfarrer Peters wünscht: Ein Kirchengebäude als „öffentliches Zeichen“. Mitte der 1990er Jahre gab es Überlegungen, den sanierungsbedürftigen Kirchturm abzureißen, doch die Gethsemanegemeinde kämpfte mit dem damaligen Pfarrer Martin Zentgraf erfolgreich für dessen Erhalt und hat dann auch die Sanierung mitfinanziert.

Heute steht die Gemeinde wieder vor einem großen Bauprojekt: Das benachbarte alte Gemeindehaus wird abgerissen, an der Stelle wird ein Investor Wohngebäude errichten sowie neue Räume für den Kindergarten schaffen, der erweitert wird.

Trotz aller vor einem halben Jahrhundert schon bestehenden Skepsis kann Pfarrer Peters garantieren: „Die Kirche ist bis heute in Gebrauch.“ Künftig will man durch eine verstärkte pfarramtliche Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden den zurückgehenden Mitgliederzahlen entgegenwirken. An Gemeindefusionen ist allerdings nicht gedacht. Denn die Identität der Gemeinde soll erhalten bleiben, sagt Peters.

Öffentlichkeitsarbeiter, Sektenbeauftragter, Schulleiter und Kita-Manager

Vier Jahrzehnte im kirchlichen Dienst in 16 Minuten schlaglichtartig erzählt mit überraschenden Bildern

Nein, Frau Käßmann!

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. Juni 2020

Die bekannte evangelische Theologin Margot Käßmann fordert die Älteren auf zugunsten der Jungen zu verzichten. Schließlich gehörten die über Sechzigjährigen einer Luxusgeneration an. Solidarität muss anders aussehen, meint unser Autor.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Ältere Menschen sollten in der Corona-Pandemie zugunsten der Kinder und der Jüngeren zu Hause bleiben, sagte kürzlich die evangelische Theologin Margot Käßmann mit Blick auf die weiter eingeschränkten Kita- und Schulangebote dem Straßenmagazin „Asphalt“ in Hannover. Im Interview hatte Käßmann geäußert, die Älteren hätten ein gutes Leben gelebt. Deshalb sei es angesichts der Bedrohung durch Covid-19 jetzt an ihnen, zugunsten der Kinder zu verzichten: „Wenn ich wüsste, dass die Kleinen und Jüngeren wieder rauskönnen, wenn wir, die über Sechzigjährigen, die Risikogruppen, zu Hause blieben, wenn das der Deal wäre, dann würde ich mich darauf einlassen“, sagte die streitbare frühere Bischöfin und Ratsvorsitzende der EKD und forderte zugleich eine zügige Öffnung von Kitas und Schulen. Gerade die Älteren seien „mehrheitlich die Luxusgeneration, die es so gut hatte wie keine Generation vorher und keine danach“. Keine Generation sei weniger von den wirtschaftlichen Folgen der Krise betroffen.

Es ist ein feiner Zug von Käßmann, dass sie persönlich verzichten will. Gut so. Dies kann und soll sie. Nur darf sie ihr Verhalten nicht zum moralischen Imperativ erheben. Denn die Gesellschaft braucht Solidarität, nicht Spaltung. Es ist die Stärke der Gemeinschaft, dass die Stärkeren für die Schwachen einstehen. Darauf fußt an vielen Stellen unsere Gesellschaft. Der chronisch Kranke zahlt den gleichen Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung wie der durch und durch Gesunde, und selbst das Steuerrecht erhebt den Anspruch, dass starke Schultern mehr tragen können. Vom ethischen Standpunkt aus betrachtet irrt die prominente Theologin.

Aber auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive hilft der Vorschlag, alle über Sechzigjährigen in Quarantäne zu schicken, nicht weiter. Die sozialen Folgen, die eine solche Kontaktsperre in Altenheimen verursachen würde, wären enorm. Mancherorts fühlte sich dies während des Lockdowns eher wie Einzelhaft an. Und bedenkt man die Zahl der Menschen mit Vorerkrankungen, die alle zur Risikogruppe gehören, so müsste man eben nicht nur jene 13 Millionen isolieren, die älter als 70 Jahre sind, sondern auch die chronisch Kranken. Darunter wäre dann auch die 16-jährige Diabetikerin und der 30-jährige Asthmatiker. In Deutschland sind 8 Millionen Menschen an Asthma erkrankt, 7,8 Millionen sind schwerbehindert und 1,7 Millionen leiden an einer Herzkrankheit, die eine klinische Behandlung im vergangenen Jahr erforderte.

Nein, das Choronavirus ist eben nicht nur für alte Menschen gefährlich. Vermutlich gehören 20 bis 30 Millionen zur Risikogruppe, bei 83 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Die können sich unmöglich alle freiwillig isolieren.

Es ist sicher hilfreich, wenn Margot Käßmann auf soziale Kontakte verzichtet. Das ist der beste Schutz für sie selbst und trägt auch zur Eindämmung der Epidemie bei. Aber zur Handlungsmaxime für alle kann ein solches Verhalten auf Dauer nicht gemacht werden. Sondern es gilt, die neue Normalität so auszutaxieren, dass das Virus unter Kontrolle ist. Die Zahl der Neuerkrankungen muss so niedrig bleiben, dass jede Infizierung schnell und konsequent nachverfolgt werden kann.

Leider ist zu befürchten, dass im Wettlauf der Lockerungen die gebotene Vorsicht verloren geht. Schon jetzt ist zu beobachten, dass die Gefahr durch das Virus zunehmend unterschätzt wird, denn es ist ja bisher alles gut gegangen. Dagegen gilt es die Stimme zu erheben. Wir alle, ob Jung oder Alt, müssen vorsichtig bleiben.

Zu Pfingsten läuten fünfzig Glocken aus zehn Kirchen

von Kurt-Helmuth Eimuth 20. Mai 2020

Am Samstag vor Pfingsten, 30. Mai, um 16.30 Uhr ist es wieder soweit: Die Glocken der zehn Frankfurter Innenstadtkirchen vereinigen sich zu einem großen Klangteppich. Erstmals kann man das Große Stadtgeläut in diesem Jahr auch online erleben.

Große und kleine Glocken in den zehn Frankfurter Innenstadtkirchen erklingen gemeinsam beim großen Stadtgeläut.  |
Große und kleine Glocken in den zehn Frankfurter Innenstadtkirchen erklingen gemeinsam beim großen Stadtgeläut. | Bild: http://www.colourbox.de

Fein aufeinander abgestimmt nach einem Konzept des Glockensachverständigen Professor Paul Smets aus dem Jahr 1954 schwingen fünfzig Glocken aus zehn Frankfurter Innenstadtkirchen beim Großen Stadtgeläut. Diesmal ist es am Samstag vor Pfingsten erstmals auch online auf http://frankfurt.de/ zu hören.

Man braucht also in Corona-Zeiten nicht in die Innenstadt zu laufen, wo der akustische Eindruck durch den üblichen Verkaufslärm vermutlich selbst in diesen Zeiten getrübt wird.

Zu hören sind die Glocken der Dotationskirchen St. Katharinen, St. Peters, Heiliggeist, Alte Nikolaikirche und die Sachsenhäuser Dreikönigskirche, die drei katholischen Gotteshäuser Dom, Liebfrauen und Leonhard sowie die nicht mehr kirchlich genutzte Paulskirche und das ebenfalls säkularisierte Karmeliterkloster.

Der Frankfurter Magistrat hatte die Chance beim Wiederaufbau ergriffen und damit ein einzigartiges akustisches Kunstwerk geschaffen. Vollendet wurde das Große Stadtgeläut aber erst 1995 mit den neuen Glocken des Karmeliterklosters.

Dominant zu hören ist die Glocke „Gloriosa“ im Dom. Sie ist über zweieinhalb Meter hoch und breit und mit 11.950 Kilogramm das Schwergewicht unter den Glocken der Frankfurter Innenstadtkirchen – und die zweitschwerste Bronzeglocke Deutschlands. Insgesamt wiegen die fünfzig Glocken der zehn Innenstadtkirchen 64.804 Kilogramm.

Übrigens kann man Einblicke in die Dotationskirchen ebenfalls virtuell gewinnen. Die Stadt bietet im Internet Besichtigungen in 360 Grad.

Die Denkmuster der Verschwörungsmythen

von Kurt-Helmuth Eimuth 15. Mai 2020

Man hat in diesen Tagen den Eindruck, dass die wahre Pandemie nicht die Verbreitung des Coronavirus, sondern die von Verschwörungsmythen ist. Ein kleines Handbuch gibt jetzt Einblick in die dahinter stehenden Denkmuster. Es kann direkt aus dem Internet heruntergeladen werden.

Das Handbuch über Verschwörungsmythen ist online abrufbar
Das Handbuch über Verschwörungsmythen ist online abrufbar

Eine bizarre Versammlung aus Impfgegnern, Menschen die daran glauben, dass Bill Gates die Menschheit reduzieren will, und zunehmend auch Aktivisten mit völkischem Gedankengut trifft sich neuerdings zu Demonstrationen, nicht nur in Deutschland. Wie und warum funktionieren solche Verschwörungsmythen?

Dieser Frage geht eine kleine zwölfseitige Broschüre nach, die jetzt auch auf Deutsch im Internet aufgerufen werden kann. Kurz und knapp legt sie grafisch gut aufbereitet die Strukturen und Muster der gängigen Verschwörungsmythen dar und entzaubert sie.

Warum sind Verschwörungsmythen so populär? Wie kann man die Merkmale konspirativen Denkens erkennen? Was sind effektive Strategien, um solche Mythen zu entlarven?

Die Autoren gehen davon aus, dass rationale Beweise keinen Verschwörungsgläubigen überzeugen werden. „Der abschottende Charakter von Verschwörungsmythen bedeutet, dass jeder Beweis, der einen Mythos widerlegt, als weiterer Beweis für die Verschwörung interpretiert werden kann. Dies bedeutet, dass in der Kommunikation die verschiedenen Zielgruppen klar unterschieden werden müssen. Wenn Verschwörungstheoretiker Beweise so uminterpretieren, dass sie das Gegenteil bedeuten, dann braucht man für sie eine andere Strategie, als für jene, die Beweise zu schätzen wissen.“

Zunächst setzt das Handbuch auf „präventives Widerlegen“. Also darauf, im öffentlichen Diskurs faktenbasiert zu argumentieren. Im Umgang mit den Menschen, die Verschwörungsmythen verbreiten, gilt es, kommunikative Aufgeschlossenheit und Empathie zu zeigen. Spott und ein aggressives Zerlegen des Verschwörungsmythos sind eher kontraproduktiv. „Analysieren Sie die Beweggründe hinter dem Verschwörungsmythos, bevor Sie einen Widerlegungsversuch unternehmen.“

Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die die Funktion und die Funktionsweise von Verschwörungsmythen nachvollziehen wollen und zudem eine anregende Hilfe zum Umgang mit einem nicht ausrottbaren Phänomen suchen.

PDF: Stephan Lewandowsky, John Cook: Das Handbuch der Verschwörungsmythen

„Ein Video braucht viel mehr Zeit“

von Kurt-Helmuth Eimuth

Zur Überbrückung des Versammlungsverbots hat Pfarrer i.R. Hinnerk Müller in der Offenbacher Erlösergemeinde publikumslose Gottesdienste gefeiert und auf Youtube hochgeladen.

Pfarrer i.R. Hinnerk Müller bei den Aufnahmen zum Videogottesdienst in der Offenbacher Erlöserkirche. | Foto: Rolf Oeser
Pfarrer i.R. Hinnerk Müller bei den Aufnahmen zum Videogottesdienst in der Offenbacher Erlöserkirche. | Foto: Rolf Oeser

Herr Müller, Sie haben für die Erlösergemeinde in Offenbach-Waldheim Youtube-Gottesdienste gestaltet. Wie kam es dazu?
Hinnerk Müller: Also da war dieses Thema: Man möchte zusammenhalten und kann sich doch nicht direkt begegnen. Abstand halten, aber trotzdem miteinander verbunden sein.

Die Gemeinde hatte ja schon länger die Idee.
Ja, das sehen Sie daran, dass auf dem Kanal auch unsere ganzen Kindervideos sind. Eine unserer Mitarbeiterinnen für die Kinder- und Jugendarbeit hat solche Ideen schon häufiger umgesetzt. Wir haben Theaterstücke und Krippenspiele als Film aufgenommen, vor allem für die, die mitgespielt haben. Deswegen war das bereits im Hinterkopf.

Die zu sehenden Gottesdienste sind nicht nur einfach abgefilmt. Sie verwenden verschiedene Einstellungen und mehrere Kameras.
Wir haben einen Vater aus dem Kindergarten, der das professionell macht und jetzt unterbeschäftigt ist in seinem Tonstudio. Der stand hinter der Umsetzung des Projektes.

Wen erreichen Sie mit den Aufzeichnungen?
Wir hatten an Ostern 207 Aufrufe, jetzt am Sonntag waren es 80 Aufrufe. Verglichen mit der Gottesdienstbesucherzahl, die hier in der Gemeinde auch sonst gar nicht so schlecht ist, ist das dennoch eine Vervielfachung.

Werden Sie nach der Corona-Krise weitermachen?
Nein, das ist zu aufwändig. Ich brauche für eine Predigt normalerweise acht Stunden, aber wenn ich den ganzen technischen Bereich noch mit einrechnen muss, da verdoppelt sich die Zeit. Das kann man so nicht durchhalten.

Was braucht es für einen Videogottesdienst außer Zeit?
Man muss vor allem auch Ideen haben, was die Leute hören wollen. Aber auf Gottes Wort gibt es kein Copyright.

Zum Youtube-Kanal der Erlösergemeinde

Sechs Monate Elterngeld plus Arbeitplatzgarantie!

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Mai 2020

Alle möglichen Branchen bekommen wegen der Corona-Epidemie Hilfen, aber Familien gehen leer aus. Das Hin und Her rund um Schul- und Kita-Öffnungen und die selbstverständliche Erwartung vor allem an Mütter, Kinderbetreuung, Home-Schooling und eigene Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen, zerrt an den Nerven. Für radikale Krisen braucht es radikale Lösungen! Ein Kommentar.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Sache ist vertrackt. Schulen und Kitas wurden geschlossen, von heute auf morgen mussten Eltern ihre Kinder selbst betreuen, ohne die üblichen Netzwerke aus Babysittern oder Großeltern. Gleichzeitig sollten sie aber weiter in ihrem Beruf arbeiten. Ein Tanz auf vielen Hochzeiten in wenigen Zimmern.

Es wird jetzt klar, dass die institutionelle Betreuung von Kindern längst eine Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg ist, sowohl der Einzelnen als auch der Gesellschaft. Mit Corona ist dieses System aber zusammengebrochen.

In den kommenden Monaten wird es kein Zurück zur Normalität geben. Hier und da werden Klassen im Schichtbetrieb unterrichtet, werden Prüfungen abgehalten und Schulflure als Einbahnstraße markiert. Aber ist das die Lösung? Hilft es Eltern im Homeoffice, wenn eine Woche Schule ist und dann eine Woche wieder nicht?

Eine radikale Krise braucht radikale Lösungen. Warum nicht die Schulen bis nach den Sommerferien schließen und die Zeit nutzen, um ganz neue, angemessene Unterrichtskonzepte zu entwickeln! Corona böte die Möglichkeit, Lehrpläne zu entrümpeln und andere Unterrichtsmethoden einzuführen. Gleichzeitig sollte man nicht die Eltern, meist sind es ja die Mütter, zwangsweise als Hilfslehrerinnen rekrutieren. Es gab doch schon mal eine Zeit, in der zwei Unterrichtsjahre auf eineinhalb zusammengestaucht wurden: als mit zwei Kurzschuljahren 1966 und 1967 der Schuljahresbeginn in Deutschland synchronisiert wurde.

Lasst also Kindern und Eltern diese Zeit, um fürs Leben zu lernen statt für die Schule. Gemeinsames Spielen, Lesen, Kochen und Reden können ein Gewinn sein. Aber dafür müssen die Eltern natürlich Zeit haben. Alle Lobbygruppen schreien zurzeit: Wir auch! Nur die Eltern hört man kaum. Sie klagen manchmal, aber immer noch viel zu leise.

Es wäre an der Zeit, hier ein Zeichen zu setzen. Wie wäre es mit einem Corona-Elterngeld für sechs Monate bei gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie? Auf diese Weise könnten auch Familien mit Kindern der Corona-Zeit etwas abgewinnen.

Livemitschnitt von den Frankfurter Orgeltagen auf CD erhältlich

von Kurt-Helmuth Eimuth 27. April 2020

Mitschnitte von den Frankfurter Orgeltagen 2018 und 2019 gibt es jetzt auf CD zum Nachhören. Die Auswahl reicht von Bach über Oreste Ravanello bis zu Concert-Rag.

Die CD mit Orgelmusik aus der Frankfurter Heiliggeistkirche ist in der Alpha Buchhandlung erhältlich.
Die CD mit Orgelmusik aus der Frankfurter Heiliggeistkirche ist in der Alpha Buchhandlung erhältlich.

Eine ungewöhnliche Auswahl von Orgelstücken präsentiert Frank Hoffmann mit seiner CD „Orgelkonzert im Dominikanerkloster“. Es sind Live-Aufnahmen von den Frankfurter Orgeltagen 2018 und 2019. Sie dokumentieren gleichzeitig den Klang der 2013 sanierten Walcker-Orgel der Heiliggeistkirche. Heute verfügt die Hauptorgel über 40 Register, Schleifenwindladen bei mechanischer Spiel- und elektrischer Registertraktur sowie elektrische Koppeln.

Virtuos nutzt Hoffmann diese Möglichkeiten. Vor allem bei Thema und Variationen h-Moll des weithin unbekannten Musikwissenschaftler Oreste Ravanello kommen die romantischen Klangfarben der Orgel der Heiliggeistkirche zur Geltung. Ungewöhnlich ist auch die Darbietung des Concert-Rag Sweet Sixteenths von William Albright, bei dem sich zeigt, dass eine klassische Kirchenorgel durchaus in der Lage ist, den für dieses Instrument eher fremden Typus des Ragtime darzustellen. Selbstverständlich sind aber auch Werke von Johann Sebastian Bach zu hören.

Die CD kostet 12 Euro und ist in der Alpha Buchhandlung, Oeder Weg 43, Telefon 069 28 58 80, erhältlich.