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Gleich drei Bauprojekte abgeschlossen

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 19. Mai 2013

Hoffnungsgemeinde, Nazarethgemeinde und Gethsemanegemeinde feierten Einweihung ihrer neuen oder renovierten Gebäude.

Das Gutleutviertel und der Westhafen haben eine neue Kirche: Im Mai hat die Hoffnungsgemeinde mit einem Gottesdienst ihr Gemeindezentrum in der Hafenstraße in Betrieb genommen. Der große Sakralraum mit seiner hohen Decke streckt sich über Erdgeschoss und ersten Stock, rundherum gibt es auf beiden Ebenen Gruppenräume, Büros und eine Küche. In den übrigen sieben Stockwerken des Neubaus sind Wohnungen untergebracht.

Frankfurt: Einweihung Gemeindezentrum der Hoffnungsgemeinde in der Hafenstraße 8 im Gutleutviertel Foto aufgenommen am 19.05.2013 Foto: Rolf Oeser

Gleich drei Frankfurter Kirchengemeinden begingen in neuen oder zumindest neu gestalteten Räumen das Pfingstfest am Sonntag, 19. Mai. Die Hoffnungsgemeinde nahm ihr neues Gemeindezentrum im Gutleutviertel, Hafenstraße, in Besitz, die Nazarethgemeinde konnte den „150. Geburtstag“ ihrer Kirche in einer frisch sanierten Kirche begehen. Und schließlich weihte die Gethesmanegemeinde im Nordend ihre neuen Räume unterhalb der Kirche in der Eckenheimer Landstraße 90 ein.

Die Seligpreisungen sind auf zwei Außenfenstern angebracht. Programmatik und Sichtschutz zugleich. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Die Baumaßnahmen sind Teil einer Strategie der evangelischen Kirche, in Frankfurt ihren Gebäudebestand zu verringern. Wie die stellvertretende Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, Beate Schwartz-Simon, in der Gethsemanekirche ausführte, habe man sich vorgenommen, die Versammlungsfläche der Frankfurter Gemeinden von 16.500 Quadratmetern auf 12.000 Quadratmetern zu verringern. Diese werde bis 2017 verwirklicht. Der Verband wende hierfür 15 Millionen Euro auf, um künftig Gelder für die Bauunterhaltung einzusparen. Schwartz-Simon dankte der Gemeinde für ihren Mut und ihre Kraft zur Veränderung. Hier im Nordend sei der Sprung für die Gemeinde besonders groß gewesen. Das Gemeindehaus in der Marschnerstraße wird, so die Planung, gänzlich aufgegeben. In den ebenerdigen Räumlichkeiten unter der Kirche sind ein großer Versammlungsraum mit Küche sowie drei Büroräume für das Gemeindebüro, die Gemeindepädagogin und den Pfarrer entstanden. Zudem wurde das Gebäude energetisch optimiert. Die Außenwände der 1970 erbauten Kirche wurden etwas nach außen geschoben und durch zu öffnende Glaswände wurde nicht nur Transparenz, sondern auch eine Öffnung zum Stadtteil geschaffen.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 19. Mai 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe 2013/4 – Juli, Web.

„Bei Gott gibt es keine zweite Reihe”

Menschen mit Behinderung und die Kirche: Fachtagung zum Thema Inklusion in der Bildungsarbeit.

Wie schwierig sich die Kirche mit Inklusion tut, zeigte die Interpretation einer biblischen Wundergeschichte bei der zweiten gesamtkirchlichen Bildungskonferenz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im Bockenheimer Zentrum Verkündigung am heutigen Montag, 13. Mai. Die Heilung des blinden Bartimäus wurde als Beispiel einer biblischen Inklusionsgeschichte angeführt. Dem Widersprach das Auditorium. Denn in dieser Überlieferung geht es um Heilung. Inklusion will aber die Menschen so annehmen wie sie sind, gleich ob behindert oder nicht-behindert. Allen Menschen soll der Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen ermöglicht werden. So fordern es die Vereinten Nationen.Die für Bildung zuständige Dezernentin Christine Noschka hatte denn auch zu Beginn der Konferenz festgestellt: „Es gibt nicht mal eine Verständigung darüber, was wir unter Inklusion verstehen.”

Organisierte die zweite gesamtkirchliche Bildungskonferenz: Eberhard Pausch Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Mehr als hundert Fachleute aus der kirchlichen Bildungsarbeit thematisierten in Anwesenheit von Kirchenpräsident Volker Jung ihr Inklusionsverständnis. Dabei wies Pfarrer Achim Dietermann, Darmstadt, verantwortlich für die religionspädagogische Fortbildung in den Kindertagesstätten, darauf hin, dass Inklusion nicht nur mit dem Blick auf behinderte Kinder zu sehen ist. Inklusion bedeute Offenheit für alle Kinder, gleich welcher Religion. „Bei Gott gibt es keine zweite Reihe, nur erste Plätze”. Dietermann plädierte für eine „inklusive Religionspädagogik”, für einen Rahmen wie Religion wertschätzend zu vermitteln sei, ohne gleich missionierend zu sein. Dafür benötige man eine „neue Haltung mit einem Blick auf die eigene Befangenheit.” Für die Erwachsenenbildung forderte Martin Erhardt, Darmstadt, einen neuen Blick auf die Alten. Das Alter sei keine „Restlebenszeit”, es biete vielmehr einen neuen Gestaltungszeitraum.

Ein Thesenpapier zum „Inklusionsverständnis des christlichen Glaubens und den Folgerungen für den Bereich Bildung” soll in den kommenden Wochen weiter bearbeitet werden, um es dann der Kirchenleitung zur Beschlussfassung vorzulegen. Für Noschka steht aber jetzt schon fest: „Inklusion braucht nicht nur Kompetenz, sondern auch finanzielle Mittel.“

Beitrag von , veröffentlicht am 13. Mai 2013 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

Distanz von Jugendlichen zur Kirchengemeinde ist normal

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. Mai 2013

Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Kirchengemeinde auf. Was läuft da falsch? Nichts!

Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser
Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser

Drei Pfarrer haben das gleiche Problem: Fledermäuse im Glockenturm! Sagt der erste: „Ich habe es mit Ausräuchern probiert, jetzt stinkt die Kirche und die Fledermäuse sind alle schon wieder zurück.“ Sagt der zweite: „Ich habe es mit Kanonendonner probiert, das Ergebnis war, dass die Fledermäuse wieder da sind, und ich habe einen Hörschaden.“ Sagt der dritte: „Meine Fledermäuse sind weg: Ich habe sie erst getauft und dann konfirmiert!“

Ein alter Witz, ein altes Problem: Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Gemeinde auf. Was läuft da falsch? Die Entwicklungspsychologie sagt: Nichts! Die evangelische Konfirmation, die auf den in Straßburg wirkenden Reformator Martin Bucer zurückgeht und erstmals 1539 in der hessischen „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ formuliert wurde, ist ein Passageritus. Als solcher markiert die Konfirmation zwar heute in Westeuropa nicht mehr den Übergang vom Kind zum Erwachsenen wie noch im 18. Jahrhundert, als sich die Konfirmation in Deutschland flächendeckend durchsetzte. Aber es ist doch ein Lebenseinschnitt. Den Heranwachsenden wird nun mehr Entscheidungsspielraum zugebilligt und zugemutet.

Gerne nehmen die Jugendlichen das an. Sie wollen jetzt ihre eigenen Erfahrungen machen, Unbekanntes ausprobieren – und lehnen sich folgerichtig gegen das Alte auf. Allerdings gibt es durchaus Verbesserungsbedarf. Die Evangelische Kirche in Deutschland stellte kürzlich selbstkritisch fest: „Viele Jugendliche gewinnen nicht den Eindruck, dass die Kirche Antworten auf die Fragen hat, die für ihr eigenes Leben wirklich relevant sind.“

Trotz organisatorischer Schwierigkeiten durch die Ausweitung des Schulunterrichts auf den Nachmittag sind der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation immer noch zentrale Bestandteile evangelischen Lebens. Mit dem nötigen Grundwissen und der Erfahrung des Konfirmandenunterrichts ausgestattet kann auch eine spirituelle Suchbewegung beginnen.

Doch diese Suche wird meist außerhalb der Heimatgemeinde stattfinden – und das ist auch nicht schlimm. Ob es nun die Mitwirkung in einem Gospelchor ist oder die Lan-Party in der Jugendkulturkirche oder auch eine zeitweilige Distanz zu kirchlichen Angeboten generell, ist egal. Erfolgreicher Konfirmationsunterricht zeigt sich nicht in der Größe gemeindlicher Jugendgruppen, sondern darin, ob die Basis für die spätere Lebensbewältigung an Stabilität gewonnen hat. Und dafür lohnt sich jede Mühe.

Tod durch einen herabstürzenden Starfighter: Gedenken an Familie Jürges

Von – 5. Mai 2013

An Pfingsten 1983 starben Martin Jürges, Pfarrer der Gutleutgemeinde,  seine Frau, seine Kinder, seine Nichte und seine Mutter: Ihr Auto wurde von einem herabstürzenden Starfighter getroffen.

Sie wollten am Pfingstmontag einen Ausflug ins Grüne unternehmen, am 22. Mai 1983 herrschte Bilderbuchwetter. Gleichzeitig waren auf der Rhein-Main-Air-Base vierhunderttausend Menschen fasziniert von der Technik der Starfighter. Als sich bei der Flugschau einer der Militärjets aus der Formation löste, befand sich der hellblaue Kombi der Familie Jürges gerade auf dem Autobahnzubringer am Waldstadion. Brennende Wrackteile der abstürzenden Kampfmaschine trafen den Wagen. Pfarrer Martin Jürges (40), seine Frau Irmtraud (38), die Kinder Jan (11) und Katharina (1) sowie seine Mutter Erna (77) verbrannten im Auto, die 19jährige Nichte Gesine Wagner erlag 81 Tage später ihren schweren Verletzungen.

Erst zwei Jahre war Martin Jürges in der Gutleutgemeinde Pfarrer gewesen, doch hatte er dem Viertel bereits viel von seinem Optimismus und seinen Visionen vermittelt. Dreißig Jahre nach dem Unglück gedenken die Gemeinde, Freunde und Angehörige der Familie am Mittwoch, 22. Mai, um 17 Uhr auf dem Oberräder Waldfriedhof und um 18.30 Uhr auf dem Familie-Jürges-Platz vor dem Behördenzentrum. Mehr Informationen unter www.familie-jürges.de.

Beitrag von , veröffentlicht am 5. Mai 2013 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe .

Täter an der falschen Tür

Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) vermutet nach dem Angriff Unbekannter auf eine Kita im Frankfurter Stadtteil Dornbusch eine simple, aber sehr effektive Verwechslung. Demnach war die Kita der Polizei das Ziel, das vollends verfehlt wurde.

Vielleicht haben sich die Vandalen an der Tür geirrt. Vielleicht wollten die bislang unbekannten Täter, die in der vergangenen Sonntagnacht die Fenster einer Kindertagesstätte in der Nähe der Haltestelle Dornbusch mit Pflastersteinen eingeworfen und die Wände innen und außen mit roter Farbe beschmiert haben, ursprünglich eine ganz andere Einrichtung treffen.

Denn unweit der noch nicht eröffneten Krabbelgruppe „Rebecca“ des Diakonischen Werks, die zum Ziel der Attacke wurde, liegt die erste Kindertagesstätte der Frankfurter Polizei, die Innenminister Boris Rhein (CDU) Mitte April offiziell eröffnet hatte.

Die Äußerungen des Innenministers vom Donnerstag legen jedenfalls nahe, dass er eine Verwechslung mit der Polizei-Kita vermutet: Die Zerstörungswut müsse zu denken geben, so Rhein in einer Mitteilung. Sie bezieht sich auch auf die Kritik am Polizeieinsatz am 1. Mai .

Die unbekannten Täter hatten die Wände der Kita sowie die Fassade des gegenüberliegenden Supermarktes mit den polizeifeindlichen Buchstaben „ACAB“ (wohl eine Abkürzung für „All cops are bastards“, was soviel heißt wie „Alle Polizisten sind Bastarde“) und „Cops not welcome“ („Polizisten nicht willkommen“) beschmiert; dies ist laut Rhein neben den in Brand gesteckten Polizeifahrzeugen vom Dienstag ein weiterer Angriff auf die Polizei. Die Aktionen zeigten die „Skrupellosigkeit politischer Extremisten“.

Der an und in der Kita entstandene Schaden wurde mittlerweile eingehend geprüft und beläuft sich auf rund 20.000 Euro, wie der Leiter der Abteilung Kindertagesstätten beim Diakonischen Werk, Kurt-Helmut Eimuth, am Freitag mitteilte. Die sieben zerstörten Fensterscheiben zu ersetzen, werde rund 10.000 Euro kosten, ein ähnlich hoher Betrag wird für die Erneuerung des Fußbodens und der Tapete in drei der erst frisch renovierten Räume anfallen. Die rote Farbe, mit denen die Einbrecher Beutel gefüllt und an Wände und auf den Fußboden geworfen hatten, lässt sich größtenteils nicht mehr entfernen.

„Wir sind einfach nur froh, dass alle Möbel verschont worden sind“, sagt Eimuth. Im Moment würde noch geklärt, ob der Schaden von der Versicherung gedeckt würde. „Bei Beschädigung durch Vandalismus zahlt die Versicherung in der Regel nicht.“

Die Neueröffnung der Kita, die von der Diakonie in den nächsten Tagen geplant war, muss aufgrund der Renovierung um drei Wochen auf den 1. Juni verschoben werden. In der Betreuungseinrichtung für ein- bis dreijährige Kinder wird es 33 Plätze geben. Für den Anfang sind drei Erzieherinnen eingestellt worden, in drei Monaten sollen bereits fünfzig Prozent der Betreuungsplätze besetzt sein.

Elena Müller, 4.5.2013 FR

10.000 demonstrieren gegen NPD

Von – 1. Mai 2013

Gegen den Aufmarsch der NPD in Frankfurt hat am 1. Mai 2013 das Römerbergbündnis, dem die evangelische und katholische Kirche in Frankfurt, die Jüdische Gemeinde, der Frankfurter Jugendring und der Deutsche Gewerkschaftsbund angehören, mit Kundgebungen und Aktionen an über zwanzig Plätzen in der Stadt protestiert.

Pfarrerin Esther Gebhardt sprach für das Römerbergbündnis Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Bei der zentralen Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg sagte Pfarrerin Esther Gebhardt, Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt, vor annähernd 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass „Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Antisemitismus, Antiziganismus und jede politisch oder religiös begründete rassistische Ideologie in dieser Stadt keinen Platz hat“. Vielmehr sei Frankfurt stolz darauf, dass es uns gelinge, mit über 140 Nationen und Kulturen ein friedliches Zusammenleben in der Stadt zu praktizieren.

10.000 Menschen kamen zur Demonstration auf den Römerberg Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Gebhardt kritisierte angesichts der NSU-Mordserie an Mitbürgern ausländischer Herkunft auch das staatliche Vorgehen: „Nach heutigen Erkenntnissen ist festzustellen, dass die Gefahr des Rechtsextremismus in den Bundesländern systematisch unterschätzt oder kleingeredet worden ist. Rechte Gewalt wurde bagatellisiert oder verharmlost.“ Man spreche hier von einem „Kartell der Verharmlosung“, das aus Mitgliedern der Polizei, Justiz und Politik bestehe. Gebhardt: „Staatliches Versagen auf allen Ebenen ist festzustellen – zu Leid und Lasten der Opfer rechtsextremistischer Gewalt.“

Oberbürgermeister Peter Feldmann erinnerte in seiner Ansprache daran, dass es am 1. Mai auch um Gerechtigkeit gehe: „Ich war auch mal Angestellter und weiß, was es heißt, einen guten Tarifabschluss zu machen. Das werde ich nie vergessen!” Bessere Lebensbedingungen und höhere Löhne sind eben auch heute noch ein Thema.

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Mai 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Von – 6. Mai 2013

„So eine Art unregelmäßiges Verb“

Die Evangelische Akademie Frankfurt soll ein Ort sein, wo die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommt, die ihr sonst eher fern stehen. Aber wie kann das funktionieren? Und welche Themen sind dabei wichtig? Fragen an den neuen Akademiedirektor Thorsten Latzel.

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Thorsten Latzel ist seit Februar Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt. Der 42 Jahre alte promovierte Theologe war zuvor im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover tätig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Herr Latzel, willkommen in Frankfurt. Was gefällt Ihnen am besten in dieser Stadt?

Frankfurt ist eine quirlige Stadt – mobil, lebendig, pulsierend. In ihr ist viel in Bewegung: Menschen, aber auch Ideen, Geld. Sie ist ein Knotenpunkt für die Region und weit darüber hinaus.

Aus einer Fusion der Stadtakademie Römer 9 und der Akademie Arnoldshain ist die neue Evangelische Akademie Frankfurt geworden. Sie sind der neue Direktor. Was haben Sie sich vorgenommen?

Die evangelische Kirche entwickelt die Idee der Akademien weiter, indem sie in die Metropole hineingeht und den Puls einer Stadt wie Frankfurt fühlt. Als erstes setzen wir den Fusionsprozess der beiden Einrichtungen fort. Zweitens steht das große Projekt an: Umbau des Gebäudes am Römerberg. Hier soll neuer Raum geschaffen werden, um gemeinsam mit anderen an der Zukunft von Kirche, Gesellschaft, Stadt zu arbeiten. Dazu gehören viele konzeptionelle Fragen: Welche Themen sollen wir fortführen, welche neu aufnehmen? Welche Formate braucht es? Wie können wir auch solche Zielgruppen erreichen, die prägend für die Gesellschaft sind, aber keinen besonderen Bezug zur Kirche haben?

Können Sie da von der katholischen Kirche lernen? Sie hat ja mit dem „Haus am Dom“ einen Punkt in dieser Stadt gesetzt.

Wir sind froh, dass es das „Haus am Dom“ als Kooperationspartner gibt, mit dem wir in einem engen Austausch stehen. Da können wir voneinander und auch miteinander lernen. Denn die Frage, wie wir als Kirche andere Zielgruppen erreichen, ist eine dauerhafte Frage. Insofern sind wir sehr froh, wenn wir Partner haben.

Heißt das, die Akademie wendet sich an Gruppen, die die evangelische Kirche derzeit nicht so gut erreicht, die Gebildeten, die Erfolgreichen, die, die in der Gesellschaft den Ton angeben?

Akademiearbeit ist ein spezielles Feld von Kirche. Unsere Aufgabe ist es, als eine Art „unregelmäßiges Verb“ der Kirche an der Grenze zur Gesellschaft zu agieren. Wir kommunizieren mit wichtigen Zielgruppen über Gegenwarts- und Zukunftsfragen: Wie können wir in Zukunft leben? Was braucht es angesichts der großen Transformation, die sich gegenwärtig in allen sozialen Bereichen vollzieht? Was können wir von evangelischer Seite dazu beitragen? Aber auch andersherum: Was können wir als Kirche von anderen lernen? Ich würde nicht sagen, dass die Erfolgreichen unsere Zielgruppe sind, sondern die Menschen, die zu diesen Fragen etwas beizutragen haben und an Verantwortungspositionen sitzen. Dazu gehören genauso junge Menschen wie Künstler, Politiker, Wissenschaftler. Ein buntes Spektrum von ganz unterschiedlichen Menschen.

Neue Erzählformen und Wahrnehmungen

Was sind denn die Themen? Die klassischen Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, oder an was denken Sie noch?

Gewisse Themen stellen sich schon mit dem Standort. Frankfurt heißt natürlich: Thema Wirtschaft. Wie kann eine Form von Wirtschaften aussehen, die wirklich dauerhaft verlässlich ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt? Frankfurt heißt auch: Thema „Stadt“, Zukunft von Mobilität, Wohnen, öffentlichem Raum. Ein weiteres Schlüsselthema ist natürlich der Bereich Religion: Interreligiosität, das Zusammenleben der Religionen. Aber auch die Frage nach einer „öffentlichen Theologie“ ist wichtig. Was haben wir von unserem Glauben her beizutragen zu den großen Zukunftsthemen? Wie kommt Gott da eigentlich ins Spiel? Dafür ist es nötig, neu an der Sprachfähigkeit christlichen Glaubens zu arbeiten.

Wie könnte denn eine solche Sprache aussehen?

Predigten finden bei den Gemeinden einen guten Anklang. Trotzdem haben wir ein Imageproblem. Wir sind stark präsent in einigen sozialen Gruppen, in anderen gibt es häufig nur ein Außenbild. Lernen können wir mit Sicherheit von anderen kulturellen Bereichen – Stichwort Film etwa. Hier haben wir in der Akademie eine große Tradition, um von neuen Erzählformen und Wahrnehmungen zu lernen. Predigten sind keine kleinen Vorträge mehr, sondern arbeiten mit Schnitten, Sequenzen, Symbolen.

Wo will sich die Akademie in dieser Stadt einmischen?

Frankfurt ist eine Bürgerstadt und lebt davon, dass man sich ständig einmischt. Das wollen wir gut „frankfurterisch“ tun. Religion ist nicht eine Behinderung von Zusammenleben, sondern eine Ermöglichung. Wir wollen das in den verschiedenen sozialen Diskursen einbringen. Wir erreichen je nach Thema, nach Format ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das Grundziel ist es dabei, das Gemeinwesen zu stärken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir hatten vor kurzem eine Ausstellung zum Thema „Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß“. Da haben wir sehr stark die iranische Community und die Künstlerszene erreicht, weil es eine iranische Künstlerin war. Anders ist dies etwa bei den Veranstaltungen zu unseren aktuellen Schwerpunktthemen Europa und Freiheit.

Römer 9, dieser prominente Standort am Römerberg, soll ausgebaut werden.

Römer 9 ist ja ein Torhaus, ein 50er Jahre-Haus, sehr transparent mit viel Licht. Es ist ein schwebendes Haus zwischen Himmel und Erde. Die Umbaupläne zielen darauf, das Haus als einen öffentlichen Ort für lebendige Diskurse auszubauen. Dazu werden unterschiedliche Räume geschaffen, damit wir verschiedene Formate von Veranstaltungen anbieten können. Auch müssen die Mitarbeitenden der beiden bisherigen Einrichtungen ausreichend Büroraum finden.

In der Umbauphase wollen Sie ja mobil arbeiten. Auf was können wir uns da einstellen?

Da verraten wir noch nicht alles. Aber es wird eine Form sein, wo das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle spielt. Raum ist eines der Schlüsselthemen in der Metropole – Stichwort Pendlerbewegungen, Wohnungsknappheit, Veränderung von öffentlichen und kulturellen Räumen. Wir nutzen die Umbauphase, um mit anderen in einer Art Stadt-Odyssee neue kulturelle Räume zu entdecken. Zudem finden längere Formate weiterhin in Arnoldshain statt.

Wann wird gebaut?

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr starten und dann 2015 wieder einziehen können. Unser Bürositz in der Interimszeit wird in der Eschersheimer Landstraße 567 sein.

Beitrag von , veröffentlicht am 6. Mai 2013 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Distanz von Jugendlichen zur Kirchengemeinde ist normal

Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Kirchengemeinde auf. Was läuft da falsch? Nichts!

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Foto: Rolf Oeser

Drei Pfarrer haben das gleiche Problem: Fledermäuse im Glockenturm! Sagt der erste: „Ich habe es mit Ausräuchern probiert, jetzt stinkt die Kirche und die Fledermäuse sind alle schon wieder zurück.“ Sagt der zweite: „Ich habe es mit Kanonendonner probiert, das Ergebnis war, dass die Fledermäuse wieder da sind, und ich habe einen Hörschaden.“ Sagt der dritte: „Meine Fledermäuse sind weg: Ich habe sie erst getauft und dann konfirmiert!“

Ein alter Witz, ein altes Problem: Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Gemeinde auf. Was läuft da falsch? Die Entwicklungspsychologie sagt: Nichts! Die evangelische Konfirmation, die auf den in Straßburg wirkenden Reformator Martin Bucer zurückgeht und erstmals 1539 in der hessischen „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ formuliert wurde, ist ein Passageritus. Als solcher markiert die Konfirmation zwar heute in Westeuropa nicht mehr den Übergang vom Kind zum Erwachsenen wie noch im 18. Jahrhundert, als sich die Konfirmation in Deutschland flächendeckend durchsetzte. Aber es ist doch ein Lebenseinschnitt. Den Heranwachsenden wird nun mehr Entscheidungsspielraum zugebilligt und zugemutet.

Gerne nehmen die Jugendlichen das an. Sie wollen jetzt ihre eigenen Erfahrungen machen, Unbekanntes ausprobieren – und lehnen sich folgerichtig gegen das Alte auf. Allerdings gibt es durchaus Verbesserungsbedarf. Die Evangelische Kirche in Deutschland stellte kürzlich selbstkritisch fest: „Viele Jugendliche gewinnen nicht den Eindruck, dass die Kirche Antworten auf die Fragen hat, die für ihr eigenes Leben wirklich relevant sind.“

Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser

Trotz organisatorischer Schwierigkeiten durch die Ausweitung des Schulunterrichts auf den Nachmittag sind der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation immer noch zentrale Bestandteile evangelischen Lebens. Mit dem nötigen Grundwissen und der Erfahrung des Konfirmandenunterrichts ausgestattet kann auch eine spirituelle Suchbewegung beginnen.

Doch diese Suche wird meist außerhalb der Heimatgemeinde stattfinden – und das ist auch nicht schlimm. Ob es nun die Mitwirkung in einem Gospelchor ist oder die Lan-Party in der Jugendkulturkirche oder auch eine zeitweilige Distanz zu kirchlichen Angeboten generell, ist egal. Erfolgreicher Konfirmationsunterricht zeigt sich nicht in der Größe gemeindlicher Jugendgruppen, sondern darin, ob die Basis für die spätere Lebensbewältigung an Stabilität gewonnen hat. Und dafür lohnt sich jede Mühe.

Beitrag von , veröffentlicht am 12. Mai 2013 in der Rubrik Lebenslagen, Meinungen, erschienen in der Ausgabe , .

Islamistische Gruppen: Die Bewertung ist unterschiedlich

Von – 16. April 2013

Die Islamwissenschaftlerin Sabine Kalinock informierte bei der Sekten-Selbstinformation SINUS über islamistische Strömungen in Deutschland.

Die Islamwissenschaftlerin Sabine Kalinock informierte über islamistische Strömungen Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Über Strukturen, inhaltliche Ausrichtung und Verbreitung islamistischer Strömungen berichtete Sabine Kalinock bei der Mitgliederversammlung von „SINUS – Sekteninformation und Selbsthilfe“ am Samstag. Die Islamwissenschaftlerin erläuterte auch die Entstehungsgeschichte der gemein vereinfachend als fundamentalistisch klassifizierten Strömungen des Islams. Diese liegt in einer Identitätskrise des Islam, der sich plötzlich wirtschaftlich, militärisch und technologisch dem Westen unterlegen sah. Auch die Konfrontation mit den Kolonialmächten sei als Auseinanderstetzung zwischen Islam und Christentum gedeutet worden.

Die bekannteste Strömung des Islamismus sei die Gemeinschaft Milli Görüs, die gleichzeitig zu den umstrittensten gehöre. Obwohl sie lange von der Polizei und dem Verfassungsschutz beobachtet wurde, sei dieser Gruppierung keine Propagandierung von Gewalt nachzuweisen gewesen. Nach eigenen Aussagen gehörten 300 Moscheevereine in Deutschland dieser Bewegung an.

Die Gülen-Bewegung: Wenig bekannt und umstritten

Weit aus weniger bekannt und doch äußerst aktiv sei die Gülen-Bewegung, benannt nach Fetullah Gülen. Sie unterhält in mehr als fünfzig Ländern Schulen und Sozialzentren. In seinem Buch “Armee des Imams” beschreibe der türkische Autor Ahmet Sik erstmals, wie Unterstützer Gülens, die so genannten „Fethullahcis“, Justiz und Polizei missbrauchen, um Gegner einzuschüchtern. Kurz vor der Veröffentlichung wurde Sik verhaftet und Manuskripte seines Buchs beschlagnahmt. Im September 2010 wurde Hanefi Avci, ein früherer türkischer Polizeidirektor und einstiger Gülen-Sympathisant, festgenommen und beschuldigt, an einer Verschwörung mitgewirkt zu haben. Er hatte kurz zuvor in einem Buch Gülen-Kadern in der Polizei vorgeworfen, illegal Telefone ihrer Gegner abzuhören und Gerichtsverfahren zu manipulieren.

In Deutschland betreibt die Gülen-Bewegung 150 Nachhilfeinstitute und mehr als ein Dutzend staatlich anerkannter Schulen. Die Einschätzung dieser Bewegung sei allerdings sehr umstritten, so die Referentin. Die einen halten die Gülen-Bewegung für bestens integrierte konservative Muslime, anderen sehen darin einen erzkonservativen Geheimbund.

Außerdem gebe es in Deutschland rund fünfzig salafistische Prediger, die überwiegend den politischen Salafisten zugeordnet werden, so Kalinock. Am bekanntesten ist der Konvertit Pierre Vogel mit dem Verein „Einladung zum Paradies“.

Beitrag von , veröffentlicht am 16. April 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Buntes nach langem Winter

Von – 25. März 2013

Die Sehnsucht, nach einem langen Winter Buntes zu sehen, ist groß. Bereits in der Karwoche werden überall Zweige mit bunten Eiern geschmückt. Ostern und bunte Eier gehören zusammen wie Heilig Abend und Weihnachtsbaum. Doch warum Eier, und zudem noch bunte?

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Eine Theorie besagt, dass es den Christinnen und Christen früher während der gesamten Karwoche untersagt war, Eier zu essen. Aber völlig unbeeindruckt von diesem Brauch legten die Hühner trotzdem Eier – die zur damaligen Zeit sehr teuer und kostbar waren. Eier wurden sogar als Zahlungsmittel akzeptiert. Deshalb wurden die überschüssigen Eier gekocht und bunt angemalt, im Mittelalter zunächst nur rot. Dies sollte an das vergossene Blut Jesu und somit an seinen Opfertod am Kreuz erinnern. Erst viel später wurden die Eier auch in anderen Farben angemalt. Das Anmalen der Eier hatte auch einen ganz praktischen Grund. So konnten die gekochten Eier mit den frischen nicht verwechselt werden.

Das Ei war und ist auch das Symbol für Auferstehung. Ostern ist ein Fest des Lebens. Jesus ist zwar am Karfreitag am Kreuz gestorben, aber damit ist nach christlichem Glauben nicht einfach alles zu Ende. Nach drei Tagen ist er auferstanden. Er hat den Tod besiegt. Das Ei ist Zeichen für neues Leben, für Auferstehung.

Es waren katholische Christinnen und Christen die im 16. Jahrhundert begannen, Ostereier mit christlichen Motiven zu versehen, etwa dem Osterlamm. Noch heute finden sich in hessischer Tradition Bibelverse auf den Eiern, und aus Russland kamen an die Ikonenmalerei erinnernde Christusdarstellungen.

Zu Ostern wird auch das Haus geschmückt. Osternester werden aufgestellt, oder es werden Eier an Blumensträuße gehängt. Seit einiger Zeit werden die Ostereier in den Vorgärten sogar mehr. Sie leuchten in kleinen Bäumen und Büschen.

Meist werden sie schon in der Karwoche aufgehängt – und verschwinden dann nach Ostern ganz schnell. Im Sinne der alten christlichen Symbolik wäre es jedoch angebracht, die Ostereier erst am Ostersonntag aufzuhängen. Dann kann man sie auch etwas länger hängen lassen.

Beitrag von , veröffentlicht am 25. März 2013 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .